Richterswil

Bauhistorisches Haus soll unter Schutz gestellt werden

Eines der ältesten Bauernhäuser Richterswils und sein Nachbargebäude sollen in den Genuss der Unterschutzstellung kommen.

Text & Bilder: Reni Bircher

An der SOB-Bahnstrecke, nahe dem Bahnhof Burghalden gelegen, befindet sich das Doppelwohnhaus Burghaldenstrasse 40–42. Allerdings bestand in seinem Baujahr, 1461, nur ein einstöckiger Keller, welcher als Weinlager genutzt wurde. Erst später kam das Steinhaus auf den Erstbau drauf. So vermutet es zumindest die Denkmalpflege. Ganz genau kann nicht nachvollzogen werden, wann welcher Teil des gesamten Komplexes entstand.
1643 wurde ein Teil des Hauses abgebrochen und in der Strick- oder Blockbauweise – welche schon seit dem Neolithikum bekannt ist und vor allem in Europa und Asien verbreitet ist – neu gebaut. Bauherr war Hans Müller-Aeschmann, ein Mühlenbauer. Ein weiterer Anbau beherbergte möglicherweise eine Trotte.
Teilweise verfügt das Gebäude über aufgesetzte Falllädenkonstruktionen – deutlich weniger verbreitet als der Zugladen –, also Läden, welche in der Täferung «verschwinden», wenn sie offen sind. Laut der Holzmanufaktur Rottweil soll es allerdings in Wädenswil fünf Häuser geben, welche eine solche Fallladenkonstruktion aufweisen.
Im Laufe der Jahrhunderte hat es mehrfach den Besitzer gewechselt, sei es durch Erbschaft oder käuflich erworben. Im Jahre 1980 kaufte Paul Cartier das alte Gemäuer und richtete dort auch sein Atelier ein.

Die Faszination alter Sachen

Paul Cartier war Besitzer eines Teppichhauses, entwarf eigene Teppichdesigns. Einige finden sich auch im Haus Nr. 40 – natürlich genau auf diese Räumlichkeiten angepasst. Er war aber auch leidenschaftlicher Künstler, schuf Bilder und Plastiken in allen Grössen.
Als das Bauernhaus von Cartier übernommen wurde, waren Haus und Garten in desolatem Zustand. Den Besitzern fehlte es an Geld und Zeit, sich richtig darum zu kümmern. «Es zog durch alle Ritzen, und der Garten war eine einzige Wildnis», erzählt Sibylle Cartier, die jüngste Tochter der Familie. Das Gebäude Nr. 40 wurde aufwändig und stilgerecht saniert – alles geplant von Vater und Tochter. Den Blick für Details, die Liebe zu alten Dingen und die künstlerische Ader vererbte der Hausbesitzer an Sibylle. Sie absolvierte die Lehre zur Hochbauzeichnerin, und als das Bauernhaus erworben wurde, zählte sie gerade mal 20 Lenze.
Im Betrieb, wo sie arbeitete, wurden ihr wegen dieser Haussanierung diverse Umbauten alter Häuser in der Stadt Zürich anvertraut. Davon sind einzelne Teile im Haus an der Burghaldenstrasse eingebaut worden, welche ebenfalls die Patina langer Zeitgeschichte aufweisen und sich harmonisch ins Gebäude einfügen.
Das Duo Cartier schätzte solch geschichtsträchtige Materialien: Bedarf daran gab es genug, Ideen deren noch mehr. Teile aus dem Richterswiler Bauernhaus wurden sorgfältig ausgebaut, gereinigt und nach Möglichkeit – eigentlich fast immer – wieder verbaut.

Die Nimmermüden

Das Gebäude Nr. 42 konnte Paul Cartier erst später erstehen und – wieder in Zusammenarbeit mit Tochter Sibylle – vor 15 Jahren sanieren. Dabei haben sie Täfer mit handgemalter Jagdszene entdeckt, welche von Paul Cartier liebevoll restauriert wurde und wieder seinen Platz im Haus 42 fand. Neuere Ziegel wurden durch zugekaufte «original alte» ersetzt.
Der grobe, nachträglich aufgetragene Verputz an den Aussenwänden wurde entfernt. Dass sich eine Bollensteinwand – 90 cm dick! – darunter verbirgt, war Cartiers klar, und diese sollte gezeigt werden. «Mein Vater hat die Wand dann so gestaltet, dass diese selbst wie eine grosse Skulptur wirkt», erklärt Architektin Cartier. Danach wurde eine atmungsaktive Kalkfarbe ­aufgetragen.
Heute erstrahlt das Ensemble an der Burghaldenstrasse als harmonische Einheit.

Geplanter Umbau

Seit 2011 sind Paul Cartiers Töchter Jacqueline und Sibylle die Gesamteigentümerinnen. 2018 verstirbt der bis zuletzt aktive Vater, 2023 folgt ihm seine Frau.
Im Jahre 2022 hat die Gemeinde das zweigeschossige Blockhaus in das kommunale Inventar schützenswerter Gebäude aufgenommen. Da die Eigentümerschaft einen Umbau in Erwägung zieht, beantragte sie bei der Gemeinde eine Schutzabklärung (Provokationsbegehren).
Diese Abklärung durch ein Fachbüro ergab, dass das Gebäude schützenswert ist, worauf die Gemeinde zusammen mit der Eigentümerschaft die Unterschutzstellung mittels Schutzvertrag ausgearbeitet und unterzeichnet haben. Der Zürcher Heimatschutz prüft derzeit die Unterlagen, um die Unterschutzstellung in Erwägung zu ziehen.
Sibylle Cartier, welche den Umbau planen und realisieren würde, sähe es gern, wenn die Liegenschaft unter Schutz gestellt würde. «Ich muss dann zwar immer wieder abklären, was gemacht werden darf, aber die Erhaltung dieses geschichtsträchtigen Hauses liegt mir schon sehr am Herzen».

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