Wenn es in Wädenswil um nachhaltig produzierte und regionale Lebensmittel geht, fällt schnell ihr Name. In den meisten Projekten, die sich damit befassen, ist sie engagiert. Ihre Liebe zur Natur und der menschlichen Gemeinschaft gibt ihr die Kraft, sich für eine gesündere und gemeinschaftlichere Welt einzusetzen.
Text & Bild: Ingrid Eva Liedtke
Karin Hüppi Fankhauser beschreibt sich selber gerne im Kontext ihrer Gemeinschaft und der Natur und ihrer angeborenen Neugier. Und das tönt dann so: «Ich mag das Ursprüngliche, das Klare, das Pure. Die Natur ist mir darin ein grosses Vorbild. Sowohl in ihren Formen, ihren reichhaltigen Geschenken an uns und auch, wie sie vorbildlich funktioniert. Das lässt mich als neugierigen Menschen staunen, denn da ist noch so vieles, was wir nicht wissen, was wir noch nicht verstanden haben. Ich bin ein Mensch, der Neues entdecken will, und ich mag den Austausch, mit anderen Menschen, mit der Natur, mit Pflanzen und auch mit Tieren, wobei mir die Pflanzen näherstehen. Mir ist Heimat wichtig, ein Zuhause zu haben, eine Familie. Dazu zählen auch Freundschaften, die zum Teil schon über Jahrzehnte andauern. Dadurch ist ein Netzwerk von Gleichgesinnten entstanden. Darin fühle ich mich aufgehoben. Der gegenseitige Austausch ist mir wichtig und eine grosse Inspiration. Das schliesst auch Freunde und Freundinnen ein, die sich mit anderen Themen befassen, die mich auch interessieren und inspirieren. Ich bin gerne in Bewegung, mental und physisch. Mein Mann und ich wandern gerne oder fahren Velo. In der Natur kann ich mich am besten erholen. Ich arbeite auch sehr gerne in meinem Garten. Es gibt da diese besonderen Momente der Stille, zum Beispiel morgens, wenn ich früh hinausgehe. Im Winter empfängt mich manchmal noch ein gewaltiger Sternenhimmel, im Frühjahr und Sommer ist die Sonne am Aufgehen. Alles ist still, nur die Vögel singen schon und der Tag ist noch ein Versprechen. Das erfüllt mich mit Staunen.»
Ursprünge
Karin Hüppi Fankhauser ist in einer Käsereifamilie mit zwei Schwestern und einem Bruder in Rüeterswil im Goldingertal in der Nähe des Atzmännig grossgeworden.
«Auf einem Familienbetrieb aufzuwachsen bedeutet, dass man rund um die Uhr Verantwortung trägt und für Ferien eine Vertretung braucht», erläutert sie. «Als Kind war ich mit meiner Familie ganze drei Mal in den Ferien. Aber das war nicht schlimm, denn wir waren viele Kinder im Dorf. Wir hatten den Wald, den Bach – die Natur – als Spielplatz. Im Winter fuhren wir Ski auf dem Atzmännig, haben selber Pisten gebaut, beim Skirennen im Dorf halfen alle mit. Wir waren es gewohnt, selber etwas auf die Beine zu stellen – miteinander. Ich bin in einer katholischen Gegend aufgewachsen. Mit der Schule gab es einmal pro Woche einen Gottesdienst und am Sonntag sowieso. Wir sind drei Kilometer bis in die Kirche gelaufen. Später, als unser Pfarrer pensioniert war, sind wir mit dem Car ins Nachbardorf zu den Gottesdiensten gefahren. Dieses ‹Zusammen› war schön, war uns wichtig. Auch wenn sich mein Glaube im Laufe meines Lebens verändert hat, erinnere ich mich gerne daran, dass ich mich in dieser katholischen Gemeinschaft aufgehoben gefühlt habe, auch in diesem Glauben an vieles, das man nicht sah. Die Segnungen, zum Beispiel, hatten diese sinnliche Komponente: Das Weihwasser, die Felder, die Kräuter, der Hals, eigentlich wurde alles gesegnet. Man glaubte, dass damit eine Kraft gegeben wird, das hatte etwas Magisches. Man vertraute auf die Kraft der Natur und des Schöpfers. Dieser Glaube begleitet mich auch in meinem erwachsenen Leben.»
