Wie können Gebäude nachhaltiger werden angesichts endlicher Baustoffe und ökologischem Druck seitens Behörden, aber auch seitens Bauherrschaft? Das Wädenswiler Architekturbüro Hotz Partner zeigt an einem Praxisbeispiel, wie die verschiedenen Akteure und Ansprüche auf einen Nenner gebracht werden können.
Text und Bilder: Stefan Baumgartner
Bauherrschaft ist im genannten Fall die Richterswiler KMR Immobilien, die für das familiengeführte Metallbauunternehmen Keller AG in Samstagern einen Neubau erstellt (siehe Artikel im Richterswiler Teil). Hotz Partner sind Architekten und Bauleiter für den Neubau. Ein wichtiger Partner in den ineinandergreifenden Zahnrädern ist die Tuwag Immobilien AG, die aktuell die grossen Shedhallen entlang der Einsiedlerstrasse umbaut. Hier trafen sich die Beteiligten zum Lokaltermin. Da ist auf der einen Seite die traditionsreiche, fast 130-jährige Richterswiler Firma Keller Metallbau AG. Mit ihrem Neubau strebt sie ein Leuchtturm-Projekt im Sinne des nachhaltigen Bauens in der Region an. Dabei steht die Wiederverwendung von Bauteilen aus Abrissobjekten im Mittelpunkt, aber auch eine nachhaltige Strom- und Warmwassererzeugung im Hause bzw. auf dem Dach des Neubaus. An ihrer Seite das Wädenswiler Architektur- und Bauleiter-Büro Hotz Partner, die «müde sind von den immer gleichen Wegen im Bauwesen und den damit einhergehenden Verschwendungen von immensen Ressourcen und sich aus dieser Müdigkeit heraus immer mehr mit den Themen des einfachen und des Zirkulären (nicht so einfachen) Bauens in der Theorie befassen und in der Anfrage für eine Industriehalle die Chance zum ‹Feldversuch› erkennen.» Und da sind die ehemaligen Werkhallen der Tuchfabrik, in den Jahren 1890 und 1906 errichtet. 1978 mit Einstellung der Weberei dem ursprünglichen Zweck beraubt, war unter anderem ein Schreinerbetrieb eingemietet, ehe schliesslich Studenten der ZHAW in Laboratorien am perfekten Bier oder der genussvollen, aromareichen Schokolade forschten. Die Laboratorien sind in den nahegelegenen Neubau «Future of Food» umgezogen, so dass die Räume erneut eine neue Nutzung bekommen: Künftig wird – nebst anderen Nutzungen für die ZHAW – eine Bibliothek für die Studierenden entstehen. Auch diese Umnutzung begleitet Hotz Partner. Und so konnte auch die Brücke geschlagen werden vom einen Umnutzungsprojekt zum Neubau in Samstagern. Das äussere Erscheinungsbild der Shedhalle ist denkmalgeschützt, innen jedoch sind die Gestalter freier. Thomas Brassel, CEO der Tuwag Immobilien AG, zeigt auf dem Rundgang, welche Räumlichkeiten wie umgebaut werden und welche Nutzung sie später erhalten sollen. Nebst der neuen Nutzung werden die Hallen auch auf den Minergie-Standard nachgerüstet. So werden nun aus der Shedhalle auf dem Areal weitere Bauteile entnommen, die später in Samstagern wiederverwendet werden: Kabelkanäle, Radiatoren, ganze Türen und Badkeramik werden fachmännisch ausgebaut, zwischengelagert und dann im Neubau eingebaut. Bei einer Reihe auf Mass eingebauten Holz-Garderobenschränken sagt David Keller, Inhaber in der vierten Generation: «die wären alle entsorgt worden – und wir hätten wieder neue gekauft!»
Tönt einfach, ist es aber nicht. So sagt Heiner Treichler, Projektleiter und Verwaltungsrat der Tuwag Immobilien AG auch, dass auch sie mit dem Shedhalle-Umbau einem Zeitplan unterliegen, der eingehalten werden muss. «Ist etwas nicht zur Zeit ausgebaut, können andere nicht weitermachen», weist er auf eine der Schwierigkeiten beim Zirkulären Bauen hin. Und Daniel Gardi von Hotz Partner ergänzt: «Es muss meist schnell und unkompliziert gehen, sonst wird’s zu teuer!»
Keller Metallbau AG hat darum zwei Berufsleute fix abgestellt für die Ausbauten in der Shedhalle, weitere werden nach Bedarf hinzugezogen. Wenn also dereinst Studenten die neu umgebaute Shedhalle als Bibliothek nutzen können, tun sie das auch im Wissen, dass viele Wertstoffe daraus eine neue Nutzung erhalten haben. Ziel des Zirkulären Bauens ist nicht unbedingt, günstiger zu bauen. Aber wenn einwandfreie Materialien ein verlängertes Leben bekommen, ist das Ziel erreicht.
