Wädenswil ZHAW LSFM

150 Jahre Chemie an der ZHAW

Was 1875 als Schule für Chemiker in Winterthur begann, ist heute ein wichtiger Teil der Life Sciences am Standort Wädenswil der ZHAW. Wie kam es dazu? Woran wird heute geforscht?

Am 4. Juni 2025 hatte das ZHAW-Institut für Chemie und Biotechnologie zur Jubiläumsveranstaltung «150 Jahre Chemie an der ZHAW» eingeladen. Ein guter Anlass, um auf die Geschichte zurückzublicken (siehe Kasten) und vor allem auch nach vorne zu schauen, mit einem Blick auf die aktuelle Forschung.

Arzneistoffe, Verabreichung, Diagnostik

Ein Schwerpunkt des Instituts liegt auf der Entdeckung und Entwicklung neuer Arzneistoffe bzw. deren Verabreichung. So hat die Fachgruppe Organische Chemie und Medizinalchemie beispielsweise einen Wirkstoff zur Behandlung von Hautleishmaniose mitentwickelt. Bislang gibt es keine wirksame Therapie gegen diese Infektionskrankheit. Der neue Wirkstoff befindet sich in klinischen Studien. Die Fachgruppe Molekularbiologie und Biochemie erforscht unter anderem Bakteriophagen-Proteine als neuartige antimikrobielle ­Wirkstoffe. In der Fachgruppe Pharmazeutische Technolo­gie und Pharmakologie geht es in einem Projekt um sogenannte extrazelluläre Vesikeln. Mit diesen sollen antimikrobielle Wirkstoffe in Zellen geschleust werden, denn bei bakteriellen Infektionen besteht auch das Problem, dass sich Bakterien in Zellen «verstecken».
Ohne eine gute Diagnostik ist keine gute Therapie möglich. Die Fachgruppe Medizinische Mikro- und Molekularbiologie entwickelt Systeme für die Kandidatenauswahl in neuen Schnelltests und Point-of-Care-Applikationen. Spezieller Fokus liegt dabei auf Wurminfektionen. Die Fachgruppe 3D-Gewebe und Biofabrication stellt unter anderem funktionale 3D-Modelle von Gewebe her. Gesundes Gewebe wie Muskeln eignet sich dabei für Tests von Arzneistoffen, wohingegen ­Tumorgewebe für die personalisierte Krebstherapie interessant sind.

Kaffeearoma, Pflanzen­farbstoffe und mehr­

Das Feld der Chemie ist breit. So arbeitet die Fachgruppe Analytical Technologies daran, dem Geheimnis des Kaffeearomas auf die Spur zu kommen, das heisst die Moleküle zu identifizieren, die für das typische Kaffeearoma verantwortlich sind. Die Fachgruppe Industrielle Chemie konnte in einem Projekt zu natürlichen Pflanzenfarbstoffen aus Madagaskar mit lokalen Partnern erfolgreich gefärbte Strickwaren in den Farben Grün, Gelb und Orange herstellen.
In der Fachgruppe Polymerchemie ist «Pore Condensation and Freezing» ein Thema. Diese spezielle Form der Kristallisation kommt auch in Wolken vor, wobei das Wasser in Nanoporen von Teilchen wie Staub kristallisiert.
Die Fachgruppe Umweltbiotechnologie und Bioenergie befasst sich mit Biogas und Bioraffinerien. Biogas soll nicht nur effizienter produziert werden, sondern auch zur Herstellung unterschiedlicher Produkte dienen. Denn Biogas ist viel mehr als nur Energie. Die Fachgruppe Zellkulturtechnik, die auch für Schokolade oder Avocado aus dem Bioreaktor bekannt ist, arbeitet an Single-Use-Technologien und ihre vielfältigen Anwendungen bei der Kultivierung von Zellen und der Herstellung von therapeutischen Proteinen.

Bedarf nach Bildungsstätte für «mittlere» Techniker
Mitte des 19. Jahrhunderts suchte die chemische Industrie, die sich wie andere Industriebereiche rasant in der Schweiz entwickelte, nach Bildungsstätten für «mittlere» Techniker, also für gut ausgebildete Fachkräfte mit Führungspotenzial. So entstanden in der Schweiz diverse Technika. Den Anfang machte das Technikum in Winterthur, wo 1875 auch eine Schule für Chemiker ihren Betrieb aufnahm. Über die Jahre wuchs die Schule, die ersten Frauen schlossen ab, neue Gebäude wurden nötig. Ende des 20. Jahrhunderts folgten dann grosse bildungspolitische Umwälzungen. Das Technikum in Winterthur wurde Teil einer Fachhochschule, die mit angewandter Forschung einen erweiterten Leistungsauftrag bekam. Der Fachbereich Chemie blieb jedoch nicht in Winterthur, sondern wurde in Wädenswil in ein neues Kompetenzzentrum Life Sciences der entstehenden ZHAW integriert. Im Herbst 2006 startete der erste Jahrgang sein Chemiestudium in Wädenswil.

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