Der 9. Februar ist ein bedeutsamer Abstimmungssonntag für Wädenswil. Nebst der Vorlage zur Verselbstständigung des Alterszentrums Frohmatt (siehe separater Artikel) befinden die Stimmberechtigten auch über den Energieverbund Wädenswil – ein Generationenprojekt, das die Stadt Wädenswil gemeinsam mit Energie 360°, also einer externen Partnerin, stemmen will.
Text & Interview: Stefan Baumgartner
Bilder / Grafiken: zvg
Erneuerbar heizen mit Energie aus dem Zürichsee – das verspricht der Energieverbund, den die Stadt Wädenswil zusammen mit Energie 360° plant. Wie aber kommt die Energie aus dem See zustande? Das Prinzip der Seewassernutzung für den Energieverbund Wädenswil hört sich simpel an: In 20 bis 40 Metern Tiefe wird Wasser mit 4 bis 10 °C gefasst und in die Energiezentrale gepumpt. Dort gibt das Seewasser über Wärmetauscher Wärmeenergie ab.
Das abgekühlte Seewasser wird nach der Wärmeabgabe sauber wieder zurück in den See geleitet. Die aus dem Seewasser gewonnene Wärmeenergie wird mittels Wärmepumpen auf das erforderliche Temperaturniveau gebracht. In einem geschlossenen Kreislauf zirkuliert das heisse Wasser dann im Fernwärmenetz. Über den Hausanschluss erhalten die an das Fernwärmenetz angeschlossenen Gebäude erneuerbare Wärme zum Heizen und für Warmwasser.
Wie das Projekt ablaufen soll, was es für Wädenswil bedeuten wird und was die Bevölkerung – bei Annahme der Vorlage – erwarten kann, erklären die Mitglieder des Steuerungsausschusses des geplanten Energieverbunds: Jonas Erni, Stadtrat Werke; Christof Wolfer, Stadtrat Finanzen; Dr. Romeo Deplazes, Energie 360° AG, GL/Bereichsleiter Lösungen/Stv. CEO; Andrea Zinsli, Energie 360° AG, GL/Bereichsleiter Netz.
Was hat den Ausschlag gegeben für die Planung eines Energieverbunds mit der Nutzung von Seewasserwärme aus dem Zürichsee?
Jonas Erni: Es waren im Wesentlichen zwei Gründe. Erstens: Mit dem in Kraft getretenen kantonalen Energiegesetz, wo künftig fossil betriebene Heizungen faktisch nicht mehr erlaubt sind, wollte die Stadt den Wädenswilerinnen und Wädenswilern eine alternative Heizlösung auf Basis erneuerbarer Energien bieten. Zweitens: Der im Jahr 2021 genehmigte kommunale Energieplan identifizierte einen grossen Teil des Stadtgebiets von Wädenswil und der Au als geeignet für die See-Energienutzung. Die anschliessend durch die Stadt beauftragten Machbarkeitsstudien zeigten deutlich, dass die Realisierung von Energieverbunden basierend auf der Nutzung des Zürichsees als Energiequelle ökologisch wie auch wirtschaftlich sinnvoll sind.
Die Stadt Wädenswil realisiert dieses Projekt mit einem Partner und gründet dazu eine eigenständige Gesellschaft. Weshalb setzt die Stadt das Projekt nicht alleine um? Kann diese Gesellschaft gewinnbringend operieren – und an wen gehen die Erträge?
Christof Wolfer: Der Stadtrat hat für dieses Projekt zwei klare Vorgaben gemacht. Erstens sollten die hohen Investitionskosten nicht allein durch die Stadt finanziert werden und zweitens wollten wir einen auf diesem Gebiet erfahrenen Partner an unserer Seite. Mit der zur Abstimmung stehenden Lösung sind beide Vorgaben erfüllt. Wäre ein gewinnbringender Betrieb nicht möglich, würde sich kein externer Partner am Projekt beteiligen. Der städtische Anteil von zukünftigen Gewinnen käme den Steuerzahlenden von Wädenswil zugute, wie dies heute schon bei den Überschüssen aus der Gasversorgung der Fall ist.