Ausbildung zur Pflegefachfrau
Schon mit fünfzehn Jahren verliess Karin Hüppi Fankhauser ihre heile Welt und zog aus nach Sargans, wo sie die Diplommittelschule besuchte und bei einer Schlummermutter wohnte. Sie wollte Pflegefachfrau werden. Nach der Diplommittelschule folgten ein Praktikum im Tessin und ein Auslandaufenthalt in England als Au-pair. «Da durfte ich in einem grossen Haus mit Swimmingpool wohnen und Blüschen und Unterhöschen bügeln», erinnert sie sich mit einem Schmunzeln. Eine andere Welt und eine neue Erfahrung für die neugierige junge Frau.
Danach folgte in Zürich die vierjährige Ausbildung in integrierter Krankenpflege (Kinder- und Erwachsenen-Krankenschwester).
«Wieder tat sich eine neue Welt für mich auf, die der WGs und Personalhäuser. Ich habe viele spannende junge Frauen getroffen, kam aber auch stark an meine Grenzen. Die Arbeit brachte mich in Kontakt mit vielen Patienten-Geschichten, die mir sehr nahe gingen. Ich habe auch auf der Kinder-Onkologie gearbeitet. Es galt Strategien zu entwickeln, um in meiner Arbeit gesund zu bleiben. Die Antworten der Schulmedizin vermochten mich nicht immer zu überzeugen, und so habe ich mich in der Naturheilkunde weitergebildet.»
Im Spital Wädenswil
Sieben Jahre lang hat Karin Hüppi Fankhauser im Spital Wädenswil gearbeitet, wo eine tolle Pflegedienstleitung offen war für komplementäre Pflegemassnahmen. 2005 fusionierte das Spital Wädenswil mit Horgen. Im selben Jahr heiratete sie Werni Fankhauser, den sie 2000 in einem Tangokurs kennengelernt hatte. «Als mich Werni zum ersten Mal hierhin auf den Hof führte, hatte ich das Gefühl ich gehe auf die Alp», lacht sie.
«Die Situation auf dem Hof, mit Patchwork und Schwiegereltern war nicht immer ganz einfach, doch wir haben es zusammen ganz gut hingekriegt. 2006 kam dann unsere gemeinsame Tochter zur Welt. Es freut mich, dass die Kinder untereinander ein gutes Verhältnis haben – vor allem jetzt, da sie alle erwachsen sind.»
Ein Leben als Bäuerin
Karin und Werner Hüppi Fankhauser haben es geschafft, in dieselbe Richtung zu schauen und ihren Betrieb neu auszurichten.
Karin Hüppi Fankhauser erinnert sich: «Unsere Eltern hatten noch Mastbetriebe. Wir haben beide erlebt, was das bedeutet. Wir wussten, dass wir eine nachhaltigere Landwirtschaft betreiben wollten. 2003 stellten wir auf Bio um. Das war eine grosse Herausforderung, aber schliesslich haben alle am gleichen Strick gezogen. Der Schwiegervater, der für den Obstbau zuständig war, hat sich in hohem Alter sogar noch weitergebildet und sich mit biologischem Obstbau befasst. Er war bis 90 aktiv mit dabei. Auch Wernis Mutter war immer unterstützend.
Entwicklung von Zukunftsvisionen
Die Direktvermarktung wurde zu einem Thema, und Fankhausers hatten die Möglichkeit, den Marktstand der Familie Hottinger zu übernehmen. «Ich begann für den Markt zu backen. Seit mehr als 15 Jahren backe ich mit dem hofeigenen Mehl! Da es immer ein Wunsch von mir gewesen ist, Freilandschweine zu halten, konnte ich nun auch dies auf dem Hof umsetzen.»
Aus dem Einen folgte das Nächste, und Karin Hüppi Fankhauser liess sich zur Bäuerin mit dem Wahlmodul «Agrotourismus» ausbilden.
«Der Wochenmarkt lief immer besser. Ich konnte meine Ideen von neuen Hofprodukten verwirklichen, und wir konnten den Hof so weiterentwickeln, dass er auch mit der nachhaltigen Bewirtschaftung unser Familieneinkommen generieren kann. Zudem bilden wir jedes Jahr zwei Lernende aus. Auch sie wohnen und essen mit uns am Familientisch.»
