Am Samstag, 26. April 2025, prämierte die Fachjury von «Schweizer Jugend forscht» die besten 117 Arbeiten des 59. Nationalen Wettbewerbs. Unter den 130 besten Jungforscherinnen und Jungforschern war auch Jonas Himmelberger aus Wädenswil. Seine Maturaarbeit «Handys und Hirne» – Welchen Einfluss haben digitale Medien auf unser Gedächtnis und Erinnerungsvermögen? Neurobiologische Analyse anhand empirischer Studie – wurde mit «sehr gut» bewertet, eine wohlverdiente Würdigung.
Text: Ingrid Eva Liedtke
Bild: zvg
Der 19-jährige Jonas Himmelberger lebt in einer kulturell interessierten Familie im Meierhof, Wädenswil. Der Vater ist Hausarzt und die Mutter Germanistin, die drei Jahre jüngere Schwester besucht – wie schon Jonas – das Gymnasium Freudenberg. Alle vier sind musikalisch, Jonas spielt Trompete, der Rest der Familie Klavier.
«Ich spiele oft mit meiner Schwester im Duo», erzählt er. «Musik ist mir sehr wichtig und ich übe viel, manchmal mehrere Stunden am Stück. Ich spiele auch im Orchester. Die Musik ist ein guter Ausgleich zum wissenschaftlichen Arbeiten und dient mir als Ventil für Emotionen. Oft sind gute Musikerinnen und Musiker auch gute Naturwissenschaftler.»
Jonas Himmelbergers Familie geht gerne auf Reisen. So hätten sie schon vieles über andere Kulturen lernen können. «Wir gehen auch oft in Museen», führt Jonas Himmelberger weiter aus. «Das hat eine gesunde Neugier und Offenheit in uns gefördert.» Seine Eltern hätten ihn auch bei dieser komplexen Maturaarbeit unterstützt, ihn motiviert und seinen Durchhaltewillen gestärkt. Es ist Jonas Himmelberger ein grosses Anliegen, dass Wissenschaft verstanden wird. Daher war es für ihn wichtig, dass sie in einer allgemein verständlichen Sprache verfasst wird.
Handys und Hirne – was gab den Ausschlag?
«Mein Ziel war es», beginnt Jonas Himmelberger, «zu verstehen, was nach dem Lernen passiert. In der Mittelschule ging es oft darum, wie man gut und effizient lernen kann. Doch was passiert nach dem Lernen, wenn beispielsweise das Handy ‹reinfunkt›? Immer mal wieder greift man heute zum Handy, sei es, um zu entspannen oder um Nachrichten zu checken, so auch nach Lernphasen. Ich fragte mich also, ob es möglich ist, auch nach dem Lernen noch zu beeinflussen, wie gut man sich an zuvor Eingeprägtes erinnern kann. Werden gelernte Inhalte, wie zum Beispiel Fremdsprachen-Wörter, unterschiedlich gut abgespeichert, je nach Beschäftigung nach dem Lernen?»
Lernen funktioniert so
«Das Lernen als Vorgang lässt sich folgendermassen beschreiben: Etwas soeben Gelerntes kommt zuerst ins Arbeitsgedächtnis. Dieses ist vergleichbar mit dem Arbeitsspeicher eines Computers. Dieser ist limitiert! Dort wird das Gelernte unterbewusst repetiert – das merkt man also nicht. Dabei werden die Bahnen im Gehirn verstärkt, was dazu führt, dass die Inhalte länger hängen bleiben. Das heisst, diese Repetition ist der Übergang der Inhalte vom Arbeitsgedächtnis in ein längerfristiges Gedächtnis. Je besser die Repetition vonstatten gehen kann, desto besser und länger bleiben die Inhalte gespeichert. Wenn man die volle Kapazität des ‹Arbeitsspeichers› nutzen kann, dann wird das Lernen effizienter. Wenn ein Teil davon abgelenkt wird, dann hat es logischerweise weniger Platz, um das Gelernte in vollem Umfang zu repetieren. Der Prozess wird nicht aktiv gestört, aber konkurrenziert durch weitere Inhalte. Genau dies konnte ich mit meiner Arbeit nachweisen.»