Zur Funktionsweise: Sie entnehmen dem Zürichsee Wasser und heizen dieses auf. Ist das – vereinfacht gesagt – wie bei einem Tauchsieder? Oder wie genau funktioniert das?
Romeo Deplazes: Wir nutzen den See als Wärmequelle für den Betrieb von grossen Wärmepumpen. Dem Seewasser wird die Wärme über einen Wärmetauscher entnommen. Das Seewasser fliesst dann gleich wieder zurück in den See, einfach einige Grad kühler. Das Seewasser kommt so nie in Kontakt mit anderen Substanzen. Die Wärmepumpen nutzen diese Wärme aus dem See, um das Wasser aufzuheizen, das dann in einem geschlossenen Kreislauf zu den angeschlossenen Liegenschaften für die Beheizung und für die Warmwasseraufbereitung geleitet wird.
Wieso braucht man den Zürichsee dazu? Wieviel Seewasser wird in welchem Zeitraum entnommen? Hat das Auswirkungen auf Leben im und am See?
Romeo Deplazes: Der Zürichsee ist ein riesiger und lokal verfügbarer Energiespeicher. Es ist ökologisch und wirtschaftlich sinnvoll, diese Energie für die Beheizung von dicht besiedelten Gebieten am See zu nutzen, was nur gemeinsam mit vielen Anschlusskunden möglich ist. Die Temperaturveränderung im See ist sehr klein, viel kleiner als die natürlichen Temperaturschwankungen im See. Daher sind keine negativen Auswirkungen auf Tiere und Pflanzen zu erwarten. Die leichte Abkühlung des Seewassers ist sogar positiv, da sie der Seeerwärmung als Folge des Klimawandels entgegenwirkt.
Das Energieverbund-Projekt ist von der Funktionsweise her also dasselbe, wie eine Wärmepumpenlösung, die mit Umweltwärme und Strom funktioniert. Was spricht trotzdem für den Anschluss an den Energieverbund und nicht für die Einzellösung?
Romeo Deplazes: Ja, es ist der Betrieb von grossen Wärmepumpen, die den See als Wärmequelle nutzen. Diese Wärmequelle, die für individuelle Einzellösungen nicht nutzbar ist, bietet wie vorhin erwähnt insbesondere in dicht besiedelten Gebieten ökologische und wirtschaftliche Vorteile. Solche Anlagen sind im Vergleich zu kleineren Wärmepumpen effizienter und benötigen somit weniger Strom. Weiter bietet der Anschluss an den Energieverbund eine einfache Lösung, im Vergleich zu einer individuellen Lösung, die oft schwierig zu realisieren ist. Und nicht zuletzt ist es eine Rundum-Sorglos-Lösung für die Liegenschaftsbesitzer, die obendrein sehr wenig Platz beansprucht.
Das Projekt wird als nachhaltig beschrieben, braucht zur Warmwassererzeugung aber auch Strom. Hat die Stadt oder der Kunde Einfluss, woher der Strom stammt?
Jonas Erni: Im Konzessionsvertrag zwischen der Stadt mit der zu gründenden Energieverbund Wädenswil AG wird festgehalten, dass mindestens 90% der gesamten Energielieferung auf erneuerbaren Energien basieren muss. Dies schliesst die Strombeschaffung mit ein, wobei der städtische Strom bereits heute zu 100% aus erneuerbaren Quellen stammt.
Können grundsätzlich alle beheizten Liegenschaften an den Energieverbund angeschlossen werden, die im geplanten Versorgungsgebiet liegen?