Während 20 Jahren haben Karin und Werner Hüppi Fankhauser auf dem Schluchtalhof ihre Zukunftsvisionen verwirklicht – mit Erfolg.
Transition Town
«Dann kam bei mir das Bedürfnis auf, dies mit anderen zu teilen, es mit der Stadt Wädenswil zu verbinden und noch grösser zu machen.»
Vor 8 Jahren entstand Transition Wädenswil, das von Studenten der ZHAW (Zürcher Hochschule der Angewandten Wissenschaften) gegründet wurde. Transition Towns sind Gemeinschaften, die den Herausforderungen unserer Zeit mit positivem Aktivismus begegnen. Überall auf der Welt nehmen Bürger die Entwicklung ihres Ortes selbst in die Hand und schaffen so die Strukturen für ein Leben innerhalb der planetaren Grenzen.
Die Menschen von Transition Wädenswil setzen sich für eine nachhaltige Regionalentwicklung ein. Sie stellen die Frage nach Zukunftsfähigkeit, Lebensqualität und Wohlstand, abseits von dogmatischem Wirtschaftswachstum und überbordendem Konsum. Dahinter stehen die Fragen: Was macht ein gutes Leben aus? Und: Welche Möglichkeiten wollen wir nutzen?
«Bei Transition Wädenswil habe ich Menschen getroffen, die in Wädenswil aktiv werden möchten. Zusammen mit Claudia Bühlmann (Grüne, Stadträtin Soziales) habe ich mich aktiv engagiert. Mit Raphi Bünter haben wir die Arbeitsgruppe ‹KlimaIdee› aufgezogen und mit Unterstützung der Stadt Wädenswil und der Forschungsgruppe ‹Geography of Food› den ersten Ernährungstisch durchgeführt, wo die Vision 2030 für eine lokale und nachhaltige Land- und Ernährungswirtschaft entstanden ist. (Siehe Artikel im Wädenswiler Anzeiger vom April 2025.) Schliesslich haben wir auch die Biogenossenschaft Zwibol mit Laden und Bistro gegründet.
Die Mitarbeit in den verschiedenen Projekten, die daraus entstanden sind, erlebe ich als gegenseitig bereichernd und zielführend.»
Philosophie
Gibt es hinter diesem grossen Engagement eine Philosophie, eine Triebfeder, ein Thema, das Energie für so vielfältige und arbeitsintensiven Aufgaben spenden kann?
«Was mich fasziniert», sinniert Karin Hüppi Fankhauser, «ist das Wiederaufbauen von lokalen und regionalen Wertschöpfungsketten, sodass wir in Wädenswil wieder Brot essen können, das aus lokalem Mehl gebacken ist, dass man beim Spazierengehen an Dinkel- und Haferfeldern entlang gehen und sehen kann, wo das Korn für das Brot wächst oder die Haferflocken für das Müesli am Morgen. Es ist äusserst spannend, all diese Menschen, beziehungsweise Produzenten, kennenzulernen und ihre Berufe, wie Müller, Moster, Metzger, Bäcker, Chipshersteller und Kaffeeröster, der sogar Lupinen rösten kann, und auch die Menschen, die an der Front diese lokalen Produkte verkaufen. Dieses lebendige Lebensmittelnetzwerk zu vergrössern ist mein Antrieb. Diese kurzen und persönlichen Wege, um nachhaltig Lebensmittel zu produzieren sind gesund für uns und unsere Umwelt. Mich persönlich erfüllt das mit Dankbarkeit der Natur gegenüber – für das, was sie uns schenkt, vor Ort.»
Mehr Vielfalt – mehr Resilienz
Die Vielfalt von Tieren und Pflanzen, die auf ihrem Bauernhof wohne, unterstütze sich gegenseitig und verhelfe so dem Betrieb zu Resilienz. Nach dem schweren Hagel 2021 habe sich das gezeigt, als alle Ackerkulturen und das Obst zerstört waren. Die Tiere seien in solchen Situationen sehr wertvoll, ebenso das Gras, das regelmässig wachse und die Wiederkäuer ernähre, wovon wiederum Milch und Fleisch gewonnen werde.
