Richterswil Veranstaltungen

Musikgenuss aus über 120 Kehlen

Vier Chöre bringen mit Unterstützung von drei Solisten und den Zürcher Symphonikern Werke aus der Französischen Romantik unter anderem in die reformierte Kirche Richterswil.

Text/Interview: Reni Bircher
Bilder: zvg

Die drei Dorfchöre – Konzertchor Richterswil, Belcantochor Männedorf-Uetikon und der Swissair Voices Kloten – haben sich mit dem Opernchor Cantalopera zusammengetan und drei der bekanntesten Werke aus der Zeit der Französischen Romantik einstudiert. Unterstützt werden sie von den Solisten Zsuzsa Alföldi (Sopran), Eelke van Koot (Tenor), Fabrice Raviola (Bass) und dem 37-köpfigen Ensemble der Zürcher Symphoniker, mit deren Zusammenarbeit es sich schon in der Vergangenheit bewährte.
Am letzten Januar- und am ersten Februarwochenende präsentieren sie die Walzerszene aus «Faust», die L’Arlésienne-Suite Nr. 1 sowie die Cäcilienmesse im Wirkungskreis der Laienchöre.

Ein Jahrhundert der Kreativen

Die Zeit der Romantik wird zeitlich etwa zwischen 1830 bis 1900 angesiedelt. Sie hat in der Musik, Literatur und Bildenden Kunst einige Genies hervorgebracht. Im Bereich der Wortgewandten fallen Namen wie Chateaubriand, Hugo, die Shelleys, Byron, Heine, Keats, Hoffmann, Poe; bei den Malenden Géricault, Delacroix, Friedrich, Palmer, Turner nebst vielen anderen Frauen und Männern, welche sich der Natur, der Gefühlswelt und dem Sensitiven verschrieben hatten. Musiker und Komponisten hatten eine absolute Hochzeit, deren Werke noch heute grossen Anklang finden: Beethoven, Paganini, Schubert, Berlioz, Chopin, Dvorˇák, Wagner, Maler, Puccini, Sibelius, Strauss, um nur ein paar wenige zu nennen.
Die Auswahl der Musikstücke fiel auf genau diese Zeitspanne und die Komponisten Charles Gounod und Georges Bizet, als sich Claudio Danuser – Dirigent bei allen vier Chören sowie Gastdirigent bei den Zürcher Symphonikern – damit beschäftigte, wie den teils noch immer durch Corona gebeutelten Chören ein Konzertabend gelingen kann. Das Zauberwort war Zusammenarbeit.

Der Richterswiler Anzeiger sprach mit dem Opernsänger, Dirigenten und Musikwissenschaftler über das neuste Projekt – und über anderes.

Herr Danuser, warum haben Sie ein solch ambitioniertes Projekt in Angriff genommen?
Überspitzt gesagt ist es eine Überlebensstrategie. Das Problem der Chöre ist der mangelnde Zulauf an neuen Mitgliedern, die zunehmende Überalterung und dass die Pandemie nicht unschuldig ist am Mitgliederschwund.
Dass wir ein so grosses Konzert gemeinsam in Angriff nehmen, gibt allen Mitwirkenden ein Gefühl von aktiv sein, und es klingt ganz einfach toll in einer grossen Gemeinschaft zu singen.

Wie kam die Auswahl der Austragungsorte für die Konzerte zustande?
Wir singen in den Heimatorten der Chöre. Bedauerlicherweise hat sich die vierte Möglichkeit in Zürich zerschlagen.
Allerdings muss man bedenken, dass es die Chöre sind, die den finanziellen Aufwand tragen müssen, mit einem so grossen Ensemble aufzutreten. Wenn sich ein Sponsor anerbieten würde, ein Zürcher Konzert zu finanzieren *schmunzelt*, würden wir schon noch einen Auftritt drauflegen.

Wie viele Proben sind nötig für einen solchen Konzertabend?
Die Einstudierung findet in jedem Chor individuell statt. Dann erfolgten drei Gesamtproben mit allen Chören, und am Tag vor dem ersten Auftritt die Generalprobe mit dem Orchester zusammen. Bis dahin muss alles «sitzen», denn die Generalprobe dient ausschliesslich der Koordination mit den Musikern.