Zu Interferenzen nach dem Lernen gab es bisher nur sehr wenige wissenschaftliche Untersuchungen oder Publikationen – ein spannendes Forschungsfeld tat sich auf, findet Jonas Himmelberger.
Neurobiologisches Hintergrundwissen
Der Maturand konnte bei seiner Arbeit schon auf ein gewisses Hintergrundwissen zurückgreifen, denn er hatte als Schülerstudent schon zwei Module an der Universität Zürich besuchen dürfen. Dieses Schnuppern im universitären Umfeld wird interessierten und ausgesuchten Mittelschülern von der Uni ermöglicht. Jonas Himmelberger besuchte zuerst einen halben Tag pro Woche eine Vorlesungsreihe zum Thema Neuroinformatik und in einem zweiten Semester ein Modul in Neurobiologie. Er sagt: «Das Gehirn hat mich schon immer sehr interessiert. Es ist eine der komplexesten Strukturen der Natur überhaupt. Diese Vorlesungsreihen haben mich motiviert zu forschen, das bedeutet, neugierig zu sein und wissenschaftliches Neuland zu betreten. Das wissenschaftliche Arbeiten macht mir mega Spass. Es ist eine tolle Mischung von Logik und Kreativität. Es ist ein Ventil für meine Neugier.»
Aufbau der Tests
Wie Jonas Himmelberger erwähnt, braucht es für eine solche wissenschaftliche Arbeit zuerst die richtigen Fragen. In seinem Fall wollte er daraus folgernd eine Studie entwickeln, um repräsentative Daten und Antworten zu erhalten. Bei der Entwicklung der Tests musste er auf seine eigene Kreativität zurückgreifen, bei der statistischen Arbeit hingegen konnte er auf die Hilfe von zwei Mathematikern am Gymnasium zählen.
In der Studie mussten sich 55 Mitschüler und Lehrer seiner Schule jeweils 20 auf Karteikarten abgebildete Wort-Figur-Paare einprägen und diese wurden nach einer gewissen Zeit abgefragt.
«Ich habe mir überlegt, dass ich drei Durchgänge dieses Tests brauche, um den Lernerfolg vergleichen zu können. Der einzige Unterschied bei den drei Tests war die Art der Beschäftigung nach der Lernphase: Beim ersten Test wurde man nicht abgelenkt, beim zweiten Test wurde man nach dem Lernen mit Kurzvideos (wie Youtube) und beim dritten Mal mit einer digitalen Sudoku-App abgelenkt. Jeglicher potenzielle Unterschied zwischen den Testungen ist auf diesen Unterschied (die Phase nach dem Lernen) zurückzuführen. So konnte ich aus dieser sogenannten Interventionsstudie Schlüsse ziehen und beispielsweise formulieren, dass die Gedächtnisleistung durch einen nachträglichen Medienkonsum im Verhältnis zu einer Pause um bis zu 16 % verringert wird!»
Was war der interessanteste Aspekt dieser Studie?
Jonas Himmelberger erinnert sich: «Extrem spannend war, diese Studie selber zu entwickeln. Bevor ich sie durchgeführt habe, habe ich Vortests gemacht, habe mit Experten gesprochen und bin mit Professoren in Kontakt getreten. In den Resultaten konnte man eindeutig sehen, dass das Lernen mit Ablenkung – egal ob abgelenkt mit Filmen oder mit Sudoku – schlechter war als ohne die Ablenkung. Dass die Ablenkung das Lernen beeinträchtigt, war zu erwarten, und ich konnte das bestätigen. Nach dem Lernen sollte man also nicht direkt digitale Medien konsumieren, sonst ist das Lernen ineffizient. Dass aber ein vermeintlich sinnvolles Spiel wie Sudoku das Lernen noch stärker als beim ‹Filmchen schauen› beeinflusst, war doch sehr überraschend.