Jonas Erni: Ja, grundsätzlich ist für alle Gebäude ein Anschluss möglich. Liegenschaften mit tiefen Energiebezugsmengen oder sehr langen Hausanschluss-Leitungen sind dagegen meistens nicht wirtschaftlich. In solchen Fällen, wie beispielsweise in Einfamilienhaus-Quartieren oder wenig dicht bebauten Gebieten, sind entweder Gemeinschaftsanschlüsse mit benachbarten Immobilien oder andere erneuerbare Wärmelösungen unter Umständen sinnvoller. Unabhängig davon können alle Kundinnen und Kunden, die sich frühzeitig für einen Anschluss an den Energieverbund entscheiden, von stark reduzierten Anschlussbeiträgen profitieren. Denn mit frühzeitig unterzeichneten Wärmlieferverträgen kann gewährleistet werden, dass der Energieverbund richtig dimensioniert wird und dass die Fernwärmeleitungen dort gebaut werden, wo Anschlussinteressenten und Wärmebedarf vorhanden sind.
Erste Wärmelieferungen sind ab 2026 vorgesehen. Was machen EigentümerInnen, die ihr Gebäude an den Energieverbund anschliessen wollen, denen die alte Heizung aber aussteigt, bevor ein Anschluss möglich ist?
Andrea Zinsli: In diesem Fall können Eigentümerinnen und Eigentümer bereits jetzt einen Wärmeliefervertrag abschliessen. Fällt die Heizung aus, bevor der Anschluss möglich ist, bietet der Energieverbund eine passende Übergangslösung und betreibt diese bis zum Anschluss an den Energieverbund.
Die Invasion der Quagga-Muscheln bedroht seit neustem auch Infrastrukturen im Zürichsee, möglicherweise also auch das Energieverbund-Projekt. Wie ist man darauf vorbereitet?
Andrea Zinsli: Natürlich sind wir uns der Herausforderung durch die Quagga-Muscheln bewusst und berücksichtigen dies bei der Planung der Seewasserfassung. Hierbei profitieren wir von unserem grossen Erfahrungsschatz sowie denjenigen unserer Partner. Dank geeigneten Vorrichtungen für eine regelmässige und gezielte Reinigung der Seewasserfassungs-Anlagen kann das Ausfallrisiko durch einen Befall von Quagga-Muscheln minimiert und die von der Kundschaft erwartete Versorgungssicherheit gewährleistet werden.
Die Wädenswiler Stimmbevölkerung wird am 9. Februar 2025 für den «Energieverbund Wädenswil» u.a. um die Freigabe eines Rahmenkredits von 45 Mio. Franken ersucht. Nebst diesem Generationenprojekt stehen noch weitere teure Investitionen an. Zudem weist die Stadt Wädenswil ein strukturelles Defizit aus. Wie passt das zusammen?
Christof Wolfer: Wir müssen klar unterscheiden zwischen Ausgaben und sich selbstfinanzierenden Investitionen. Bei sich selbstfinanzierenden Investitionen wird Verzinsung und Rückzahlung aus den Erträgen des Betriebs heraus finanziert und der Steuerhaushalt wird nicht tangiert. Im Fall des Energieverbunds ist es eine langfristige, aber gewinnbringende Investition. Die Steuerzahlenden von Wädenswil werden daher langfristig sogar profitieren.
Verschiedene Wärmeverbund-Projekte rund um den Zürichsee, die ebenfalls den See als Energiequelle nutzen wollten, sind schwierig umzusetzen oder sind gar sistiert worden. Was unterscheidet da der «Energieverbund Wädenswil» oder droht diesem am Ende dasselbe Schicksal?
Romeo Deplazes: In Thalwil, Meilen oder Zürich-Tiefenbrunnen beispielsweise hat Energie 360° bereits vergleichbare Projekte am Zürichsee realisiert. Zwei wichtige Faktoren für diese Lösungen sind: Der Anteil an fossil beheizten Gebäuden muss hoch sein, und das versorgte Gebiet muss dicht besiedelt sein, so dass individuelle erneuerbare Lösungen schwierig realisierbar sind. Beide Bedingungen sind in Wädenswil gegeben. Daher sind wir überzeugt, dass Fernwärme aus dem See für Wädenswil eine gute Lösung ist, die wir gemeinschaftlich realisieren wollen.
