Richterswil

Der Etzel – für viele und vieles

Der Etzel ist nicht nur Hausberg für Richterswil und umliegende Gemeinden, er ist auch Weideland, Wasser-, Holz- und Sandsteinspender, Ausflugsziel, Wetterkompass für den Tag, Heimat sowie Schauplatz kriegerischer Auseinandersetzungen in der Vergangenheit. Eine kleine Hommage an einen Zeitzeugen.

Text & Bilder: Reni Bircher

Zwar liegt der 1098 Meter ü. M. hohe Berg im Kanton Schwyz, ist jedoch von fast überall auf Richterswiler Boden zu sehen und wird neben dem «Gottschäli» und Rossberg gerne als «Hausberg» bezeichnet. Eingebettet zwischen Zürich- und Sihlsee bietet er allen, welche seinen Gipfel erklimmen, einen herrlichen Rundumblick auf die beiden Seen und die Alpen.
Entstanden ist der Etzel durch die Faltenbildung der Alpen vor 2,5 Millionen Jahren und besteht ausschliesslich aus Molasse *. Jüngeren Erkenntnissen zufolge leitet sich sein Name aus einer Verniedlichung des mittelhochdeutschen Wortes «etze» ab, was so viel bedeutet wie Weideplatz.
Oberhalb der Kapelle St. Meinrad und gleichnamiger Gastwirtschaft am Etzelpass befindet sich zur Sihlsee-Seite hin gewandt im Wald ein Steinbruch. Aus dem daraus gewonnenen Sandstein wurde das Kloster Einsiedeln gebaut und diente auch nach dem Klosterbrand (1029) als Baumaterial für den Wiederaufbau, ebenso für jüngere Fassadenrenovationen.
Wanderparadies

Der Etzelpass bildet zusammen mit der Teufelsbrücke in Egg von Einsiedeln her einen Teil des Jakobsweges. Gleich neben der steinernen Brücke, deren Material ebenfalls aus demselben Steinbruch wie das Kloster stammt, wurde 1493 Theophrastus Bombast von Hohenheim geboren. Besser bekannt ist der Arzt, Naturphilosoph, Alchemist und Sozialethiker unter dem Namen Paracelsus.

Um und auf den Etzel führt ein ganzes Netz aus Wanderwegen, welche nicht immer als solche gekennzeichnet sind. Erholungssuchende haben eine grosse Auswahl von unterschiedlichen gepflasterten (auch autofreien) und naturbelassenen Wegen, geschützt im Wald oder mit Blick auf einen der beiden Seen.

Am Fuss des Etzels gelegen befindet sich das Restaurant zum Paradies Bühl, am Etzelpass das bereits erwähnte St. Meinrad, und auf der Etzel Kulm wird seit 1901 ebenfalls ein Gasthaus betrieben.
Letzteres wurde 1962 dank der Gründung der Genossenschaft Hoch-Etzel und grosszügigen Sponsorengeldern vor Investoren-Geklüngel bewahrt. 1965 durfte ein neues Berggasthaus eingeweiht werden, welches in weiser Voraussicht über eine eigene Quellwasserversorgung und eine Klärgrube verfügte.
Noch heute ist die Genossenschaft Hoch Etzel als Eigentümerin für den Betrieb und Unterhalt der autarken Gastwirtschaft verantwortlich. Die zehn Verwaltungsmitglieder unter der Leitung ihres Präsidenten Marcel Föllmi leisten sämtliche Freiwilligenarbeit, um die Infrastruktur und die Gebäude instand zu halten, damit die Pächterinnen eine erstklassige Gastronomie betreiben können.

