Am Sonntag, 21. Juli, besuchte Beat Schlatter – Ideengeber und Hauptdarsteller der Schweizer Komödie «Bon Schuur Ticino» – das Richterswiler Openair-Kino und erzählte dem gespannten Publikum ein paar Anekdoten aus der mehrwöchigen Produktionszeit.
Text/Interview & Bild: Reni Bircher
Es sah nicht gut aus für die von der Gemeinde Richterswil gesponserte Vorführung, machten sich doch dicke Wolken über dem Dorf breit. Von Windböen begleitet regnete es heftig, bis kurz vor 20 Uhr. Die Aussicht, den angekündigten Special Guest anzutreffen war wohl für viele Besucherinnen und Besucher Grund genug, das Regenrisiko auf sich zu nehmen – sind doch auch seit diesem Jahr zahlreiche Plätze des Open-air-Kinos überdacht. Als sich dann ein doppelter Regenbogen vom See bis nach Samstagern spannte, war das der Auftakt zu einem weiteren gelungenen Kinoabend im Horn.
Kurz vor Filmstart durfte Gemeinderat Christian Stalder den weithin bekannten Zürcher Schau-spieler und Seebueb Beat Schlatter begrüssen, welcher etwa erklärte, dass der im französisch-sprachigen Raum betitelte Film «Ciao-ciao bourbine» verwendete Begriff ein abschätzige Bezeichnung der Welschen für die Deutschschweizer sei.
Dann entpuppte sich die Zusammenarbeit mit den Schweizerischen Bundesbahnen und dem Militär als Herausforderung: erstere wollten nicht zulassen, dass der Gotthardtunnel «ge-sprengt» wird und gingen erst auf eine Zusammenarbeit ein, als ihnen zugesichert wurde, dass weder verletzte Personen noch Blut zu sehen seien und kein Sachschaden an Bahneigentum entstehe.
Das Militär wiederum weigert sich seit der Verfilmung von «Achtung, fertig, Charlie» zur Herausgabe von Militäreigentum. Daraufhin suchten die Produzenten private Sammler von ausran-gierten Armeefahrzeugen sowie das Militärmuseum in Full-Reuenthal auf, deren grosszügiges Entgegenkommen zur Wirkung in den entsprechenden Filmszenen führte. «Ich frage mich manchmal», gestand Schlatter, «was die Leute im Ausland beim Anblick des verlotterten Militärinventars denken.»
Den Film «Bon Schuur Ticino» bezeichnet Schlatter als eine Liebeserklärung an die Landesprachen – Rätoromanisch kommt im Film nicht vor, gehört aber ausdrücklich dazu – und an unsere Identität.
Dem Richterswiler Anzeiger gewährte Beat Schlatter persönlichen Einblick in seinen Werdegang und die Arbeit als Schauspieler und Drehbuchautor.
Beat, die Idee zur neuen Schweizer Komödie kam von Dir.
Genau. Auf dieser habe ich zusammen mit dem Regisseur und Drehbuchautor Peter Luisi die Geschichte aufgebaut und er hat dann das Drehbuch geschrieben. Von der Idee bis zum fertigen Film sind sechs Jahre vergangen.
Wie bist Du auf das Thema gekommen?
Weil man den Protagonisten einer Geschichte immer in eine möglichst schlechte Situation hin-eingeraten lassen sollte … Und ich spreche kein Französisch – was ich für mich persönlich als Problem empfinde.
Nicht einmal «Schulfranzösisch»?
Ich habe meine Schulzeit in Rüschlikon zugebracht – als eher mittelmässig erfolgreicher Schüler. Mein Vater meinte deshalb, ich solle nach der Schulzeit ein Jahr zu einem Landwirt ins Welschland, um die Sprache zu lernen, denn das wäre wichtig.
Nun verhielt es sich aber so, dass es damals hinter der Turnhalle eine Ecke gab, wo sich die älteren Schüler heimlich zum Rauchen eingefunden hatten. Die trugen coole Klamotten und haben in einer Band gespielt – was Jungs und Mädchen gleichermassen beeindruckte. Und das interessierte mich bei weitem mehr als ein Bauer unten im Welschland *schmunzelt ob der Erinnerung daran*. Also schloss ich mich lieber diesen jungen Burschen an.