Zirkuläres Bauen
Zirkuläres Bauen bedeutet, Bausubstanz in zusätzlichen Nutzungszyklen zu verwenden. Dabei kann ihre tatsächliche Lebensdauer ausgenützt werden. Das Bauen vor 1850 war grundsätzlich eine zirkuläre Bauweise. Vor der Industrialisierung wurde kaum ein Gebäude abgebrochen, indem man es eingerissen und zerstört hat. Der Begriff des «Rückbauens» beschreibt das Vorgehen zu dieser Zeit treffender. Wenn ein Gebäude nicht mehr genutzt werden konnte, wurde die gefügte Konstruktion eines Gebäudes entflochten und Bauteil für Bauteil rückgebaut, um so möglichst viele, wertvolle Materialien und Bauteile für anstehende Gebäudetransformationen oder Neubauten zu nutzen. Durch die Verwendung von ausschliesslich biobasierten Baustoffen wie Massivholz, Naturstein, Lehm, Stroh, Flachs, Hanf usw. und einer additiven, gefügten Bauweise konnten die einzelnen Bauteile entweder als ganzes «geerntet» werden, wurden recycelt (Lehmputze und Lehmsteine, indem der Lehm mit Wasser neu verflüssigt und wiederverwendet wurde), oder in den biologischen Kreislauf zurückgeführt (kompostieren oder verbrennen von Stroh, Hanf, Flachs usw.). Vor 1900 gab es keine überfüllten Deponien für Abbruchmaterial aus dem Bausektor, man baute grundsätzlich zirkular. Dies änderte sich erst mit der Industrialisierung und der Massenanfertigung und wurde mit der Abkehr zu Traditionellem und Altem weiter beschleunigt und verstärkt. Dies war der Beginn der Wegwerfgesellschaft, bei der das Ersetzen immer mehr die Reparatur ablöste.
Durch diesen Paradigmenwechsel und dem damit einhergehenden Aufkommen der Konsumgesellschaft, wurde das Neue und der Ersatz, zu den eigentlichen Antrieben des gesamten Wirtschaftssystems. Dabei gilt der Bausektor heute mit rund 17 Mio. Tonnen «Abfällen» pro Jahr alleine in der Schweiz (Quelle: Bundesamt für Umwelt) als einer der Motoren dieses Konzeptes. Und mit rund 37% des weltweiten CO2-Ausstosses als einer der grössten Treiber der Klimaerwärmung. Mit der zunehmenden Verknappung der weltweiten Ressourcen und dem Raubbau für deren Gewinnung verschärft sich diese Problematik zusehends.
Quelle: CAS Zirkulares Bauen: Zertifikatsarbeit Elina Geibel / Sven Gerster
Wie können Gebäude nachhaltiger werden angesichts endlicher Baustoffe und ökologischem Druck seitens Behörden, aber auch seitens Bauherrschaft? Das Wädenswiler Architekturbüro Hotz Partner zeigt an einem Praxisbeispiel, wie die verschiedenen Akteure und Ansprüche auf einen Nenner gebracht werden können.
Text und Bilder: Stefan Baumgartner
Bauherrschaft ist im genannten Fall die Richterswiler KMR Immobilien, die für das familiengeführte Metallbauunternehmen Keller AG in Samstagern einen Neubau erstellt (siehe Artikel im Richterswiler Teil). Hotz Partner sind Architekten und Bauleiter für den Neubau. Ein wichtiger Partner in den ineinandergreifenden Zahnrädern ist die Tuwag Immobilien AG, die aktuell die grossen Shedhallen entlang der Einsiedlerstrasse umbaut. Hier trafen sich die Beteiligten zum Lokaltermin. Da ist auf der einen Seite die traditionsreiche, fast 130-jährige Richterswiler Firma Keller Metallbau AG. Mit ihrem Neubau strebt sie ein Leuchtturm-Projekt im Sinne des nachhaltigen Bauens in der Region an. Dabei steht die Wiederverwendung von Bauteilen aus Abrissobjekten im Mittelpunkt, aber auch eine nachhaltige Strom- und Warmwassererzeugung im Hause bzw. auf dem Dach des Neubaus. An ihrer Seite das Wädenswiler Architektur- und Bauleiter-Büro Hotz Partner, die «müde sind von den immer gleichen Wegen im Bauwesen und den damit einhergehenden Verschwendungen von immensen Ressourcen und sich aus dieser Müdigkeit heraus immer mehr mit den Themen des einfachen und des Zirkulären (nicht so einfachen) Bauens in der Theorie befassen und in der Anfrage für eine Industriehalle die Chance zum ‹Feldversuch› erkennen.» Und da sind die ehemaligen Werkhallen der Tuchfabrik, in den Jahren 1890 und 1906 errichtet. 1978 mit Einstellung der Weberei dem ursprünglichen Zweck beraubt, war unter anderem ein Schreinerbetrieb eingemietet, ehe schliesslich Studenten der ZHAW in Laboratorien am perfekten Bier oder der genussvollen, aromareichen Schokolade forschten. Die Laboratorien sind in den nahegelegenen Neubau «Future of Food» umgezogen, so dass die Räume erneut eine neue Nutzung bekommen: Künftig wird – nebst anderen Nutzungen für die ZHAW – eine Bibliothek für die Studierenden entstehen. Auch diese Umnutzung begleitet Hotz Partner. Und so konnte auch die Brücke geschlagen werden vom einen Umnutzungsprojekt zum Neubau in Samstagern. Das äussere Erscheinungsbild der Shedhalle ist denkmalgeschützt, innen jedoch sind die Gestalter freier. Thomas Brassel, CEO der Tuwag Immobilien AG, zeigt auf dem Rundgang, welche Räumlichkeiten wie umgebaut werden und welche Nutzung sie später erhalten sollen. Nebst der neuen Nutzung werden die Hallen auch auf den Minergie-Standard nachgerüstet. So werden nun aus der Shedhalle auf dem Areal weitere Bauteile entnommen, die später in Samstagern wiederverwendet werden: Kabelkanäle, Radiatoren, ganze Türen und Badkeramik werden fachmännisch ausgebaut, zwischengelagert und dann im Neubau eingebaut. Bei einer Reihe auf Mass eingebauten Holz-Garderobenschränken sagt David Keller, Inhaber in der vierten Generation: «die wären alle entsorgt worden – und wir hätten wieder neue gekauft!»