Ein weiteres grosses Thema sei der Humusaufbau und wie man dem Boden noch mehr Sorge tragen könne.
Doch, so Hüppi Fankhauser: «Nur ‹Bio› reicht nicht. In diesen 20 Jahren haben wir immer wieder neue Zusammenhänge verstanden.» Es brauche Biodiversität, doch auch die Energiegewinnung sei ein wichtiges Thema. Es habe sich klar gezeigt, dass wir uns alle wieder vernetzen müssten. «Dieser Kreislauf fasziniert mich. All die Menschen und ihre Ideen und das Handwerk, um diese umzusetzen und zu ermöglichen. Der Bäcker, der das urtümliche Handwerk noch beherrscht, der Müller, der das Korn noch so malen kann wie anno dazumal, der eine stillgelegte Mühle wieder belebt, sein Kapital investiert hat – Menschen, die mit ihrem Geld etwas Nachhaltiges bewirken!» Voller Begeisterung zählt sie auf: «All dies schlägt sich in allen meinen Projekten nieder!» Und so ist Karin Hüppi Fankhauser offiziell vielleicht «Bäuerin» oder «Landwirtin». «Aber eigentlich», sinniert sie, «sind wir alle viel mehr.»
Ziele
Die Ernährungsvision 2030 für Wädenswil ist ein grosses Ziel, das Karin Hüppi Fankhausers ganze Energie bekommt. Zu diesem Projekt gehört auch «Zwibol», als gutes Beispiel, das schon existiert:
Zwibol ist eine Biogenossenschaft mit einem Laden, der lokale Produkte, mehrheitlich unverpackt, anbietet. Das Angebot ist nachhaltig und hat seinen Schwerpunkt auf lokalen und regionalen Bio-Lebensmitteln – die ohne Zwischenhandel auskommen und zu fairen Preisen angeboten werden. Es geht auch darum, Foodwaste zu verhindern und Ressourcen bei Verpackungen zu sparen.
Das Bistro mit kreativer Küche ist ein Treffpunkt, ein schöner Ort zum Sein. Es wird auch genutzt für kulturelle Veranstaltungen und Zusammenkünfte zum Thema Ernährung und Gesundheit.
Es ist nicht immer einfach, all diese Anliegen allen Menschen zu vermitteln. Karin Hüppi Fankhauser nimmt Grenzen wahr, die durch die Gewohnheiten und das enge Zeitbudget gesetzt werden. «Ich würde mir wünschen, dass wir uns bewusst Zeit einräumen – jede Woche – um in Wädenswil auf Entdeckungsreise zu gehen, auf neue Einkaufswege, neue Spazierwege, den Wochenmarkt besuchen und die lokalen Geschäfte und Hofläden, um diese lokalen Schätze zu entdecken. In Wädenswil gibt es so viele Ecken und Gelegenheiten, um mitzuhelfen und mitzugestalten, um die Stadt nachhaltiger und lebendiger zu machen. Es macht auch so viel Freude etwas gemeinsam auf die Beine zu stellen. Ich hoffe, dass sich mehr Menschen für diese Themen engagieren und die neuen Kontakte, das Lernen und Erfahren von Neuem als Bereicherung erleben können! Ich erlebe solches gerade auch im «Zwibol»: Das bewusste Einkaufen generiert einen Mehrwert, und die Kunden schätzen, dass sie auch ausserhalb der Öffnungszeiten mit ihren Abos einkaufen können. Manche sagen, dass sie im Monatsbudget schliesslich weniger ausgeben, weil sie jetzt das Notwendige kaufen und nicht in Versuchung geführt werden, mehr zu kaufen als sie brauchen.»
Mit «Zwibol» wurde etwas Wunderbares geschaffen. Es ist zu wünschen, dass auch die anderen Projekte immer weitere Kreise ziehen. Dass die Vernetzung von Forschung, Politik und Praxis für den Bereich Ernährung aufgebaut werden konnte, ist ein weiterer Erfolg.
«Lokal und fair» ist ein schweizweites Projekt. Wädenswil ist eine «lokale und faire» Stadt.
Karin Hüppi Fankhausers Vision ist, dass solche Strukturen bis 2030 Standard sind.