Im gleichen Zeitraum trat Polo Hofer mit «Rumpelstilz» in Thalwil auf. Dieses Konzert besuchte ich mit meinen Kollegen, mit dem Ergebnis, dass wir endgültig ins Musikbusiness einsteigen wollten und am nächsten Tag eine Band gründeten: «Rotkäppchen» *lacht*.
Ein Erfolg?
Wir gaben in den goldenen Zeiten des Schulsilvesters ein Konzert … so halb, irgendwie.
Um dem nachbarschaftlichen Gartentörchen-Aushängen entgegenzuwirken, hatte die Lehrer-schaft im Singsaal morgens um Fünf eine Disco organisiert. Dort durften wir mit unserer Band auftreten. Noch unter dem Eindruck der Nebelmaschine beim «Rumpelstilz»-Konzert, wollten wir ebenfalls eine solche auf der Bühne haben. Wir kannten uns mit derlei nicht aus, deshalb führte uns der Weg vorgängig wieder zur Ecke bei der Turnhalle …
Das Mieten einer solchen Maschine und die Handhabung mit dem Trockeneis erschien uns zu kompliziert. Einer der Burschen meinte dann, sein älterer Bruder habe vom Militär so eine Büchse mit Rauchpulver nach Hause gebracht, die könnten wir für 5 Franken haben. Natürlich entschieden wir uns für diese Variante.
Eine einzelne Büchse gab uns allerdings keine Möglichkeit, diese im Vorfeld zu testen. Deshalb stellten wir am Silvestermorgen vor dem zweiten Lied die Büchse auf den Parkettboden des Singsaales, öffneten sie und zündeten das Pulver an. Nach und nach waberte der Rauch seitlich an meinen Mitmusikern vorbei, die plötzlich etwas schwer atmeten. Wir, ganz die harten Kerle, spielten weiter, während die Rauchschwaden ins Publikum zogen. Wir bekamen kaum noch Luft, da schrie plötzlich ein Lehrer: «Fenster auf! Alle raus, schnell!» So standen innert kürzester Zeit sämtliche Schüler bei Regen auf dem Pausenplatz.
Das erste und einzige Konzert von «Rotkäppchen». Wir haben dann den Namen gewechselt … soweit zur Karriere als Musiker.
Und das also die Erklärung, weshalb ich kein Französisch spreche.
Wer hat denn die entsprechenden Passagen im Drehbuch getextet?
Unser ganzes Drehbuch war auf Deutsch verfasst, deshalb mussten gewisse Passagen über-setzt werden. Weder Peter Luisi noch ich sind der französischen Sprache mächtig, da habe ich den Online-Translator entdeckt … ‹super›, habe ich gedacht, ‹das liest mir sogar noch vor, wie man es ausspricht!›
So wie beim Theater wird zuvor mehrere Wochen geprobt, um herauszufinden, wo Längen entstehen, Verständnisfragen auftauchen, um Regieanweisungen anzupassen.
Am ersten Tag der Probe mit meinem Lausanner Spielpartner Vincent Kucholl bemerkte ich, dass er mich so komisch anschaut und irgendwann meinte, dass er zwar verstehe, was ich sagen wolle, aber die Wörter seien nicht in der richtigen Reihenfolge *schüttelt grinsend den Kopf*. So musste ich nochmals alles überarbeiten
Wenn Du eine Idee entwickelst oder ein Drehbuch schreibst, schweben Dir bei einzelnen Figuren bereits die passenden Schauspielerinnen oder Schauspieler vor?
Nein, überhaupt nicht. Das zu tun, ist ein Fehler. Das Vorgehen ist, zuerst zu eruieren, ob eine Geschichte über genug Potenzial verfügt, um so lange Zeit daran zu arbeiten. Dann entwickeln wir die Figuren und ihren Charakter, die diese Geschichte erleben könnten.