Der Gemeinderat hat an seiner Budgetsitzung im Dezember den Planungskredit von CHF 390 000 für einen weiteren Wärmeverbund rund um das Schulhaus Gerberacher gestrichen. Was sind die Auswirkungen für dieses Quartier, das ja nicht im Perimeter des Seewasser-Energieverbunds liegt? Und wie weit tangiert diese Budgetkürzung das Seewasser-Projekt?
Christof Wolfer: Diese Budgetkürzung hat keinen Einfluss auf das Seewasser-Projekt. Der Wärmeverbund Gerberacher ist ein separates Projekt ohne direkten Zusammenhang mit dem Seewasser-Energieverbund. Aufgrund der Streichung des Planungskredits wird es nun zu Verzögerungen bei diesem zusätzlichen Wärmeverbund kommen. Für das betroffene Quartier wird es daher noch etwas länger dauern, bis Klarheit bzgl. der Anschlussmöglichkeiten herrscht.
Was würde geschehen und wie ginge es weiter, wenn das Projekt Energieverbund am 9. Februar von der Wädenswiler Stimmbevölkerung abgelehnt würde?
Jonas Erni: Wir sind sehr zuversichtlich, dass die Wädenswiler Stimmbevölkerung den Nutzen und die überwiegenden Vorteile für die Stadt Wädenswil erkennt und deshalb diesem Generationenprojekt zustimmt. Andernfalls müsste die Situation grundsätzlich neu beurteilt werden, ob und in welcher Form die Transformation zur erneuerbaren Wärmeversorgung in Wädenswil erfolgen soll. Das wäre zeitintensiv und würde auf jeden Fall zu grossen Verzögerungen führen. Während dieser Zeit würde zudem jegliche Planungssicherheit entfallen, wodurch viele interessierte Kundinnen und Kunden gezwungen wären, individuelle und aufwändigere Einzellösungen zu realisieren.
Der 9. Februar ist ein bedeutsamer Abstimmungssonntag für Wädenswil. Nebst der Vorlage zur Verselbstständigung des Alterszentrums Frohmatt (siehe separater Artikel) befinden die Stimmberechtigten auch über den Energieverbund Wädenswil – ein Generationenprojekt, das die Stadt Wädenswil gemeinsam mit Energie 360°, also einer externen Partnerin, stemmen will.
Text & Interview: Stefan Baumgartner
Bilder / Grafiken: zvg
Erneuerbar heizen mit Energie aus dem Zürichsee – das verspricht der Energieverbund, den die Stadt Wädenswil zusammen mit Energie 360° plant. Wie aber kommt die Energie aus dem See zustande? Das Prinzip der Seewassernutzung für den Energieverbund Wädenswil hört sich simpel an: In 20 bis 40 Metern Tiefe wird Wasser mit 4 bis 10 °C gefasst und in die Energiezentrale gepumpt. Dort gibt das Seewasser über Wärmetauscher Wärmeenergie ab.
Das abgekühlte Seewasser wird nach der Wärmeabgabe sauber wieder zurück in den See geleitet. Die aus dem Seewasser gewonnene Wärmeenergie wird mittels Wärmepumpen auf das erforderliche Temperaturniveau gebracht. In einem geschlossenen Kreislauf zirkuliert das heisse Wasser dann im Fernwärmenetz. Über den Hausanschluss erhalten die an das Fernwärmenetz angeschlossenen Gebäude erneuerbare Wärme zum Heizen und für Warmwasser.
Wie das Projekt ablaufen soll, was es für Wädenswil bedeuten wird und was die Bevölkerung – bei Annahme der Vorlage – erwarten kann, erklären die Mitglieder des Steuerungsausschusses des geplanten Energieverbunds: Jonas Erni, Stadtrat Werke; Christof Wolfer, Stadtrat Finanzen; Dr. Romeo Deplazes, Energie 360° AG, GL/Bereichsleiter Lösungen/Stv. CEO; Andrea Zinsli, Energie 360° AG, GL/Bereichsleiter Netz.