Nach der Arbeit konnte ich Präsentationen an der Schule machen, die sehr viel Publikum anzogen, weil das Thema so viele interessierte. Darauf folgten die kantonale Ausstellung und der nationale Wettbewerb von ‹Schweizer Jugend forscht›. Alle Jugendforscher durften ihre Arbeiten an einem Stand mit einem Plakat präsentieren, und viele Leute kamen. Ich fand den Kontakt, der mir dadurch ermöglicht wurde, sehr schön und auch die anderen Forschungsarbeiten überaus spannend. Ich konnte sehr viele Leute treffen und einige über meine gefundenen Resultate aufklären.» Positiv sei die Unterstützung gewesen, die er vor allem bei der Durchführung der Tests in den Schulzimmern vom mathematischen Statistiksupport der Schule erhalten habe. Auch betont er die wertvolle Begleitung durch die betreuende Lehrperson, seine Biolehrerin Linn Sgier.
Herausforderungen
Herausforderungen gefallen Jonas Himmelberger. Aber die Verschriftlichung der gefundenen Resultate in eine leichte und spannende Sprache sei eine Herausforderung gewesen. «Die Arbeit sollte zugänglich sein, obwohl sie einen wissenschaftlichen Inhalt hat. Das ist eine Gratwanderung zwischen dieser Zugänglichkeit und wissenschaftlicher Prägnanz», erklärt er.
«Schwierig war es auch, alle Probanden bei der Stange zu halten. Darum war die Durchführung der Studie organisatorisch eine grosse Herausforderung. Ich musste immer schauen, dass alle 55 überhaupt zu den einzelnen Tests kommen. Das habe ich mir einfacher vorgestellt. Und dann die Statistik! Sie war wirklich auch nicht ohne. Aber ich hatte zum Glück Unterstützung, und es hat sich gelohnt, denn ich kann das Gelernte zukünftig immer wieder brauchen.»
Zusammenfassend findet der junge Forscher, dass er durch seine Maturaarbeit viel gelernt hat: Wissenschaftliches Arbeiten und Recherchieren, das Verschriftlichen in eine allgemein verständliche Form, wissenschaftliches Präsentieren, Networking – auch im Vorfeld der Studie – und längerfristiges Durchhalten: Ein halbes Jahr lang sehr viel arbeiten! (zehnmal so viel, wie vorgesehen).
Wie gut lernt Jonas Himmelberger?
Im Laufe dieses Gespräches drängt sich die Frage auf, wie gut Jonas Himmelberger selber lernt. Er sagt dazu: «Das ist schwierig zu beantworten. Ich habe sicher angefangen, meine Studienergebnisse zu berücksichtigen. Das heisst, meinem Gehirn nichts Anspruchsvolles zuzumuten nach dem Lernen. Insofern ist mein Lernen hoffentlich nachhaltiger und effizienter geworden.»
Diese erste wissenschaftliche Arbeit zeigt dem zukünftigen Studenten schon eine Studienrichtung auf. «Ich werde eine naturwissenschaftliche Richtung einschlagen und werde Medizin studieren. Wie meine Arbeit – sie ist primär biologisch ausgelegt aber tangiert dann die Neuropsychologie – hat auch die Medizin viel mit Biologie zu tun, ist aber auch multidisziplinär. Was mich sehr interessiert, ist die Neurochirurgie.»
Bedeutung des Preises
Jonas Himmelberger hat die Teilnahme beim Nationalen Wettbewerb von «Schweizer Jugend forscht» sehr gefallen: «Es war toll, ein Teil dieses Events zu sein; es war möglich, Networking zu betreiben, und das empfand ich als sehr wertvoll. Es war auch toll, dass die Arbeit in einem grossen Umkreis wahrgenommen wurde und dank ‹Schweizer Jugend forscht› sogar der Wädenswiler Anzeiger ein Interwiew mit mir macht.»