Die Besetzung der Figuren passiert erst ganz am Schluss und ist Sache des Regisseurs. Selbstverständlich darf ich Vorschläge machen, und weil ich mit Luisi befreundet bin, prüft er diese auch. Ihm ist die Harmonie zwischen den Schauspielern sehr wichtig, denn Unstimmigkeiten während der Dreharbeiten sind verheerend! Es sollen familiäre Verhältnisse herrschen.
Ich kannte damals meinen Spielpartner Vincent Kucholl gar nicht, in der französischen Schweiz ist er ein vielbeachteter Schauspieler, Humorist und auch durch Radiosendungen bekannt – das zeigt einmal mehr, was wir in der Deutschschweiz von der Romandie wissen und sie wiederum von uns. Wir wissen viel zu wenig voneinander.
Also gibt es eine Art Probelauf hinsichtlich der schauspielerischen «Kompatibilität»?
Peter Luisi rief mich eines Abends an und sagte, er habe wohl jemanden, der zu mir passe. Auf meine Frage hin, ob dieser Deutsch spreche, kam ‹Nein›, was mich stutzen liess. Luisi meinte aber, ‹das geht schon›.
Bei einem gemeinsamen Mittagessen in Zürich gab sich der Lausanner sehr klassisch dem Kli-schee entsprechend: er wartete erst mal 20 Minuten ab, ob Luisi und ich wirklich kein Französisch reden können. Erst als Kucholl merkte, dass die Karre im Sumpf steckt, begann er zögerlich, ein wenig Deutsch zu sprechen.
Ich möchte behaupten, dass durch diese intensive Zusammenarbeit mehr passiert ist als blosses «schauspielern». Eine wirklich grossartige Zeit, die zu einer Freundschaft führte.
Wenn ein Film abgedreht ist, wie kritisch bist Du bei der Betrachtung des Ergebnisses?
Während der Schnittphase war ich im Freilichtmuseum Ballenberg engagiert. Dort wird jedes Jahr ein Theaterstück aufgeführt, und für 2023 hat man mich gebeten, ein solches zu schreiben und auch als Schauspieler mitzuwirken.
Somit bekam ich nichts mit, bis mich ein Co-Produzent des Film besucht hat. Als erste Kritiker fungieren engste Freunde des Regisseurs und direkt am Film Beteiligte. Deshalb wusste ich, dass der Co-Produzent bereits den Rohschnitt gesehen hatte. Auf meine Nachfrage, wie ihm dieser gefalle, kam ein undefinierbares Brummeln und wenig überzeugendes ‹Wir sind happy›. Sofort rief ich Peter Luisi an, wollte wissen, was das Umfeld gesagt habe, und erhielt eine wenig euphorische Rückmeldung … Ich war niedergeschmettert.
Umso überraschender ist nun der Erfolg, denn «Bon Schuur Ticino» haben inzwischen über 380 000 Zuschauerinnen und Zuschauer gesehen. Damit reiht er sich in die Liste der erfolg-reichsten Schweizer Filme («Die Schweizer-macher», «Grounding», «Die göttliche Ordnung») ein. Wir freuen uns wirklich sehr über diesen Erfolg.
Bis der Film ins Kino kommt, muss er vorgeführt werden; wem?
Nach den Korrekturen entsprechend der Kritik und Anregung engster Freunde findet ein Scree-ning während zwei, drei Vorführungen mit einem gänzlich unabhängigen Publikum statt. Dort darf niemand aus der Filmcrew anwesend sein. Natürlich werden die Lacher registriert und zum Schluss wird vom Publikum ein Fragebogen ausgefüllt. Solche Auswertungen sind sehr zuverlässig, und die Regie korrigiert nach Möglichkeit nach.
Der ganz grosse Genuss ist dann schon, wenn die Szenen, welche man sich zuvor ausgedacht und erarbeitet hat, auch wirklich zu den entsprechenden Reaktionen im Publikum führen.
