Richterswil

260 Tonnen in die Luft gehoben

Die erste Ausbau-Etappe des SOB-Servicezentrums in Samstagern konnte abgeschlossen werden. Herzstück bildet die Unterflurabhebeanlage, welche einen ganzen Traverso-Zug am Stück auf eine Höhe von 1,7 Meter anheben kann.

Text & Bilder: Reni Bircher

Als am 17. Dezember 2024 die Unterflurabhebeanlage erstmals für einen Testlauf in Betrieb genommen wurde und die 150 Meter lange kupferfarbene Zugformation scheinbar mühelos anhob, war die Freude der Belegschaft gross, wie Thomas Reuteler erzählte, Leiter Schwer-
instandshalle und Baubegleiter für die neue Anlage. Mit einer Verspätung von anderthalb Monaten konnte Mitte Januar 2025 die erste Halle mit zwei Servicegleisen aktiv in Betrieb genommen werden.
Die Verzögerung war den engen Platzverhältnissen des Bauperimeters geschuldet, denn zwischen der zweiten Halle und dem ohne Unterbruch genutzten Schienennetz der SOB gab es keine Ausweichmöglichkeiten für Mensch oder Maschine. «Das mit dem Platz haben wir unterschätzt», gesteht Thomas Albrecht, Gesamtprojektleiter des Ausbauprojektes in Samstagern. Aber nachdem ein gewisses Level erreicht wurde, konnten die Bauarbeiten wie geplant fortschreiten.
Das neue Gebäude nach der Schwerinstandhaltehalle überragt die alte um 1,5 Meter und misst ganze 164,84 Meter. Diese steht auf 140 Pfählen, damit es in dem schlecht tragenden Boden nicht zu unterschiedlichen Setzungen kommt. Die Grube, in der sich die Unterflur­abhebeanlage befindet, ist 4,5 Meter tief und mit Rühlwänden ausgestattet. Eine Rühlwand hat alle 1,5 Meter einen Stahlträger, welche im Falle des SOB-Servicezentrums 6 Meter in den Boden gerammt und ausbetoniert wurden. Danach folgte der Aushub, eine Verkleidung aus Holzstämmen, welche mit Beton ausgespritzt wurden, und der Grubenboden besteht aus einem Meter dicken Betonschicht.

Investition in die Zukunft

Grund für den Ausbau des Servicezentrums Samstagern ist der Anstieg von Rollmaterial, welches es regelmässig zu prüfen und unterhalten gilt. «Mit der alten Einrichtung und Technologie kamen wir nicht mehr durch», erklärte Thomas Reuteler. Zudem müssen die SOB die Finanzen im Griff haben. Dank der neuen Anlagen kann der Service sicherer, schneller und effizienter durchgeführt werden. «Dank dieser Einrichtung sind wir für viele Jahre gut aufgestellt», bekräftigt der Verantwortliche.
Mit grösstem Stolz erfüllt die neue Unterflurabhebeanlage, welche einen Traverso in voller Länge (150 m) und einem Gewicht von 260 Tonnen auf eine Höhe heben kann, die das Arbeiten in aufrechter Haltung erlaubt. 10 Hebestände à 400 Kilonewton – das sind pro Hebestand 40 Tonnen – weist die Hebeanlage auf, welche alle auch separat bedient werden könnten. So kann beispielsweise ein Flirt-Zug (Serie 1 + 2 misst 74 m und wiegt 120 t, Serie 3 78 m, 135 t) im hinteren Teil zur Kontrolle des Untergestells angehoben, ein zweiter Zug davorgestellt und gewartet werden.
Trotz der Power und vielen Arbeitseinsatzmöglichkeiten bestehen Reserven und Optionen die Anlage zu erweitern, sollten künftig Anforderungen dies verlangen.