Politische und gesellschaftliche Anliegen
Jonas Himmelberger ist ein sehr differenziert denkender junger Mann. Es ist schön und wertvoll, dass junge Menschen wie er, die unsere Zukunft hoffentlich mitgestalten werden, auch gesellschaftliche und politische Anliegen haben. Er will seine so zusammengefasst wissen: «Ich wünsche mir, dass viele Leute ihr Gehirn besser brauchen!» Er macht eine Pause und fährt fort: «Das möchte ich erklären: Für mich bedeutet das, überlegter zu handeln, bewusster und bedachter. Sei es in Bezug auf die Umweltverschmutzung, das Artensterben, die Biodiversität oder auch auf die vielen anderen Probleme, die wir haben. Viele davon beruhen darauf, dass sich Menschen zu wenig überlegen, was ihr Handeln bewirkt. Wenn man sich vieles differenziert überlegt, das heisst verschiedene Blickwinkel einnimmt und andere zu verstehen versucht, kann man die Kompromissfähigkeit fördern. Das differenzierte Denken löst uns von den Extremen und verhindert, dass sich Fronten verhärten. Das ermöglicht sinnvolle logische Schlüsse zu ziehen und für Probleme gute Lösungen zu finden und sie umzusetzen. Use your brain!»
Die Möglichkeit zu denken sollten alle Menschen haben. Dies ermögliche Bildung und das Abdecken der Grundbedürfnisse, so Jonas Himmelberger. Er sagt: «Hat man eine gesicherte Grundlage, kann der Innovationsgeist wachsen. Das ist ein gesamtgesellschaftlicher Gewinn!»
Link zur Studie: https://tinyurl.com/3rr8atse
Am Samstag, 26. April 2025, prämierte die Fachjury von «Schweizer Jugend forscht» die besten 117 Arbeiten des 59. Nationalen Wettbewerbs. Unter den 130 besten Jungforscherinnen und Jungforschern war auch Jonas Himmelberger aus Wädenswil. Seine Maturaarbeit «Handys und Hirne» – Welchen Einfluss haben digitale Medien auf unser Gedächtnis und Erinnerungsvermögen? Neurobiologische Analyse anhand empirischer Studie – wurde mit «sehr gut» bewertet, eine wohlverdiente Würdigung.
Text: Ingrid Eva Liedtke
Bild: zvg
Der 19-jährige Jonas Himmelberger lebt in einer kulturell interessierten Familie im Meierhof, Wädenswil. Der Vater ist Hausarzt und die Mutter Germanistin, die drei Jahre jüngere Schwester besucht – wie schon Jonas – das Gymnasium Freudenberg. Alle vier sind musikalisch, Jonas spielt Trompete, der Rest der Familie Klavier.
«Ich spiele oft mit meiner Schwester im Duo», erzählt er. «Musik ist mir sehr wichtig und ich übe viel, manchmal mehrere Stunden am Stück. Ich spiele auch im Orchester. Die Musik ist ein guter Ausgleich zum wissenschaftlichen Arbeiten und dient mir als Ventil für Emotionen. Oft sind gute Musikerinnen und Musiker auch gute Naturwissenschaftler.»
Jonas Himmelbergers Familie geht gerne auf Reisen. So hätten sie schon vieles über andere Kulturen lernen können. «Wir gehen auch oft in Museen», führt Jonas Himmelberger weiter aus. «Das hat eine gesunde Neugier und Offenheit in uns gefördert.» Seine Eltern hätten ihn auch bei dieser komplexen Maturaarbeit unterstützt, ihn motiviert und seinen Durchhaltewillen gestärkt. Es ist Jonas Himmelberger ein grosses Anliegen, dass Wissenschaft verstanden wird. Daher war es für ihn wichtig, dass sie in einer allgemein verständlichen Sprache verfasst wird.