Nach welchen Kriterien haben Sie die ­Musikstücke zusammengestellt?
Ich hatte die Überalterung ja schon angesprochen. Eine Stimme lässt von Natur aus mit dem Alter nach, was Auswirkung auf das Volumen hat. Hohe und auch sehr tiefe Töne fallen daher schwerer. Damit fiel die Wahl der Musikstücke, die nicht sehr komplex komponiert sind, dafür mehr von den Harmoniewechseln und Klangfarben im Orchester leben.
Dann wollte ich der Cäcilienmesse nicht einfach zwei Werke ohne Zusammenhang beifügen und entschied mich daher für ein sehr effektvolles Stück aus der Faust-Oper, ebenfalls von Gounod. Damit umrahmen zwei Stücke von Charles Gounod das populäre Orchesterstück von Bizet.

Laut Ihrem Lebenslauf waren Sie nicht immer Dirigent …
Ich habe das Studium in Sologesang, Musikwissenschaft sowie im Dirigieren gemacht. Gegen Ende des Studiums musste ich mich entscheiden, welche Richtung ich weiterverfolgen will, denn alles weiterzuverfolgen war nicht möglich, wenn man es auf hohem Niveau ausüben möchte.
Primär interessierte ich mich für Oper und ging deshalb für zwei Jahre nach Italien, wo ich Italienisch und Belcanto studierte und auch als Opernsänger debütierte.
Daraufhin bot sich mir die Gelegenheit, für mein Opernstudium ein Engagement am Opernhaus Zürich anzunehmen. Schliesslich blieb ich in Zürich und habe viele Jahre als Sänger gearbeitet. 1999 trat ich als Opernsänger erstmals in Richterswil auf, zusammen mit Zsuzsa Alföldi.
Der damalige Chorpräsident Werner Meier «bearbeitete» mich ziemlich, Sängerverein und Frauenchor zu leiten. Das wäre mir allerdings zuviel gewesen, deshalb versuchte ich – erfolgreich – Zsuzsa die Leitung des Frauenchors zu übergeben. Mit diesem Arrangement ergab es sich, dass wir Chorleiter wurden, und bei gemeinsamen Konzerten übernehme ich das Dirigieren und Zszuzsa singt dafür mit.
Das hat sich in all den Jahren wunderbar bewährt. Zusammen treten die beiden Richterswiler Chöre als Konzertchor auf.

Was reizt Sie denn an der ­Chorleitung?
Sicher muss man viel Geduld aufbringen bei einem Laienchor, denn es gilt einen Mittelweg zu finden zwischen dem ernsthaften Angehen eines Stückes und der Akzeptanz, dass man in der Regel nicht mit stimmlich ausgebildeten Sängerinnen und Sängern arbeitet. Wer das nicht kann, der darf nicht mit Laien arbeiten.
Ich lasse auch gern Gastsänger zu, wenn ich weiss, dass sie die Anforderungen erfüllen. Aktuell machen zwei Gesangsschülerinnen aus dem Rämibühl mit, die ich unterrichtet habe.

Singen Sie selbst gar nicht mehr vor ­Publikum?
Wenn jemand die 45 überschritten hat und sich nicht in den obersten Reihen der Gesangsprofis etabliert hat oder will, dann bricht eine Zeit des Umbruchs an. Ich hatte immer meine Seilschaften, die mich regelmässig engagierten und ich habe bis 2017 auch Engagements angenommen.
Dann gewann ich ein Stipendium für einen längeren Studienaufenthalt in Indien, und in meinem offenen Wohnhaus gab es kein Klavier und das Opernsingen hätte die ganze Nachbarschaft verrückt gemacht. Also habe ich ein halbes Jahr gar nicht mehr gesungen. Dass ich danach kein Engagement hatte, passte mir sehr gut und ich übernahm die Orchesterleitung am Gymnasium Rämibühl Zürich und unterrichtete auch Musikgeschichte. Zusätzlich übernahm ich beim Männedorfer Chor und dem Uetiker Chor die Leitung, die ich beide zum Belcantochor Männedorf-Uetikon fusionierte.