Wenn es in Wädenswil um nachhaltig produzierte und regionale Lebensmittel geht, fällt schnell ihr Name. In den meisten Projekten, die sich damit befassen, ist sie engagiert. Ihre Liebe zur Natur und der menschlichen Gemeinschaft gibt ihr die Kraft, sich für eine gesündere und gemeinschaftlichere Welt einzusetzen.
Text & Bild: Ingrid Eva Liedtke
Karin Hüppi Fankhauser beschreibt sich selber gerne im Kontext ihrer Gemeinschaft und der Natur und ihrer angeborenen Neugier. Und das tönt dann so: «Ich mag das Ursprüngliche, das Klare, das Pure. Die Natur ist mir darin ein grosses Vorbild. Sowohl in ihren Formen, ihren reichhaltigen Geschenken an uns und auch, wie sie vorbildlich funktioniert. Das lässt mich als neugierigen Menschen staunen, denn da ist noch so vieles, was wir nicht wissen, was wir noch nicht verstanden haben. Ich bin ein Mensch, der Neues entdecken will, und ich mag den Austausch, mit anderen Menschen, mit der Natur, mit Pflanzen und auch mit Tieren, wobei mir die Pflanzen näherstehen. Mir ist Heimat wichtig, ein Zuhause zu haben, eine Familie. Dazu zählen auch Freundschaften, die zum Teil schon über Jahrzehnte andauern. Dadurch ist ein Netzwerk von Gleichgesinnten entstanden. Darin fühle ich mich aufgehoben. Der gegenseitige Austausch ist mir wichtig und eine grosse Inspiration. Das schliesst auch Freunde und Freundinnen ein, die sich mit anderen Themen befassen, die mich auch interessieren und inspirieren. Ich bin gerne in Bewegung, mental und physisch. Mein Mann und ich wandern gerne oder fahren Velo. In der Natur kann ich mich am besten erholen. Ich arbeite auch sehr gerne in meinem Garten. Es gibt da diese besonderen Momente der Stille, zum Beispiel morgens, wenn ich früh hinausgehe. Im Winter empfängt mich manchmal noch ein gewaltiger Sternenhimmel, im Frühjahr und Sommer ist die Sonne am Aufgehen. Alles ist still, nur die Vögel singen schon und der Tag ist noch ein Versprechen. Das erfüllt mich mit Staunen.»
Ursprünge
Karin Hüppi Fankhauser ist in einer Käsereifamilie mit zwei Schwestern und einem Bruder in Rüeterswil im Goldingertal in der Nähe des Atzmännig grossgeworden.
«Auf einem Familienbetrieb aufzuwachsen bedeutet, dass man rund um die Uhr Verantwortung trägt und für Ferien eine Vertretung braucht», erläutert sie. «Als Kind war ich mit meiner Familie ganze drei Mal in den Ferien. Aber das war nicht schlimm, denn wir waren viele Kinder im Dorf. Wir hatten den Wald, den Bach – die Natur – als Spielplatz. Im Winter fuhren wir Ski auf dem Atzmännig, haben selber Pisten gebaut, beim Skirennen im Dorf halfen alle mit. Wir waren es gewohnt, selber etwas auf die Beine zu stellen – miteinander. Ich bin in einer katholischen Gegend aufgewachsen. Mit der Schule gab es einmal pro Woche einen Gottesdienst und am Sonntag sowieso. Wir sind drei Kilometer bis in die Kirche gelaufen. Später, als unser Pfarrer pensioniert war, sind wir mit dem Car ins Nachbardorf zu den Gottesdiensten gefahren. Dieses ‹Zusammen› war schön, war uns wichtig. Auch wenn sich mein Glaube im Laufe meines Lebens verändert hat, erinnere ich mich gerne daran, dass ich mich in dieser katholischen Gemeinschaft aufgehoben gefühlt habe, auch in diesem Glauben an vieles, das man nicht sah. Die Segnungen, zum Beispiel, hatten diese sinnliche Komponente: Das Weihwasser, die Felder, die Kräuter, der Hals, eigentlich wurde alles gesegnet. Man glaubte, dass damit eine Kraft gegeben wird, das hatte etwas Magisches. Man vertraute auf die Kraft der Natur und des Schöpfers. Dieser Glaube begleitet mich auch in meinem erwachsenen Leben.»