Handys und Hirne – was gab den Ausschlag?
«Mein Ziel war es», beginnt Jonas Himmelberger, «zu verstehen, was nach dem Lernen passiert. In der Mittelschule ging es oft darum, wie man gut und effizient lernen kann. Doch was passiert nach dem Lernen, wenn beispielsweise das Handy ‹reinfunkt›? Immer mal wieder greift man heute zum Handy, sei es, um zu entspannen oder um Nachrichten zu checken, so auch nach Lernphasen. Ich fragte mich also, ob es möglich ist, auch nach dem Lernen noch zu beeinflussen, wie gut man sich an zuvor Eingeprägtes erinnern kann. Werden gelernte Inhalte, wie zum Beispiel Fremdsprachen-Wörter, unterschiedlich gut abgespeichert, je nach Beschäftigung nach dem Lernen?»
Lernen funktioniert so
«Das Lernen als Vorgang lässt sich folgendermassen beschreiben: Etwas soeben Gelerntes kommt zuerst ins Arbeitsgedächtnis. Dieses ist vergleichbar mit dem Arbeitsspeicher eines Computers. Dieser ist limitiert! Dort wird das Gelernte unterbewusst repetiert – das merkt man also nicht. Dabei werden die Bahnen im Gehirn verstärkt, was dazu führt, dass die Inhalte länger hängen bleiben. Das heisst, diese Repetition ist der Übergang der Inhalte vom Arbeitsgedächtnis in ein längerfristiges Gedächtnis. Je besser die Repetition vonstatten gehen kann, desto besser und länger bleiben die Inhalte gespeichert. Wenn man die volle Kapazität des ‹Arbeitsspeichers› nutzen kann, dann wird das Lernen effizienter. Wenn ein Teil davon abgelenkt wird, dann hat es logischerweise weniger Platz, um das Gelernte in vollem Umfang zu repetieren. Der Prozess wird nicht aktiv gestört, aber konkurrenziert durch weitere Inhalte. Genau dies konnte ich mit meiner Arbeit nachweisen.»
Zu Interferenzen nach dem Lernen gab es bisher nur sehr wenige wissenschaftliche Untersuchungen oder Publikationen – ein spannendes Forschungsfeld tat sich auf, findet Jonas Himmelberger.
Neurobiologisches Hintergrundwissen
Der Maturand konnte bei seiner Arbeit schon auf ein gewisses Hintergrundwissen zurückgreifen, denn er hatte als Schülerstudent schon zwei Module an der Universität Zürich besuchen dürfen. Dieses Schnuppern im universitären Umfeld wird interessierten und ausgesuchten Mittelschülern von der Uni ermöglicht. Jonas Himmelberger besuchte zuerst einen halben Tag pro Woche eine Vorlesungsreihe zum Thema Neuroinformatik und in einem zweiten Semester ein Modul in Neurobiologie. Er sagt: «Das Gehirn hat mich schon immer sehr interessiert. Es ist eine der komplexesten Strukturen der Natur überhaupt. Diese Vorlesungsreihen haben mich motiviert zu forschen, das bedeutet, neugierig zu sein und wissenschaftliches Neuland zu betreten. Das wissenschaftliche Arbeiten macht mir mega Spass. Es ist eine tolle Mischung von Logik und Kreativität. Es ist ein Ventil für meine Neugier.»
Aufbau der Tests
Wie Jonas Himmelberger erwähnt, braucht es für eine solche wissenschaftliche Arbeit zuerst die richtigen Fragen. In seinem Fall wollte er daraus folgernd eine Studie entwickeln, um repräsentative Daten und Antworten zu erhalten. Bei der Entwicklung der Tests musste er auf seine eigene Kreativität zurückgreifen, bei der statistischen Arbeit hingegen konnte er auf die Hilfe von zwei Mathematikern am Gymnasium zählen.