Feinstes Etzelquellwasser

Im Ragenau, einem Waldgebiet oberhalb Feusisberg, befinden sich zwei Quellen, die zusammengefasst und ins 18m3 fassende Reservoir geleitet werden. Zwei Pumpen fördern das Wasser über eine Druckleitung ins Bergrestaurant und überwinden so knapp 100 Höhenmeter. Dort wird das Quellwasser über eine UV-Anlage geführt und in einem 40 m3 fassenden Reservoir für den Gebrauch gespeichert. Der Quellwasserzulauf, Wassermenge- und -temperatur wird monatlich von einem Vorstandsmitglied der Genossenschaft gemessen und die Pumpanlage überprüft. Alle zwei Jahre ist die totale Reinigung der Brunnen nötig. Die Kontrolle der Wasserqualität erfolgt jährlich durch den Lebensmittelkontrolleur im Labor.

Erstaunlich für die damalige Zeit ist die 1966 erbaute Kleinkläranlage unterhalb des Gasthauses St. Meinrad. Beide Restaurationsbetriebe fördern ihr Abwasser dorthin, mittlerweile sind mehrere Liegenschaften daran angeschlossen. 1996 wurde die Kläranlage modernisiert und ein Bio-Spiral-Wickel-Tauchtropfkörper eingesetzt. Die regelmässige Wartung der Anlage übernimmt ein ansässiger Landwirt, die Überwachung obliegt auch hier Vorstandsmitglied Hans Streiff.
Wird man sich dem Luxus durch den ganzen Aufwand bewusst, der für fliessendes Wasser auf dem Berg betrieben wird, drückt man die WC-Spülung vielleicht mit etwas mehr Ehrfurcht.

Militärische Bedeutung

Der Etzel hat in der Vergangenheit allerdings nicht nur dem Freizeitvergnügen oder wirtschaftlichem Interesse gegolten. Während des Konfliktes zwischen den Habsburgern und den Eidgenossen 1386/88 zogen Schwyzer Truppen über den Etzelpass und eroberten Teile der March.

Zu Beginn des Alten Zürichkrieges (1440–1450), einem Erbschaftsstreit, verhängte die Reichsstadt Zürich eine Getreidesperre gegen Schwyz und Glarus, die allen Vermittlungsversuchen zum Trotz nicht aufgehoben wurde. 1439 kam es am Etzel zu Gefechten zwischen Schwyzer und Zürchern.

Im Zweiten Koalitionskrieg in den Jahren um 1800 wurde der Etzelpass Schauplatz von kämpferischen Auseinandersetzungen mit austro-russischen Truppen, welche der Alten Eidgenossenschaft im Kampf gegen die Invasion der Franzosen beistanden. Als kaiserlich-königlicher Feldmarschallleutnant nahm der Richterswiler Johann Konrad Hotz (später Freiherr Johann Konrad Friedrich von Hotze genannt) – Bruder des international bekannten Richterswiler Arztes Johannes Hotze – eine wichtige Stellung in diesem Befreiungskrieg ein.
Dann, während des 2. Weltkrieges, entstand die Sperrstelle Etzel, welche dem Festungssystem Réduit angehörte, einem System aus militärischen Verteidigungsanlagen in den Schweizer Alpen gegen das Deutsche Reich. Sie umfasst verschiedene Bunker und Panzersperren sowie einen Artilleriebeobachterstand auf dem Kulm, welche heute teilweise als Festungsmuseen zu besichtigen sind. Auf den Wiesen zwischen den im Volksmund auch als «Toblerone» bezeichneten Panzersperren wühlen heute die Maulwürfe, grasen Kühe und Rotwild.
Hoffen wir, dass das so bleibt. (n)

* Der Begriff Molasse wird weltweit für Sedimente verwendet, die sich überwiegend im Vorland des sich im Zuge seiner Gebirgsbildung (Orogenese) hebenden Gebirges (Orogen) ablagern und aus dem Erosionsmaterial des sich hebenden Gebirgskörpers herstammen. (Quelle: Wikipedia)

www.schwyzer-festungswerke.ch
www.bexi.ch (privat, keine Originaleinrichtung)
www.unterwegs.sob.ch > rundwanderung etzelpass

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