Was hat den Ausschlag gegeben für die Planung eines Energieverbunds mit der Nutzung von Seewasserwärme aus dem Zürichsee?
Jonas Erni: Es waren im Wesentlichen zwei Gründe. Erstens: Mit dem in Kraft getretenen kantonalen Energiegesetz, wo künftig fossil betriebene Heizungen faktisch nicht mehr erlaubt sind, wollte die Stadt den Wädenswilerinnen und Wädenswilern eine alternative Heizlösung auf Basis erneuerbarer Energien bieten. Zweitens: Der im Jahr 2021 genehmigte kommunale Energieplan identifizierte einen grossen Teil des Stadtgebiets von Wädenswil und der Au als geeignet für die See-Energienutzung. Die anschliessend durch die Stadt beauftragten Machbarkeitsstudien zeigten deutlich, dass die Realisierung von Energieverbunden basierend auf der Nutzung des Zürichsees als Energiequelle ökologisch wie auch wirtschaftlich sinnvoll sind.
Die Stadt Wädenswil realisiert dieses Projekt mit einem Partner und gründet dazu eine eigenständige Gesellschaft. Weshalb setzt die Stadt das Projekt nicht alleine um? Kann diese Gesellschaft gewinnbringend operieren – und an wen gehen die Erträge?
Christof Wolfer: Der Stadtrat hat für dieses Projekt zwei klare Vorgaben gemacht. Erstens sollten die hohen Investitionskosten nicht allein durch die Stadt finanziert werden und zweitens wollten wir einen auf diesem Gebiet erfahrenen Partner an unserer Seite. Mit der zur Abstimmung stehenden Lösung sind beide Vorgaben erfüllt. Wäre ein gewinnbringender Betrieb nicht möglich, würde sich kein externer Partner am Projekt beteiligen. Der städtische Anteil von zukünftigen Gewinnen käme den Steuerzahlenden von Wädenswil zugute, wie dies heute schon bei den Überschüssen aus der Gasversorgung der Fall ist.
Zur Funktionsweise: Sie entnehmen dem Zürichsee Wasser und heizen dieses auf. Ist das – vereinfacht gesagt – wie bei einem Tauchsieder? Oder wie genau funktioniert das?
Romeo Deplazes: Wir nutzen den See als Wärmequelle für den Betrieb von grossen Wärmepumpen. Dem Seewasser wird die Wärme über einen Wärmetauscher entnommen. Das Seewasser fliesst dann gleich wieder zurück in den See, einfach einige Grad kühler. Das Seewasser kommt so nie in Kontakt mit anderen Substanzen. Die Wärmepumpen nutzen diese Wärme aus dem See, um das Wasser aufzuheizen, das dann in einem geschlossenen Kreislauf zu den angeschlossenen Liegenschaften für die Beheizung und für die Warmwasseraufbereitung geleitet wird.
Wieso braucht man den Zürichsee dazu? Wieviel Seewasser wird in welchem Zeitraum entnommen? Hat das Auswirkungen auf Leben im und am See?
Romeo Deplazes: Der Zürichsee ist ein riesiger und lokal verfügbarer Energiespeicher. Es ist ökologisch und wirtschaftlich sinnvoll, diese Energie für die Beheizung von dicht besiedelten Gebieten am See zu nutzen, was nur gemeinsam mit vielen Anschlusskunden möglich ist. Die Temperaturveränderung im See ist sehr klein, viel kleiner als die natürlichen Temperaturschwankungen im See. Daher sind keine negativen Auswirkungen auf Tiere und Pflanzen zu erwarten. Die leichte Abkühlung des Seewassers ist sogar positiv, da sie der Seeerwärmung als Folge des Klimawandels entgegenwirkt.