In der Studie mussten sich 55 Mitschüler und Lehrer seiner Schule jeweils 20 auf Karteikarten abgebildete Wort-Figur-Paare einprägen und diese wurden nach einer gewissen Zeit abgefragt.
«Ich habe mir überlegt, dass ich drei Durchgänge dieses Tests brauche, um den Lernerfolg vergleichen zu können. Der einzige Unterschied bei den drei Tests war die Art der Beschäftigung nach der Lernphase: Beim ersten Test wurde man nicht abgelenkt, beim zweiten Test wurde man nach dem Lernen mit Kurzvideos (wie Youtube) und beim dritten Mal mit einer digitalen Sudoku-App abgelenkt. Jeglicher potenzielle Unterschied zwischen den Testungen ist auf diesen Unterschied (die Phase nach dem Lernen) zurückzuführen. So konnte ich aus dieser sogenannten Interventionsstudie Schlüsse ziehen und beispielsweise formulieren, dass die Gedächtnisleistung durch einen nachträglichen Medienkonsum im Verhältnis zu einer Pause um bis zu 16 % verringert wird!»
Was war der interessanteste Aspekt dieser Studie?
Jonas Himmelberger erinnert sich: «Extrem spannend war, diese Studie selber zu entwickeln. Bevor ich sie durchgeführt habe, habe ich Vortests gemacht, habe mit Experten gesprochen und bin mit Professoren in Kontakt getreten. In den Resultaten konnte man eindeutig sehen, dass das Lernen mit Ablenkung – egal ob abgelenkt mit Filmen oder mit Sudoku – schlechter war als ohne die Ablenkung. Dass die Ablenkung das Lernen beeinträchtigt, war zu erwarten, und ich konnte das bestätigen. Nach dem Lernen sollte man also nicht direkt digitale Medien konsumieren, sonst ist das Lernen ineffizient. Dass aber ein vermeintlich sinnvolles Spiel wie Sudoku das Lernen noch stärker als beim ‹Filmchen schauen› beeinflusst, war doch sehr überraschend.
Nach der Arbeit konnte ich Präsentationen an der Schule machen, die sehr viel Publikum anzogen, weil das Thema so viele interessierte. Darauf folgten die kantonale Ausstellung und der nationale Wettbewerb von ‹Schweizer Jugend forscht›. Alle Jugendforscher durften ihre Arbeiten an einem Stand mit einem Plakat präsentieren, und viele Leute kamen. Ich fand den Kontakt, der mir dadurch ermöglicht wurde, sehr schön und auch die anderen Forschungsarbeiten überaus spannend. Ich konnte sehr viele Leute treffen und einige über meine gefundenen Resultate aufklären.» Positiv sei die Unterstützung gewesen, die er vor allem bei der Durchführung der Tests in den Schulzimmern vom mathematischen Statistiksupport der Schule erhalten habe. Auch betont er die wertvolle Begleitung durch die betreuende Lehrperson, seine Biolehrerin Linn Sgier.
Herausforderungen
Herausforderungen gefallen Jonas Himmelberger. Aber die Verschriftlichung der gefundenen Resultate in eine leichte und spannende Sprache sei eine Herausforderung gewesen. «Die Arbeit sollte zugänglich sein, obwohl sie einen wissenschaftlichen Inhalt hat. Das ist eine Gratwanderung zwischen dieser Zugänglichkeit und wissenschaftlicher Prägnanz», erklärt er.
«Schwierig war es auch, alle Probanden bei der Stange zu halten. Darum war die Durchführung der Studie organisatorisch eine grosse Herausforderung. Ich musste immer schauen, dass alle 55 überhaupt zu den einzelnen Tests kommen. Das habe ich mir einfacher vorgestellt. Und dann die Statistik! Sie war wirklich auch nicht ohne. Aber ich hatte zum Glück Unterstützung, und es hat sich gelohnt, denn ich kann das Gelernte zukünftig immer wieder brauchen.»