Dann bleibt es jetzt beim Singen unter der Dusche?
Nicht mal das *schmunzelt*. Ich muss ja manchmal dem Chor vorsingen, das reicht vollkommen.
Ich habe an zahlreichen wunderbaren Projekten mitgewirkt und es gibt noch so viel anderes, das mich interessiert. Deshalb ist das einfach okay so, wie es ist.

Was würden Sie als ­Höhepunkt ­Ihrer Gesangskarriere ­bezeichnen?
Ich denke, dass ich auf zwei Karrieren zurückblicken darf und eine jede hat ihre Vorzüge und Höhepunkte. Die Engagements als Opernsänger funktionierten absolut professionell. Beispielsweise am Opernhaus Zürich eine moderne Oper von György Ligeti, in der auch das Ballett von Heinz Spoerli mitwirkte, das war einfach top. Auch der Auftritt am Barbican Center London war toll.
Eine eigene «Schiene» fand ich mit meinem Schweizer Liederabend, für den ich eine Auswahl Schweizer Lieder zusammenstellte, gesungen in allen vier Landessprachen. Ich trat zusammen mit einem Pianisten in Deutschland auf, und dank dem damaligen Botschafter Thomas Borer wurde die Information über den Liederabend an alle Botschaften geschickt. Damit traten wir in Südafrika, Hawaï, Rom, der Mongolei, Japan und anderen Ländern auf. Manchmal habe ich mit den dort heimischen Musikern gespielt. Daraus ergaben sich besondere und interessante Begegnungen.
Als ich mit dem Engadiner Alphornensemble im Schweizer Pavillon bei der Weltausstellung 2010 in Shanghai auftrat, haben wir auf dem Rückflug sogar im Flieger gesungen und gespielt: «Lueget vo Berg und Tal» auf 10 000 Metern ü. M.
2003 sang ich in der Wüste Gobi eine Verdi-Arie a cappella (ohne Begleitung) zwischen den Jurten, im Hintergrund der Sonnenuntergang – völlig surreal. Das mongolische Fernsehen hat meinen gesamten Auftritt aufgezeichnet.
Das sind unvergessliche Konzerte in der «Pampa», aber vom Erlebnischarakter her einmalig.

Und wie sieht es bei der Arbeit als Dirigent aus?
Letztlich darf ich sagen, dass die Arbeit mit einem Laienchor manchmal befriedigender ist als die Auftritte im hochprofessionellen Bereich. Dort ist es selbstverständlich, dass die Leistung gut oder sehr gut war, und es ist immer Business. Mit dem Chor etwas erarbeiten, die Lockerheit, die Freude der Mitglieder beim Erreichen eines Zieles, nach der Probe gemeinsam etwas trinken gehen … das ist schön. Eine solche Euphorie habe ich im professionellen Bereich selten erlebt.

Dann sind nun alle bereit für den aktuellen, grossen Event?
Ich denke, die Sängerinnen und Sänger sind weitgehend vorbereitet *wirkt zufrieden*.
Es dürfte eine sehr eindrückliche Aufführung werden mit dem grossen Chor und dem Orchester, und die vorgetragenen Werke sind wirklich sehr schön.

Dann darf sich das Publikum wohl auf einen kurzweiligen Abend freuen.
Vielen Dank, Herr Danuser, für den Einblick in Ihr Schaffen.

Konzerte «Französische Romantik»
Samstag, 25. Januar, 20.00 Uhr,
Ref. Kirche Kloten
Tickets: www.srvoices.ch,
Tel. 076 747 47 29
(Di, 14.00–16.00 Uhr &
Do, 19.00–21.00 Uhr)

Sonntag, 26. Januar, 17.00 Uhr, ­Gemeindesaal Männedorf
Tickets: www.belcantochor.ch,
Tel. 076 747 47 29
(Di, 14.00–16.00 Uhr &
Do, 19.00–21.00 Uhr)

Samstag, 1. Februar, 20.00 Uhr,
Ref. Kirche ­Richterswil
www.eventfrog.ch (Französische Romantik) oder bei Blickwinkel Optik, Poststrasse 13, Richterswil

Eintrittspreise Fr. 45.– (1. Kategorie), Fr. 30.– (2. Kategorie)

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