Ausbildung zur Pflegefachfrau
Schon mit fünfzehn Jahren verliess Karin Hüppi Fankhauser ihre heile Welt und zog aus nach Sargans, wo sie die Diplommittelschule besuchte und bei einer Schlummermutter wohnte. Sie wollte Pflegefachfrau werden. Nach der Diplommittelschule folgten ein Praktikum im Tessin und ein Auslandaufenthalt in England als Au-pair. «Da durfte ich in einem grossen Haus mit Swimmingpool wohnen und Blüschen und Unterhöschen bügeln», erinnert sie sich mit einem Schmunzeln. Eine andere Welt und eine neue Erfahrung für die neugierige junge Frau.
Danach folgte in Zürich die vierjährige Ausbildung in integrierter Krankenpflege (Kinder- und Erwachsenen-Krankenschwester).
«Wieder tat sich eine neue Welt für mich auf, die der WGs und Personalhäuser. Ich habe viele spannende junge Frauen getroffen, kam aber auch stark an meine Grenzen. Die Arbeit brachte mich in Kontakt mit vielen Patienten-Geschichten, die mir sehr nahe gingen. Ich habe auch auf der Kinder-Onkologie gearbeitet. Es galt Strategien zu entwickeln, um in meiner Arbeit gesund zu bleiben. Die Antworten der Schulmedizin vermochten mich nicht immer zu überzeugen, und so habe ich mich in der Naturheilkunde weitergebildet.»
Im Spital Wädenswil
Sieben Jahre lang hat Karin Hüppi Fankhauser im Spital Wädenswil gearbeitet, wo eine tolle Pflegedienstleitung offen war für komplementäre Pflegemassnahmen. 2005 fusionierte das Spital Wädenswil mit Horgen. Im selben Jahr heiratete sie Werni Fankhauser, den sie 2000 in einem Tangokurs kennengelernt hatte. «Als mich Werni zum ersten Mal hierhin auf den Hof führte, hatte ich das Gefühl ich gehe auf die Alp», lacht sie.
«Die Situation auf dem Hof, mit Patchwork und Schwiegereltern war nicht immer ganz einfach, doch wir haben es zusammen ganz gut hingekriegt. 2006 kam dann unsere gemeinsame Tochter zur Welt. Es freut mich, dass die Kinder untereinander ein gutes Verhältnis haben – vor allem jetzt, da sie alle erwachsen sind.»
Ein Leben als Bäuerin
Karin und Werner Hüppi Fankhauser haben es geschafft, in dieselbe Richtung zu schauen und ihren Betrieb neu auszurichten.
Karin Hüppi Fankhauser erinnert sich: «Unsere Eltern hatten noch Mastbetriebe. Wir haben beide erlebt, was das bedeutet. Wir wussten, dass wir eine nachhaltigere Landwirtschaft betreiben wollten. 2003 stellten wir auf Bio um. Das war eine grosse Herausforderung, aber schliesslich haben alle am gleichen Strick gezogen. Der Schwiegervater, der für den Obstbau zuständig war, hat sich in hohem Alter sogar noch weitergebildet und sich mit biologischem Obstbau befasst. Er war bis 90 aktiv mit dabei. Auch Wernis Mutter war immer unterstützend.
Entwicklung von Zukunftsvisionen
Die Direktvermarktung wurde zu einem Thema, und Fankhausers hatten die Möglichkeit, den Marktstand der Familie Hottinger zu übernehmen. «Ich begann für den Markt zu backen. Seit mehr als 15 Jahren backe ich mit dem hofeigenen Mehl! Da es immer ein Wunsch von mir gewesen ist, Freilandschweine zu halten, konnte ich nun auch dies auf dem Hof umsetzen.»
Aus dem Einen folgte das Nächste, und Karin Hüppi Fankhauser liess sich zur Bäuerin mit dem Wahlmodul «Agrotourismus» ausbilden.
«Der Wochenmarkt lief immer besser. Ich konnte meine Ideen von neuen Hofprodukten verwirklichen, und wir konnten den Hof so weiterentwickeln, dass er auch mit der nachhaltigen Bewirtschaftung unser Familieneinkommen generieren kann. Zudem bilden wir jedes Jahr zwei Lernende aus. Auch sie wohnen und essen mit uns am Familientisch.»
