Wädenswil

Das Seniorentheater Etzelbühne feiert die Fantasie: Wenn ein unsichtbarer Riesen-Hase die Bühne erobert

Mit der Inszenierung von Mary Chases zeitloser Komödie «Mein Freund Harvey» hat das Seniorentheater Etzelbühne im SeesichtTheater einen triumphalen Erfolg gefeiert. Das Seniorentheater präsentiert ein Stück, das weit über einfache Unterhaltung hinausgeht: Es ist eine warmherzige Hommage an die Vorstellungskraft und die entwaffnende Kraft der Freundlichkeit.

Text: Noëmi Lea Hermann
Bilder: noe/stb

Im Mittelpunkt des turbulenten Geschehens steht Eduard Vischer, gespielt von Ruedi Schnellmann, der mit einer beispiellosen Liebenswürdigkeit verkörpert wird. Eduard pflegt eine innige Freundschaft zu Harvey, einem unsichtbaren, aber stolze 1,90 Meter grossen Hasen. Was für ihn die reinste Selbstverständlichkeit ist, treibt seine besorgte Familie, Tochter Myriam Simmons (Beatrice Rast), Enkelin Vera Simmons (Seraina Lüdi) und Tante Elvira Bitterli (Margrit Diethelm) in den puren Wahnsinn. Ihre Verzweiflung gipfelt im Versuch, Eduard in einer Nervenheilanstalt unterzubringen.
Genau in dieser absurden Ausgangslage entfaltet die Aufführung ihren Tiefgang. Die Inszenierung nutzt die Geschichte, um subtil die Frage zu stellen, was in unserer Gesellschaft eigentlich als «normal» gilt. Die vermeintlich «vernünftigen» Charaktere, selbst der Psychiater Prof. Dr. Emil Burgholz (Freddy Koller) und Oberschwester Rosanna Keller (Ruth Schärer), geraten durch Eduards unerschütterliche Gelassenheit und die omnipräsente Unsichtbarkeit Harveys ins Wanken. Besonders hervorzuheben ist die scharfsinnige Auseinandersetzung mit der Diagnostik: die Absurdität, dass ein «Roboter-Arzt» über das Schicksal der Menschen entscheiden soll, verleiht der klassischen Komödie einen zeitgemässen, fast satirischen Unterton.
Das Ensemble brilliert mit ansteckender Spielfreude. Die Seniorinnen und Senioren bringen die Charaktere mit feinem Witz und grosser Authentizität auf die Bühne und beweisen in jeder Szene, dass gutes Theaterspiel keine Frage des Alters ist. Besonders eindrücklich ist, wie der Hauptdarsteller den unsichtbaren Hasen lebendig macht – ob er ihm galant die Tür öffnet oder einen Drink reicht, man spürt die Präsenz Harveys im Raum.
Regie führte Heinz Kernwein, und Erica Bachmann übersetzte das Stück auf Schweizerdeutsch, was für lokale Würze sorgte. Yolanda Thomas nähte das funktionale und liebevoll gestaltete Bühnenbild, das den passenden Rahmen lieferte, und darüber hinaus gab es eine Handvoll weitere Helfer und Helferinnen, die dafür sorgten, dass so ein grossartiges Theaterstück am 9. Oktober im Seesicht Theater seine Premiere feiern konnte und noch bis Mitte November auf verschiedenen Bühnen aufgeführt werden kann.
Fazit: «Mein Freund Harvey» ist ein Theaterstück, das das Publikum mit einem Lächeln und der festen Überzeugung entlässt, dass die Welt ein bisschen mehr Fantasie vertragen könnte.

Die kommenden Aufführungstermine finden Sie unter:
www.seniorentheater-etzelbuehne.ch

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