Zusammenfassend findet der junge Forscher, dass er durch seine Maturaarbeit viel gelernt hat: Wissenschaftliches Arbeiten und Recherchieren, das Verschriftlichen in eine allgemein verständliche Form, wissenschaftliches Präsentieren, Networking – auch im Vorfeld der Studie – und längerfristiges Durchhalten: Ein halbes Jahr lang sehr viel arbeiten! (zehnmal so viel, wie vorgesehen).
Wie gut lernt Jonas Himmelberger?
Im Laufe dieses Gespräches drängt sich die Frage auf, wie gut Jonas Himmelberger selber lernt. Er sagt dazu: «Das ist schwierig zu beantworten. Ich habe sicher angefangen, meine Studienergebnisse zu berücksichtigen. Das heisst, meinem Gehirn nichts Anspruchsvolles zuzumuten nach dem Lernen. Insofern ist mein Lernen hoffentlich nachhaltiger und effizienter geworden.»
Diese erste wissenschaftliche Arbeit zeigt dem zukünftigen Studenten schon eine Studienrichtung auf. «Ich werde eine naturwissenschaftliche Richtung einschlagen und werde Medizin studieren. Wie meine Arbeit – sie ist primär biologisch ausgelegt aber tangiert dann die Neuropsychologie – hat auch die Medizin viel mit Biologie zu tun, ist aber auch multidisziplinär. Was mich sehr interessiert, ist die Neurochirurgie.»
Bedeutung des Preises
Jonas Himmelberger hat die Teilnahme beim Nationalen Wettbewerb von «Schweizer Jugend forscht» sehr gefallen: «Es war toll, ein Teil dieses Events zu sein; es war möglich, Networking zu betreiben, und das empfand ich als sehr wertvoll. Es war auch toll, dass die Arbeit in einem grossen Umkreis wahrgenommen wurde und dank ‹Schweizer Jugend forscht› sogar der Wädenswiler Anzeiger ein Interwiew mit mir macht.»
Politische und gesellschaftliche Anliegen
Jonas Himmelberger ist ein sehr differenziert denkender junger Mann. Es ist schön und wertvoll, dass junge Menschen wie er, die unsere Zukunft hoffentlich mitgestalten werden, auch gesellschaftliche und politische Anliegen haben. Er will seine so zusammengefasst wissen: «Ich wünsche mir, dass viele Leute ihr Gehirn besser brauchen!» Er macht eine Pause und fährt fort: «Das möchte ich erklären: Für mich bedeutet das, überlegter zu handeln, bewusster und bedachter. Sei es in Bezug auf die Umweltverschmutzung, das Artensterben, die Biodiversität oder auch auf die vielen anderen Probleme, die wir haben. Viele davon beruhen darauf, dass sich Menschen zu wenig überlegen, was ihr Handeln bewirkt. Wenn man sich vieles differenziert überlegt, das heisst verschiedene Blickwinkel einnimmt und andere zu verstehen versucht, kann man die Kompromissfähigkeit fördern. Das differenzierte Denken löst uns von den Extremen und verhindert, dass sich Fronten verhärten. Das ermöglicht sinnvolle logische Schlüsse zu ziehen und für Probleme gute Lösungen zu finden und sie umzusetzen. Use your brain!»
Die Möglichkeit zu denken sollten alle Menschen haben. Dies ermögliche Bildung und das Abdecken der Grundbedürfnisse, so Jonas Himmelberger. Er sagt: «Hat man eine gesicherte Grundlage, kann der Innovationsgeist wachsen. Das ist ein gesamtgesellschaftlicher Gewinn!»
Link zur Studie: https://tinyurl.com/3rr8atse