Spannenderweise gibt es Sequenzen, welche von uns nicht als Gag geplant worden sind und Lacher ernten, die der Situationskomik geschuldet sind. Für uns Überraschungsmomente *freut sich*.
Die Aussage des Filmes?
Wir nehmen es als selbstverständlich, dass wir in einem so kleinen Land mit so vielen Sprachen miteinander auskommen. Das ist es aber nicht. Und das vergessen wir manchmal. Das will der Film aufzeigen.
Du hast sehr spontan zugesagt, hier in Richterswil ein paar Worte ans Publikum zu richten. Warum?
Da gibt es einige Gründe. Wenn sich Menschen zusammenfinden an einem Anlass wie heute Abend im Openair-Kino, entstehen soziale Kontakte durch ein gemeinsames Interesse, dann freut mich das.
Der emotionalste Grund jedoch ist folgender: Ich komme aus einer Familie, in der Kunst in jeglicher Form nicht von Bedeutung war. Wenn aber eine Grösse wie Ruedi Walter im Dorf aufgetreten ist, dann ging mein Vater mit mir ins Theater. Mich faszinierte das Schauspielern, und ich wurde mir bewusst, dass man auch ohne entsprechende Verwandtschaft und Kontakte Schauspieler werden kann. Dieser Berufswunsch kann Wirklichkeit werden. Und wenn ich mit meiner Anwesenheit und meinem Schaffen einen jungen Menschen erreichen kann, der sich vorher nicht getraut hat, seine Träume zu verfolgen – oder auch Eltern, die erkennen, dass die Vorschläge des Berufsberaters keine Option bietet – dann ist das einfach grossartig.
Und rein wirtschaftlich gesehen ist es die Aufgabe der Filmschaffenden, ihr Produkt zu bewer-ben. Zudem registrieren die Kinobetreiber einen höheren Zuschauerstrom bei Anwesenheit eines Schauspielers oder Regisseurs.
Beat, herzlichen Dank für Deine Zeit und Offenheit.
Gern, und viel Spass beim neuen Schweizer Film «Bon Schuur Ticino»!
Am Sonntag, 21. Juli, besuchte Beat Schlatter – Ideengeber und Hauptdarsteller der Schweizer Komödie «Bon Schuur Ticino» – das Richterswiler Openair-Kino und erzählte dem gespannten Publikum ein paar Anekdoten aus der mehrwöchigen Produktionszeit.
Text/Interview & Bild: Reni Bircher
Es sah nicht gut aus für die von der Gemeinde Richterswil gesponserte Vorführung, machten sich doch dicke Wolken über dem Dorf breit. Von Windböen begleitet regnete es heftig, bis kurz vor 20 Uhr. Die Aussicht, den angekündigten Special Guest anzutreffen war wohl für viele Besucherinnen und Besucher Grund genug, das Regenrisiko auf sich zu nehmen – sind doch auch seit diesem Jahr zahlreiche Plätze des Open-air-Kinos überdacht. Als sich dann ein doppelter Regenbogen vom See bis nach Samstagern spannte, war das der Auftakt zu einem weiteren gelungenen Kinoabend im Horn.
Kurz vor Filmstart durfte Gemeinderat Christian Stalder den weithin bekannten Zürcher Schau-spieler und Seebueb Beat Schlatter begrüssen, welcher etwa erklärte, dass der im französisch-sprachigen Raum betitelte Film «Ciao-ciao bourbine» verwendete Begriff ein abschätzige Bezeichnung der Welschen für die Deutschschweizer sei.
Dann entpuppte sich die Zusammenarbeit mit den Schweizerischen Bundesbahnen und dem Militär als Herausforderung: erstere wollten nicht zulassen, dass der Gotthardtunnel «ge-sprengt» wird und gingen erst auf eine Zusammenarbeit ein, als ihnen zugesichert wurde, dass weder verletzte Personen noch Blut zu sehen seien und kein Sachschaden an Bahneigentum entstehe.