Das Energieverbund-Projekt ist von der Funktionsweise her also dasselbe, wie eine Wärmepumpenlösung, die mit Umweltwärme und Strom funktioniert. Was spricht trotzdem für den Anschluss an den Energieverbund und nicht für die Einzellösung?
Romeo Deplazes: Ja, es ist der Betrieb von grossen Wärmepumpen, die den See als Wärmequelle nutzen. Diese Wärmequelle, die für individuelle Einzellösungen nicht nutzbar ist, bietet wie vorhin erwähnt insbesondere in dicht besiedelten Gebieten ökologische und wirtschaftliche Vorteile. Solche Anlagen sind im Vergleich zu kleineren Wärmepumpen effizienter und benötigen somit weniger Strom. Weiter bietet der Anschluss an den Energieverbund eine einfache Lösung, im Vergleich zu einer individuellen Lösung, die oft schwierig zu realisieren ist. Und nicht zuletzt ist es eine Rundum-Sorglos-Lösung für die Liegenschaftsbesitzer, die obendrein sehr wenig Platz beansprucht.
Das Projekt wird als nachhaltig beschrieben, braucht zur Warmwassererzeugung aber auch Strom. Hat die Stadt oder der Kunde Einfluss, woher der Strom stammt?
Jonas Erni: Im Konzessionsvertrag zwischen der Stadt mit der zu gründenden Energieverbund Wädenswil AG wird festgehalten, dass mindestens 90% der gesamten Energielieferung auf erneuerbaren Energien basieren muss. Dies schliesst die Strombeschaffung mit ein, wobei der städtische Strom bereits heute zu 100% aus erneuerbaren Quellen stammt.
Können grundsätzlich alle beheizten Liegenschaften an den Energieverbund angeschlossen werden, die im geplanten Versorgungsgebiet liegen?
Jonas Erni: Ja, grundsätzlich ist für alle Gebäude ein Anschluss möglich. Liegenschaften mit tiefen Energiebezugsmengen oder sehr langen Hausanschluss-Leitungen sind dagegen meistens nicht wirtschaftlich. In solchen Fällen, wie beispielsweise in Einfamilienhaus-Quartieren oder wenig dicht bebauten Gebieten, sind entweder Gemeinschaftsanschlüsse mit benachbarten Immobilien oder andere erneuerbare Wärmelösungen unter Umständen sinnvoller. Unabhängig davon können alle Kundinnen und Kunden, die sich frühzeitig für einen Anschluss an den Energieverbund entscheiden, von stark reduzierten Anschlussbeiträgen profitieren. Denn mit frühzeitig unterzeichneten Wärmlieferverträgen kann gewährleistet werden, dass der Energieverbund richtig dimensioniert wird und dass die Fernwärmeleitungen dort gebaut werden, wo Anschlussinteressenten und Wärmebedarf vorhanden sind.
Erste Wärmelieferungen sind ab 2026 vorgesehen. Was machen EigentümerInnen, die ihr Gebäude an den Energieverbund anschliessen wollen, denen die alte Heizung aber aussteigt, bevor ein Anschluss möglich ist?
Andrea Zinsli: In diesem Fall können Eigentümerinnen und Eigentümer bereits jetzt einen Wärmeliefervertrag abschliessen. Fällt die Heizung aus, bevor der Anschluss möglich ist, bietet der Energieverbund eine passende Übergangslösung und betreibt diese bis zum Anschluss an den Energieverbund.
Die Invasion der Quagga-Muscheln bedroht seit neustem auch Infrastrukturen im Zürichsee, möglicherweise also auch das Energieverbund-Projekt. Wie ist man darauf vorbereitet?
Andrea Zinsli: Natürlich sind wir uns der Herausforderung durch die Quagga-Muscheln bewusst und berücksichtigen dies bei der Planung der Seewasserfassung. Hierbei profitieren wir von unserem grossen Erfahrungsschatz sowie denjenigen unserer Partner. Dank geeigneten Vorrichtungen für eine regelmässige und gezielte Reinigung der Seewasserfassungs-Anlagen kann das Ausfallrisiko durch einen Befall von Quagga-Muscheln minimiert und die von der Kundschaft erwartete Versorgungssicherheit gewährleistet werden.