Tönt einfach, ist es aber nicht. So sagt Heiner Treichler, Projektleiter und Verwaltungsrat der Tuwag Immobilien AG auch, dass auch sie mit dem Shedhalle-Umbau einem Zeitplan unterliegen, der eingehalten werden muss. «Ist etwas nicht zur Zeit ausgebaut, können andere nicht weitermachen», weist er auf eine der Schwierigkeiten beim Zirkulären Bauen hin. Und Daniel Gardi von Hotz Partner ergänzt: «Es muss meist schnell und unkompliziert gehen, sonst wird’s zu teuer!»
Keller Metallbau AG hat darum zwei Berufsleute fix abgestellt für die Ausbauten in der Shedhalle, weitere werden nach Bedarf hinzugezogen. Wenn also dereinst Studenten die neu umgebaute Shedhalle als Bibliothek nutzen können, tun sie das auch im Wissen, dass viele Wertstoffe daraus eine neue Nutzung erhalten haben. Ziel des Zirkulären Bauens ist nicht unbedingt, günstiger zu bauen. Aber wenn einwandfreie Materialien ein verlängertes Leben bekommen, ist das Ziel erreicht.
Zirkuläres Bauen
Zirkuläres Bauen bedeutet, Bausubstanz in zusätzlichen Nutzungszyklen zu verwenden. Dabei kann ihre tatsächliche Lebensdauer ausgenützt werden. Das Bauen vor 1850 war grundsätzlich eine zirkuläre Bauweise. Vor der Industrialisierung wurde kaum ein Gebäude abgebrochen, indem man es eingerissen und zerstört hat. Der Begriff des «Rückbauens» beschreibt das Vorgehen zu dieser Zeit treffender. Wenn ein Gebäude nicht mehr genutzt werden konnte, wurde die gefügte Konstruktion eines Gebäudes entflochten und Bauteil für Bauteil rückgebaut, um so möglichst viele, wertvolle Materialien und Bauteile für anstehende Gebäudetransformationen oder Neubauten zu nutzen. Durch die Verwendung von ausschliesslich biobasierten Baustoffen wie Massivholz, Naturstein, Lehm, Stroh, Flachs, Hanf usw. und einer additiven, gefügten Bauweise konnten die einzelnen Bauteile entweder als ganzes «geerntet» werden, wurden recycelt (Lehmputze und Lehmsteine, indem der Lehm mit Wasser neu verflüssigt und wiederverwendet wurde), oder in den biologischen Kreislauf zurückgeführt (kompostieren oder verbrennen von Stroh, Hanf, Flachs usw.). Vor 1900 gab es keine überfüllten Deponien für Abbruchmaterial aus dem Bausektor, man baute grundsätzlich zirkular. Dies änderte sich erst mit der Industrialisierung und der Massenanfertigung und wurde mit der Abkehr zu Traditionellem und Altem weiter beschleunigt und verstärkt. Dies war der Beginn der Wegwerfgesellschaft, bei der das Ersetzen immer mehr die Reparatur ablöste.
Durch diesen Paradigmenwechsel und dem damit einhergehenden Aufkommen der Konsumgesellschaft, wurde das Neue und der Ersatz, zu den eigentlichen Antrieben des gesamten Wirtschaftssystems. Dabei gilt der Bausektor heute mit rund 17 Mio. Tonnen «Abfällen» pro Jahr alleine in der Schweiz (Quelle: Bundesamt für Umwelt) als einer der Motoren dieses Konzeptes. Und mit rund 37% des weltweiten CO2-Ausstosses als einer der grössten Treiber der Klimaerwärmung. Mit der zunehmenden Verknappung der weltweiten Ressourcen und dem Raubbau für deren Gewinnung verschärft sich diese Problematik zusehends.
Quelle: CAS Zirkulares Bauen: Zertifikatsarbeit Elina Geibel / Sven Gerster