Das Militär wiederum weigert sich seit der Verfilmung von «Achtung, fertig, Charlie» zur Herausgabe von Militäreigentum. Daraufhin suchten die Produzenten private Sammler von ausran-gierten Armeefahrzeugen sowie das Militärmuseum in Full-Reuenthal auf, deren grosszügiges Entgegenkommen zur Wirkung in den entsprechenden Filmszenen führte. «Ich frage mich manchmal», gestand Schlatter, «was die Leute im Ausland beim Anblick des verlotterten Militärinventars denken.»
Den Film «Bon Schuur Ticino» bezeichnet Schlatter als eine Liebeserklärung an die Landesprachen – Rätoromanisch kommt im Film nicht vor, gehört aber ausdrücklich dazu – und an unsere Identität.
Dem Richterswiler Anzeiger gewährte Beat Schlatter persönlichen Einblick in seinen Werdegang und die Arbeit als Schauspieler und Drehbuchautor.
Beat, die Idee zur neuen Schweizer Komödie kam von Dir.
Genau. Auf dieser habe ich zusammen mit dem Regisseur und Drehbuchautor Peter Luisi die Geschichte aufgebaut und er hat dann das Drehbuch geschrieben. Von der Idee bis zum fertigen Film sind sechs Jahre vergangen.
Wie bist Du auf das Thema gekommen?
Weil man den Protagonisten einer Geschichte immer in eine möglichst schlechte Situation hin-eingeraten lassen sollte … Und ich spreche kein Französisch – was ich für mich persönlich als Problem empfinde.
Nicht einmal «Schulfranzösisch»?
Ich habe meine Schulzeit in Rüschlikon zugebracht – als eher mittelmässig erfolgreicher Schüler. Mein Vater meinte deshalb, ich solle nach der Schulzeit ein Jahr zu einem Landwirt ins Welschland, um die Sprache zu lernen, denn das wäre wichtig.
Nun verhielt es sich aber so, dass es damals hinter der Turnhalle eine Ecke gab, wo sich die älteren Schüler heimlich zum Rauchen eingefunden hatten. Die trugen coole Klamotten und haben in einer Band gespielt – was Jungs und Mädchen gleichermassen beeindruckte. Und das interessierte mich bei weitem mehr als ein Bauer unten im Welschland *schmunzelt ob der Erinnerung daran*. Also schloss ich mich lieber diesen jungen Burschen an.
Im gleichen Zeitraum trat Polo Hofer mit «Rumpelstilz» in Thalwil auf. Dieses Konzert besuchte ich mit meinen Kollegen, mit dem Ergebnis, dass wir endgültig ins Musikbusiness einsteigen wollten und am nächsten Tag eine Band gründeten: «Rotkäppchen» *lacht*.
Ein Erfolg?
Wir gaben in den goldenen Zeiten des Schulsilvesters ein Konzert … so halb, irgendwie.
Um dem nachbarschaftlichen Gartentörchen-Aushängen entgegenzuwirken, hatte die Lehrer-schaft im Singsaal morgens um Fünf eine Disco organisiert. Dort durften wir mit unserer Band auftreten. Noch unter dem Eindruck der Nebelmaschine beim «Rumpelstilz»-Konzert, wollten wir ebenfalls eine solche auf der Bühne haben. Wir kannten uns mit derlei nicht aus, deshalb führte uns der Weg vorgängig wieder zur Ecke bei der Turnhalle …
Das Mieten einer solchen Maschine und die Handhabung mit dem Trockeneis erschien uns zu kompliziert. Einer der Burschen meinte dann, sein älterer Bruder habe vom Militär so eine Büchse mit Rauchpulver nach Hause gebracht, die könnten wir für 5 Franken haben. Natürlich entschieden wir uns für diese Variante.
Eine einzelne Büchse gab uns allerdings keine Möglichkeit, diese im Vorfeld zu testen. Deshalb stellten wir am Silvestermorgen vor dem zweiten Lied die Büchse auf den Parkettboden des Singsaales, öffneten sie und zündeten das Pulver an. Nach und nach waberte der Rauch seitlich an meinen Mitmusikern vorbei, die plötzlich etwas schwer atmeten. Wir, ganz die harten Kerle, spielten weiter, während die Rauchschwaden ins Publikum zogen. Wir bekamen kaum noch Luft, da schrie plötzlich ein Lehrer: «Fenster auf! Alle raus, schnell!» So standen innert kürzester Zeit sämtliche Schüler bei Regen auf dem Pausenplatz.