Die Wädenswiler Stimmbevölkerung wird am 9. Februar 2025 für den «Energieverbund Wädenswil» u.a. um die Freigabe eines Rahmenkredits von 45 Mio. Franken ersucht. Nebst diesem Generationenprojekt stehen noch weitere teure Investitionen an. Zudem weist die Stadt Wädenswil ein strukturelles Defizit aus. Wie passt das zusammen?
Christof Wolfer: Wir müssen klar unterscheiden zwischen Ausgaben und sich selbstfinanzierenden Investitionen. Bei sich selbstfinanzierenden Investitionen wird Verzinsung und Rückzahlung aus den Erträgen des Betriebs heraus finanziert und der Steuerhaushalt wird nicht tangiert. Im Fall des Energieverbunds ist es eine langfristige, aber gewinnbringende Investition. Die Steuerzahlenden von Wädenswil werden daher langfristig sogar profitieren.
Verschiedene Wärmeverbund-Projekte rund um den Zürichsee, die ebenfalls den See als Energiequelle nutzen wollten, sind schwierig umzusetzen oder sind gar sistiert worden. Was unterscheidet da der «Energieverbund Wädenswil» oder droht diesem am Ende dasselbe Schicksal?
Romeo Deplazes: In Thalwil, Meilen oder Zürich-Tiefenbrunnen beispielsweise hat Energie 360° bereits vergleichbare Projekte am Zürichsee realisiert. Zwei wichtige Faktoren für diese Lösungen sind: Der Anteil an fossil beheizten Gebäuden muss hoch sein, und das versorgte Gebiet muss dicht besiedelt sein, so dass individuelle erneuerbare Lösungen schwierig realisierbar sind. Beide Bedingungen sind in Wädenswil gegeben. Daher sind wir überzeugt, dass Fernwärme aus dem See für Wädenswil eine gute Lösung ist, die wir gemeinschaftlich realisieren wollen.
Der Gemeinderat hat an seiner Budgetsitzung im Dezember den Planungskredit von CHF 390 000 für einen weiteren Wärmeverbund rund um das Schulhaus Gerberacher gestrichen. Was sind die Auswirkungen für dieses Quartier, das ja nicht im Perimeter des Seewasser-Energieverbunds liegt? Und wie weit tangiert diese Budgetkürzung das Seewasser-Projekt?
Christof Wolfer: Diese Budgetkürzung hat keinen Einfluss auf das Seewasser-Projekt. Der Wärmeverbund Gerberacher ist ein separates Projekt ohne direkten Zusammenhang mit dem Seewasser-Energieverbund. Aufgrund der Streichung des Planungskredits wird es nun zu Verzögerungen bei diesem zusätzlichen Wärmeverbund kommen. Für das betroffene Quartier wird es daher noch etwas länger dauern, bis Klarheit bzgl. der Anschlussmöglichkeiten herrscht.
Was würde geschehen und wie ginge es weiter, wenn das Projekt Energieverbund am 9. Februar von der Wädenswiler Stimmbevölkerung abgelehnt würde?
Jonas Erni: Wir sind sehr zuversichtlich, dass die Wädenswiler Stimmbevölkerung den Nutzen und die überwiegenden Vorteile für die Stadt Wädenswil erkennt und deshalb diesem Generationenprojekt zustimmt. Andernfalls müsste die Situation grundsätzlich neu beurteilt werden, ob und in welcher Form die Transformation zur erneuerbaren Wärmeversorgung in Wädenswil erfolgen soll. Das wäre zeitintensiv und würde auf jeden Fall zu grossen Verzögerungen führen. Während dieser Zeit würde zudem jegliche Planungssicherheit entfallen, wodurch viele interessierte Kundinnen und Kunden gezwungen wären, individuelle und aufwändigere Einzellösungen zu realisieren.