Während 20 Jahren haben Karin und Werner Hüppi Fankhauser auf dem Schluchtalhof ihre Zukunftsvisionen verwirklicht – mit Erfolg.
Transition Town
«Dann kam bei mir das Bedürfnis auf, dies mit anderen zu teilen, es mit der Stadt Wädenswil zu verbinden und noch grösser zu machen.»
Vor 8 Jahren entstand Transition Wädenswil, das von Studenten der ZHAW (Zürcher Hochschule der Angewandten Wissenschaften) gegründet wurde. Transition Towns sind Gemeinschaften, die den Herausforderungen unserer Zeit mit positivem Aktivismus begegnen. Überall auf der Welt nehmen Bürger die Entwicklung ihres Ortes selbst in die Hand und schaffen so die Strukturen für ein Leben innerhalb der planetaren Grenzen.
Die Menschen von Transition Wädenswil setzen sich für eine nachhaltige Regionalentwicklung ein. Sie stellen die Frage nach Zukunftsfähigkeit, Lebensqualität und Wohlstand, abseits von dogmatischem Wirtschaftswachstum und überbordendem Konsum. Dahinter stehen die Fragen: Was macht ein gutes Leben aus? Und: Welche Möglichkeiten wollen wir nutzen?
«Bei Transition Wädenswil habe ich Menschen getroffen, die in Wädenswil aktiv werden möchten. Zusammen mit Claudia Bühlmann (Grüne, Stadträtin Soziales) habe ich mich aktiv engagiert. Mit Raphi Bünter haben wir die Arbeitsgruppe ‹KlimaIdee› aufgezogen und mit Unterstützung der Stadt Wädenswil und der Forschungsgruppe ‹Geography of Food› den ersten Ernährungstisch durchgeführt, wo die Vision 2030 für eine lokale und nachhaltige Land- und Ernährungswirtschaft entstanden ist. (Siehe Artikel im Wädenswiler Anzeiger vom April 2025.) Schliesslich haben wir auch die Biogenossenschaft Zwibol mit Laden und Bistro gegründet.
Die Mitarbeit in den verschiedenen Projekten, die daraus entstanden sind, erlebe ich als gegenseitig bereichernd und zielführend.»
Philosophie
Gibt es hinter diesem grossen Engagement eine Philosophie, eine Triebfeder, ein Thema, das Energie für so vielfältige und arbeitsintensiven Aufgaben spenden kann?
«Was mich fasziniert», sinniert Karin Hüppi Fankhauser, «ist das Wiederaufbauen von lokalen und regionalen Wertschöpfungsketten, sodass wir in Wädenswil wieder Brot essen können, das aus lokalem Mehl gebacken ist, dass man beim Spazierengehen an Dinkel- und Haferfeldern entlang gehen und sehen kann, wo das Korn für das Brot wächst oder die Haferflocken für das Müesli am Morgen. Es ist äusserst spannend, all diese Menschen, beziehungsweise Produzenten, kennenzulernen und ihre Berufe, wie Müller, Moster, Metzger, Bäcker, Chipshersteller und Kaffeeröster, der sogar Lupinen rösten kann, und auch die Menschen, die an der Front diese lokalen Produkte verkaufen. Dieses lebendige Lebensmittelnetzwerk zu vergrössern ist mein Antrieb. Diese kurzen und persönlichen Wege, um nachhaltig Lebensmittel zu produzieren sind gesund für uns und unsere Umwelt. Mich persönlich erfüllt das mit Dankbarkeit der Natur gegenüber – für das, was sie uns schenkt, vor Ort.»
Mehr Vielfalt – mehr Resilienz
Die Vielfalt von Tieren und Pflanzen, die auf ihrem Bauernhof wohne, unterstütze sich gegenseitig und verhelfe so dem Betrieb zu Resilienz. Nach dem schweren Hagel 2021 habe sich das gezeigt, als alle Ackerkulturen und das Obst zerstört waren. Die Tiere seien in solchen Situationen sehr wertvoll, ebenso das Gras, das regelmässig wachse und die Wiederkäuer ernähre, wovon wiederum Milch und Fleisch gewonnen werde.