Effizienter und sicherer

Vorher wurden Züge mittels Hebeböcke angehoben. Für einen Drehgestellwechsel musste jedes einzeln gelöst, der Zug aufgebockt und das Drehgestell – zu zweit von Hand, später mit Hilfe eines Batteriefahrzeuges – auf Schienen weggerollt werden. Danach wurde das neue Drehgestell positioniert und wieder angesetzt. «Da liefen manchmal recht abenteuerliche Sachen», schmunzelte Reuteler.
Die neue Unterflurabhebeanlage erleichtert die Wartungs- und Unterhaltsarbeiten an den Zügen erheblich und bringt eine Zeitersparnis von 50 Prozent. Zudem ist der Arbeitsplatz sicherer, weil es keine offene Grube mehr gibt, die zu Unfällen führen kann.
Trotzdem sind diverse Sicherheitsvorkehrungen nötig, um an den Zügen zu arbeiten. Die Unterflurabhebeanlage funktioniert über Elektromotoren mittels Gewinde und würde sogar bei Stromausfall in der gleichen Position verbleiben, in der sie sich zu dem Zeitpunkt befindet.
Über das Steuerpult wird die Hebeanlage bedient. Um die Anlage zu bedienen, sind mindestens zwei Personen erforderlich. Ein Mitarbeiter wählt im Programm den Zug an, der gewartet werden soll, ein zweiter Mitarbeiter auf der Gegenseite quittiert die Eingabe.
Ein hallenfüllender Signalton weist auf die Inbetriebnahme hin. Nach 10 Zentimetern stoppt der Hubvorgang infolge der Abrollsicherung. Diese Vorsichtsmassnahme dient zur erneuten Kontrolle, ob der Zug fixiert ist und nicht ins Rollen gerät. Danach dauert es gerade mal 3,5 Minuten, bis die Maximalhöhe von 1,7 m erreicht ist. «Innerhalb von 10–15 Minuten ist der Zug für die Servicearbeiten bereit», sagte Reuteler stolz. Zur Absicherung wird beim Drehgestellwechsel eine zusätzliche Stütze an den Unterboden ausgefahren. Das erlaubt den Wechsel von mehreren Radsätzen oder Drehgestellen gleichzeitig. Ein Radsatztausch erfolgt nach 1 Mio. Kilometer, eine Strecke, die der Traverso innert drei Jahren fährt. Nach spätestens neun Jahren wird das gesamte Drehgestell ausgewechselt.

Vorzeigeprojekt und 2. Etappe

Auf dem zweiten Servicegleis der ersten Halle kommt eine Neuheit für die Schweiz zum Einsatz: die Möglichkeit, den Fahrstrom vom Zug abzuheben, um völlig frei auf dem Dach arbeiten zu können, berichtete Thomas Albrecht. Diese Vorrichtung wird noch in diesem Jahr eingebaut.
Bereits haben die Arbeiten der zweiten Etappe begonnen, welche demselben Verfahren von ­Abbruch, Pfählung und Hallenneubau unterliegen. Ihr Abschluss wird auf Ende November 2025 erwartet. Die Ausführung des Projektes wurde in zwei Bauetappen geplant, um immer ein reduzierter Unterhaltsbetrieb zu gewährleisten.
Kernstück der zweiten Etappe sind die anfahrbaren Dacharbeitsbühnen (DAB) beidseitig der Servicegleise 3 (auf 155 m Länge) und 4 (77 m). Sie kann bis 30 cm an das Zugdach herangefahren werden und erlaubt den sicheren Zugang dazu. Dies ist insofern wichtig, da die neuen Zugmodelle die meisten Komponenten (Kompressoren, Beleuchtung usw.) hinter den Schürzen auf dem Dach beherbergen. Eine zusätzliche Sicherung für den Mitarbeiter gewährt die partielle Loslösung vom Strom.
Auf dem Dach der neuen Hallen vervollständigt eine 2100 m2 grosse Photovoltaikfläche das Grossprojekt, welche den Stromverbrauch der gesamten SOB-Anlage problemlos abdecken wird.
Die Kosten für den Ausbau der Serviceanlage in Samstagern beläuft sich auf 34,38 Millionen Franken, von denen allein die Unterflurabhebeanlage 3,8 Millionen gekostet hat. Doch das Vorzeigeprojekt wird nicht alleine bleiben: Das Servicewerk in Herisau soll ebenfalls in absehbarer Zukunft eine Unterflur-abhebeanlage erhalten.

Weitere Infos zur SOB-Flotte:
www.sob.ch/services/im-service-zentrum/sob-flotte

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