Das erste und einzige Konzert von «Rotkäppchen». Wir haben dann den Namen gewechselt … soweit zur Karriere als Musiker.
Und das also die Erklärung, weshalb ich kein Französisch spreche.
Wer hat denn die entsprechenden Passagen im Drehbuch getextet?
Unser ganzes Drehbuch war auf Deutsch verfasst, deshalb mussten gewisse Passagen über-setzt werden. Weder Peter Luisi noch ich sind der französischen Sprache mächtig, da habe ich den Online-Translator entdeckt … ‹super›, habe ich gedacht, ‹das liest mir sogar noch vor, wie man es ausspricht!›
So wie beim Theater wird zuvor mehrere Wochen geprobt, um herauszufinden, wo Längen entstehen, Verständnisfragen auftauchen, um Regieanweisungen anzupassen.
Am ersten Tag der Probe mit meinem Lausanner Spielpartner Vincent Kucholl bemerkte ich, dass er mich so komisch anschaut und irgendwann meinte, dass er zwar verstehe, was ich sagen wolle, aber die Wörter seien nicht in der richtigen Reihenfolge *schüttelt grinsend den Kopf*. So musste ich nochmals alles überarbeiten
Wenn Du eine Idee entwickelst oder ein Drehbuch schreibst, schweben Dir bei einzelnen Figuren bereits die passenden Schauspielerinnen oder Schauspieler vor?
Nein, überhaupt nicht. Das zu tun, ist ein Fehler. Das Vorgehen ist, zuerst zu eruieren, ob eine Geschichte über genug Potenzial verfügt, um so lange Zeit daran zu arbeiten. Dann entwickeln wir die Figuren und ihren Charakter, die diese Geschichte erleben könnten.
Die Besetzung der Figuren passiert erst ganz am Schluss und ist Sache des Regisseurs. Selbstverständlich darf ich Vorschläge machen, und weil ich mit Luisi befreundet bin, prüft er diese auch. Ihm ist die Harmonie zwischen den Schauspielern sehr wichtig, denn Unstimmigkeiten während der Dreharbeiten sind verheerend! Es sollen familiäre Verhältnisse herrschen.
Ich kannte damals meinen Spielpartner Vincent Kucholl gar nicht, in der französischen Schweiz ist er ein vielbeachteter Schauspieler, Humorist und auch durch Radiosendungen bekannt – das zeigt einmal mehr, was wir in der Deutschschweiz von der Romandie wissen und sie wiederum von uns. Wir wissen viel zu wenig voneinander.
Also gibt es eine Art Probelauf hinsichtlich der schauspielerischen «Kompatibilität»?
Peter Luisi rief mich eines Abends an und sagte, er habe wohl jemanden, der zu mir passe. Auf meine Frage hin, ob dieser Deutsch spreche, kam ‹Nein›, was mich stutzen liess. Luisi meinte aber, ‹das geht schon›.
Bei einem gemeinsamen Mittagessen in Zürich gab sich der Lausanner sehr klassisch dem Kli-schee entsprechend: er wartete erst mal 20 Minuten ab, ob Luisi und ich wirklich kein Französisch reden können. Erst als Kucholl merkte, dass die Karre im Sumpf steckt, begann er zögerlich, ein wenig Deutsch zu sprechen.
Ich möchte behaupten, dass durch diese intensive Zusammenarbeit mehr passiert ist als blosses «schauspielern». Eine wirklich grossartige Zeit, die zu einer Freundschaft führte.
Wenn ein Film abgedreht ist, wie kritisch bist Du bei der Betrachtung des Ergebnisses?
