Richterswil

Totengräber der besonderen Art

Auf dem Friedhof Richterswil wurde eine umfassende Sanierung nötig, welche nächstens abgeschlossen wird. Dies rief einen nicht alltäglichen Berufsstand auf den Plan, dem vor allem anderen die Würde eines Menschen steht, auch dem toten.

Text: Reni Bircher

Bild: Guido Bircher

Im Zuge einer Platz- und Bedarfsanalyse auf dem Friedhof Richterswil durch die Gemeinde wurde auch eine Bodensondierung vorgenommen. Diese förderte zutage, dass die Beschaffenheit des Erdreiches stark lehmhaltig und feucht ist, was den Zersetzungsprozess der Leichname behindert. Aus diesem Grund beschloss der Gemeinderat die Sanierung des Friedhofs, bei der unter anderem ein Leitungsnetz zur Entwässerung angelegt sowie ein Erdaustausch gemacht wurde. 

Ende Mai 2023 wurde die Grabfeldsanierung in Angriff genommen. Da davon ausgegangen wurde, noch sterbliche Überreste zu finden, mussten die Arbeiten mit grösster Sorgfalt von einem Exhumatoren durchgeführt und pietätvoll in eine Gebeinegrabstätte umgebettet werden. Einer der zuständigen Mitarbeiter ist Heinz Wicki, Geschäftsmitinhaber und Leiter Exhumationen der Firma Tony Linder & Partner AG aus Altdorf:

Herr Wicki, Sie sind Exhumator und arbeiteten an vorderster Front während der Sanierung des Grabfeldes und des Urnenhains Richterswil. Wie muss man sich als Laie Ihre Arbeit vorstellen?

Die ersten fünf Zentimeter des Erdreiches werden abgetragen, so dass die Urnen – solche aus gebranntem Ton oder Metall, die sich nicht zersetzen – nicht beschädigt werden, und hebt sie aus. Allfällige Asche-reste werden wieder beigesetzt.

Bei den Gebeinen gräbt man tiefer ins Erdreich, welches vorsichtig «ausgeschüttelt» wird. Dort lese ich einzelne Fragmente menschlicher Überreste und Grabbeigaben nach und nach aus, um sie danach in der Gebeinegrabstätte wieder so zu arrangieren, wie sie zuvor gelegen haben. Das alles ist reine Handarbeit.

Ist denn nach so langer Zeit noch etwas ­vorhanden vom Körper?

Wenn der Boden stark lehmhaltig ist, dann findet eine Konservierung des Fettgewebes statt. Nur der Feinanteil der Gebeine selbst zersetzt sich, das Skelett an sich hält sich sehr lange. In kalkhaltigem Boden können Knochen Jahrtausende überdauern. Das zeigen auch Funde aus der ganzen Welt. Der ph-Wert des Bodens ist von grosser Bedeutung: je saurer, desto besser die Zersetzung von organischem Material. Bei optimalen Bedingungen des Erdreiches zersetzt sich ein menschlicher Körper bis zur Skelettierung innert fünf bis sieben Jahren.  Auch Asche ist noch immer sichtbar, selbst wenn sich die Urne zersetzt hat.  

Nehmen Sie sich bei einer grossflächigen Sanierung jedes Grab einzeln vor?

Wir bereiten die Gebeinegrabstätte vor, um die Funde gleichentags wieder bestatten zu können. In der Regel schaffen wir mehrere Gräber an einem Tag. Wichtig dabei ist, dass bei Pausen oder nach Feierabend nichts offen ist und menschliche Überreste, Urnen oder Särge zu sehen sind. Da achten wir penibel drauf.

Es ist schon ein spezielles Arbeitsgebiet, in welchen Sie sich bewegen …

Seriosität und Pietät werden hier gross geschrieben. An sich erledigen wir unsere Arbeit so, wie wir selbst gerne möchten, wie mal mit uns umgegangen wird. 

Mir scheint, dass es einen aussergewöhnlich Bezug zum Menschen braucht in Ihrem Beruf.

Das ist schon so. Es braucht den Respekt, auch vor den Toten.

Wie lange üben Sie Ihren Beruf schon aus?

Über 40 Jahre.

Erich Aeschlimann ist Geschäftsführer des innovativen Kleinunternehmens in den Bereichen Friedhofplanung und Exhumation.

Herr Aeschlimann, die Tony Linder + Partner AG zeichnet sich für die Sanierung des Fried-hofs Richterswil verantwortlich.