Ein weiteres grosses Thema sei der Humusaufbau und wie man dem Boden noch mehr Sorge tragen könne.
Doch, so Hüppi Fankhauser: «Nur ‹Bio› reicht nicht. In diesen 20 Jahren haben wir immer wieder neue Zusammenhänge verstanden.» Es brauche Biodiversität, doch auch die Energiegewinnung sei ein wichtiges Thema. Es habe sich klar gezeigt, dass wir uns alle wieder vernetzen müssten. «Dieser Kreislauf fasziniert mich. All die Menschen und ihre Ideen und das Handwerk, um diese umzusetzen und zu ermöglichen. Der Bäcker, der das urtümliche Handwerk noch beherrscht, der Müller, der das Korn noch so malen kann wie anno dazumal, der eine stillgelegte Mühle wieder belebt, sein Kapital investiert hat – Menschen, die mit ihrem Geld etwas Nachhaltiges bewirken!» Voller Begeisterung zählt sie auf: «All dies schlägt sich in allen meinen Projekten nieder!» Und so ist Karin Hüppi Fankhauser offiziell vielleicht «Bäuerin» oder «Landwirtin». «Aber eigentlich», sinniert sie, «sind wir alle viel mehr.»
Ziele
Die Ernährungsvision 2030 für Wädenswil ist ein grosses Ziel, das Karin Hüppi Fankhausers ganze Energie bekommt. Zu diesem Projekt gehört auch «Zwibol», als gutes Beispiel, das schon existiert:
Zwibol ist eine Biogenossenschaft mit einem Laden, der lokale Produkte, mehrheitlich unverpackt, anbietet. Das Angebot ist nachhaltig und hat seinen Schwerpunkt auf lokalen und regionalen Bio-Lebensmitteln – die ohne Zwischenhandel auskommen und zu fairen Preisen angeboten werden. Es geht auch darum, Foodwaste zu verhindern und Ressourcen bei Verpackungen zu sparen.
Das Bistro mit kreativer Küche ist ein Treffpunkt, ein schöner Ort zum Sein. Es wird auch genutzt für kulturelle Veranstaltungen und Zusammenkünfte zum Thema Ernährung und Gesundheit.
Es ist nicht immer einfach, all diese Anliegen allen Menschen zu vermitteln. Karin Hüppi Fankhauser nimmt Grenzen wahr, die durch die Gewohnheiten und das enge Zeitbudget gesetzt werden. «Ich würde mir wünschen, dass wir uns bewusst Zeit einräumen – jede Woche – um in Wädenswil auf Entdeckungsreise zu gehen, auf neue Einkaufswege, neue Spazierwege, den Wochenmarkt besuchen und die lokalen Geschäfte und Hofläden, um diese lokalen Schätze zu entdecken. In Wädenswil gibt es so viele Ecken und Gelegenheiten, um mitzuhelfen und mitzugestalten, um die Stadt nachhaltiger und lebendiger zu machen. Es macht auch so viel Freude etwas gemeinsam auf die Beine zu stellen. Ich hoffe, dass sich mehr Menschen für diese Themen engagieren und die neuen Kontakte, das Lernen und Erfahren von Neuem als Bereicherung erleben können! Ich erlebe solches gerade auch im «Zwibol»: Das bewusste Einkaufen generiert einen Mehrwert, und die Kunden schätzen, dass sie auch ausserhalb der Öffnungszeiten mit ihren Abos einkaufen können. Manche sagen, dass sie im Monatsbudget schliesslich weniger ausgeben, weil sie jetzt das Notwendige kaufen und nicht in Versuchung geführt werden, mehr zu kaufen als sie brauchen.»
Mit «Zwibol» wurde etwas Wunderbares geschaffen. Es ist zu wünschen, dass auch die anderen Projekte immer weitere Kreise ziehen. Dass die Vernetzung von Forschung, Politik und Praxis für den Bereich Ernährung aufgebaut werden konnte, ist ein weiterer Erfolg.
«Lokal und fair» ist ein schweizweites Projekt. Wädenswil ist eine «lokale und faire» Stadt.
Karin Hüppi Fankhausers Vision ist, dass solche Strukturen bis 2030 Standard sind.