Während der Schnittphase war ich im Freilichtmuseum Ballenberg engagiert. Dort wird jedes Jahr ein Theaterstück aufgeführt, und für 2023 hat man mich gebeten, ein solches zu schreiben und auch als Schauspieler mitzuwirken.
Somit bekam ich nichts mit, bis mich ein Co-Produzent des Film besucht hat. Als erste Kritiker fungieren engste Freunde des Regisseurs und direkt am Film Beteiligte. Deshalb wusste ich, dass der Co-Produzent bereits den Rohschnitt gesehen hatte. Auf meine Nachfrage, wie ihm dieser gefalle, kam ein undefinierbares Brummeln und wenig überzeugendes ‹Wir sind happy›. Sofort rief ich Peter Luisi an, wollte wissen, was das Umfeld gesagt habe, und erhielt eine wenig euphorische Rückmeldung … Ich war niedergeschmettert.
Umso überraschender ist nun der Erfolg, denn «Bon Schuur Ticino» haben inzwischen über 380 000 Zuschauerinnen und Zuschauer gesehen. Damit reiht er sich in die Liste der erfolg-reichsten Schweizer Filme («Die Schweizer-macher», «Grounding», «Die göttliche Ordnung») ein. Wir freuen uns wirklich sehr über diesen Erfolg.
Bis der Film ins Kino kommt, muss er vorgeführt werden; wem?
Nach den Korrekturen entsprechend der Kritik und Anregung engster Freunde findet ein Scree-ning während zwei, drei Vorführungen mit einem gänzlich unabhängigen Publikum statt. Dort darf niemand aus der Filmcrew anwesend sein. Natürlich werden die Lacher registriert und zum Schluss wird vom Publikum ein Fragebogen ausgefüllt. Solche Auswertungen sind sehr zuverlässig, und die Regie korrigiert nach Möglichkeit nach.
Der ganz grosse Genuss ist dann schon, wenn die Szenen, welche man sich zuvor ausgedacht und erarbeitet hat, auch wirklich zu den entsprechenden Reaktionen im Publikum führen.
Spannenderweise gibt es Sequenzen, welche von uns nicht als Gag geplant worden sind und Lacher ernten, die der Situationskomik geschuldet sind. Für uns Überraschungsmomente *freut sich*.
Die Aussage des Filmes?
Wir nehmen es als selbstverständlich, dass wir in einem so kleinen Land mit so vielen Sprachen miteinander auskommen. Das ist es aber nicht. Und das vergessen wir manchmal. Das will der Film aufzeigen.
Du hast sehr spontan zugesagt, hier in Richterswil ein paar Worte ans Publikum zu richten. Warum?
Da gibt es einige Gründe. Wenn sich Menschen zusammenfinden an einem Anlass wie heute Abend im Openair-Kino, entstehen soziale Kontakte durch ein gemeinsames Interesse, dann freut mich das.
Der emotionalste Grund jedoch ist folgender: Ich komme aus einer Familie, in der Kunst in jeglicher Form nicht von Bedeutung war. Wenn aber eine Grösse wie Ruedi Walter im Dorf aufgetreten ist, dann ging mein Vater mit mir ins Theater. Mich faszinierte das Schauspielern, und ich wurde mir bewusst, dass man auch ohne entsprechende Verwandtschaft und Kontakte Schauspieler werden kann. Dieser Berufswunsch kann Wirklichkeit werden. Und wenn ich mit meiner Anwesenheit und meinem Schaffen einen jungen Menschen erreichen kann, der sich vorher nicht getraut hat, seine Träume zu verfolgen – oder auch Eltern, die erkennen, dass die Vorschläge des Berufsberaters keine Option bietet – dann ist das einfach grossartig.
Und rein wirtschaftlich gesehen ist es die Aufgabe der Filmschaffenden, ihr Produkt zu bewer-ben. Zudem registrieren die Kinobetreiber einen höheren Zuschauerstrom bei Anwesenheit eines Schauspielers oder Regisseurs.
Beat, herzlichen Dank für Deine Zeit und Offenheit.
Gern, und viel Spass beim neuen Schweizer Film «Bon Schuur Ticino»!