Unsere Firma machte die Entwicklungsplanung, die neue Gestaltung und die Bauleitung bei diesem Projekt und ist für die Betreuung und Begleitung bis zum Abschluss verantwortlich. Aus dem Entwicklungskonzept heraus haben wir beschlossen, zuerst auf dem unteren Friedhofsfeld, wo die Erdbestattungen gemacht werden, für die optimale Bodenbeschaffenheit zu sorgen. 

Wir haben dort vergangenes Jahr den Boden ausgetauscht und ein Entwässerungssystem eingebaut, welches gleichzeitig für die Belüftung des Bodens sorgt. Darauf kommen Filter- und Sickerschichten, bevor einer Erdmischung mit Kies, Sand, Humus- und Holzteilchen aufgefüllt wird.

Das sollte nun für viele Jahre den optimalen Verwesungsprozess garantieren. 

Dank guter Planung und der optimalen Zufuhr von der Strasse her haben wir die Arbeit nach drei Monaten abgeschlossen.

Im Mai 2024 starteten die Arbeiten bei den neuen Urnen-Reihen-gräbern und am Urnenhain, welcher vergrössert wurde. Die Bauzeit in diesem Bereich dauerte ungefähr zwei Monate. Dabei benötigten wir am meisten Zeit für die Ausgrabungen der Urnengefässe.

Die Gartenbau-Arbeiten und die Begrünung der Anlage obliegt einer externen Firma.

Warum wurde der Urnenhain erweitert?

Das hat unter anderem mit den aktuellen Bedürfnissen der Bevölkerung zu tun. Zudem erscheint mir dieser Bereich eine schöne Variante zwischen einem Gemeinschaftsgrab und einem Reihengrab zu sein, und dabei trotzdem sehr individuell. Es ist pflegeleicht/pflegefrei und parkähnlich angelegt, wobei das Erscheinungsbild der gemeindeeigenen Friedhofsreglementierung unterliegt. Beim Anlegen des neuen Urnenhain haben wir mit dem bereits erwähnten Gartenbauer zusammengearbeitet.

Auch im Urnenhain haben Umbettungen stattgefunden. Im Gegensatz zur Grabfeldsanierung, wo auf 1,6 bis 1,8 Meter runtergegraben wurde, sind wir beim Urnenhain bei 70 Zentimetern Tiefe. Allerdings sind auch in diesem Bereich menschliche Überreste geborgen worden, welche vom alten Friedhof stammen und nun in der neuen Gebeinegrabstätte ihre letzte Ruhe gefunden haben.

Was ist der Grund, dass sogar mehrere Jahrzehnte alte Knochenfragmente wieder bestattet werden?

Was auf dem Friedhof bestattet wurde, soll auch dort seine letzte Ruhe finden. Es ist für die Leute ganz wichtig zu wissen, dass keinesfalls ein Abtransport stattgefunden hat.

Ist diese Gebeinegrabstätte beschriftet

Es ist manchmal unmöglich zu wissen, wem diese Überreste zuzuordnen sind. Die Gebeine-grabstätte wird auf einem leeren Feld angelegt, aufgefüllt und danach begrünt. Oberirdisch ist sie nicht ersichtlich, doch die Gemeinde hat einen genauen Plan von diesem Bereich. Meistens befindet sie sich sogar an einem Ort, wo keine Bestattungen mehr stattfinden.  

Welchen Beruf erlernt man, um Exhumator zu werden?

Die Arbeit des Exhumators kann als solcher nicht gelernt werden; interessierte Mitarbeiter lernen die Eigenheiten dieser besonderen Herausforderung an internen Weiterbildungen, oder etwa auch bei Archäologen und Gerichtsmedizinern. 

In unserer Firma haben wir dafür extra die Exhumationsabteilung mit geschultem Personal, so wie Heinz Wicki. Manchmal müssen wir allerdings auch Leute «dazumieten», wenn wir viele Aufträge haben.

Wie würden Sie Ihr Aufgabenfeld ­umschreiben?

Es ist vor allem Kopfarbeit, weil sauber und pietätvoll gearbeitet werden muss. Und das Tag für Tag.

Zudem sind nicht alle Stätten oder Aufträge gleich. Bei der Grabfeldsanierung in Richterswil handelte es sich um Gräber, welche zur Aufhebung freigegeben wurden. Das ist schon etwas anderes, als wenn ein Grab während der Grabesruhe ausgehoben und umgebettet werden muss, beispielsweise wenn es  ins Ausland oder in einen anderen Friedhof verlegt wird.

Herr Aeschlimann, Herr Wicki, vielen Dank für diese spannenden Einblicke in Ihren Berufsalltag.

 

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