Feuilleton Wädenswil

Battle for Change – ein Hilfsprojekt von Francesca Dougan

Die Influencerin Francesca (Franny) Dougan alias almost.cesca will ihren Bekanntheitsgrad als Influencerin nutzen, um Gutes zu tun. Sie hat ein Projekt lanciert, womit sie eine Schule in Nepal unterstützen möchte.

Text & Bild: Ingrid Eva Liedtke

Francesca Dougan ist 20 Jahre alt und hat sich mit ihrem lustigen Content zum Thema Dyslexie eine grosse Follower-Community erarbeitet. Comedy, Spass haben und lachen sind ihr wichtig im Leben, weil sie, wie sie sagt, Freude spenden möchte. Sie möchte ihre Follower mit Comedy unterhalten und ihnen auf spielerische Weise helfen, mit den Schwierigkeiten einer Lese- und Schreibschwäche umzugehen. Unterdessen ist Franny alias almost.cesca so erfolgreich, dass sie mit Social Media ihre Brötchen verdient.

Mehr als nur «Spassmachen»

Die junge Frau gibt sich aber nicht zufrieden mit dem «Spassmachen». Sie weiss, dass es auch die dunkle Seite des Lebens gibt und dass nicht alle Menschen so privilegiert sind, wie sie. «Ich hatte plötzlich den Wunsch, etwas ‹sinnvolleres› zu tun. Ich wollte etwas bewirken.»

Darum reiste sie mit ihrer Mutter nach Nepal, um eine Schule zu besuchen, mit den Kids dort zu tanzen und ein Hilfsprojekt zu starten.

Neue Themen und Ideen

Franny: «Ich hatte schon ein Projekt zum Thema Frauengesundheit gemacht, was ich als sehr sinnstiftend empfunden habe. Das liess in mir den Drang entstehen, weitere solcher Projekte zu verfolgen, das heisst nicht nur Comedy, sondern eben auch Content, der weniger kurzlebig ist. Die erste Idee dazu war ein Dance-Battle in der Schweiz zu organisieren, um mit meiner Reichweite Geld für einen guten Zweck zu sammeln.»

Man ist geneigt zu fragen, ob sich mit zunehmendem Alter ihre Themen verschoben haben. Sie sagt dazu: «Das ist möglich und hat auch mit meiner Erfahrung zu tun. Ich habe nun eine gewisse Sicherheit erlangt in dem, was ich tue. Darum fühle ich mich nun in der Lage, selbst etwas auf die Beine zu stellen und ja, da ist das Bedürfnis nach etwas Sinnstiftendem.»

Der Erlös des geplanten Dance-Battles wollte Franny zuerst dem Verband Dyslexie Schweiz spenden. Doch schliesslich entschied sie sich, weiter nach einem Projekt zu suchen, das mehr Dringlichkeit hatte.

Keine unwesentliche Rolle spielt bei der Geschichte Frannys Mutter Nadja Dougan. Sie erinnerte sich an eine Begegnung mit einer Freundin und deren Erzählung vom Hilfsprojekt ihrer Schwester: Nicole Thakuri-Wick kam 1992 zum ersten Mal nach Nepal und verliebte sich in das Land, seine Menschen und seine Kultur. Tief schockiert von der Armut, verspürte sie den Drang zu handeln und den auf der Strasse lebenden Kindern zu helfen. Sie war 23 Jahre alt, als sie beschloss, diesen Kindern ein Zuhause, eine Ausbildung und Hoffnung auf eine bessere Zukunft zu geben. Am 1. September 1993 wurde Nawa Asha Griha, Home of New Hopes, ein Zufluchtsort für diese Kinder, ins Leben gerufen. Es wurde mit Hilfe von Nicoles Mutter, Judith Wick, die mehr als 20 Jahre lang die gesamte Spendensammlung in der Schweiz durchführte, einem engen Freund – Dr. Frédéric Perrier, der bis heute Teil des Stiftungsrats ist –, und der Organisation «Les Enfants du Nepal», sowie Spenden von Freunden und Familie, die alle NAG bis heute unterstützen, ins Leben gerufen. Auch ihr Mann, Jeeten Thakuri, den sie 1996 heiratete, unterstützte sie sehr und dank ihm wurde die Schule später offiziell registriert. Die Schule, die nach ihrem verstorbenen Sohn Niten Memorial School benannt wurde, hat das Ziel, nicht nur die Kinder im Heim zu unterrichten, sondern auch Tagesschüler, die eine gute Ausbildung benötigen. Im Jahr 1998 wurde NAG in der Schweiz offiziell als Stiftung Strassenkinder Hilfswerk NAG registriert. Im Jahr 2008 verstarb Jeeten Thakuri leider, doch NAG machte weiter, ehrte sein Andenken und wuchs über die Jahre in Grösse und Qualität. Angefangen mit nur sechs Kindern in vier gemieteten Zimmern, wuchs das Heim im Laufe der Zeit zu dem Ort, den wir heute kennen und unterrichtet jährlich über 450 Kinder, von denen 200 im Heim leben. Im Bestreben, den Kindern in Nepal eine gute Ausbildung und ein gutes Zuhause zu bieten, ist NAG zu einem Zufluchtsort für diejenigen geworden, die sonst niemals eine Chance auf ein anständiges Leben erhalten würden. So wird die Geschichte auf der Homepage von NAG eindrücklich geschildert.

Das NAG, eine Schule, die Spendengelder braucht

«Damals dachte ich», so Nadja Dougan, «diese Schule möchte ich mal besuchen, da ich auch Lehrerin bin. Nicole Thakuri-Wick macht alle zwei Jahre eine Infoveranstaltung (in Horgen) um Geld für ihre Schule zu sammeln, doch bisher kam es nie dazu, dass ich an einen solchen Anlass gehen konnte. Weil Franny ein Projekt suchte, habe ich meine Freundin angerufen, um mich nach dem Projekt ihrer Schwester zu erkundigen. Dabei haben wir herausgefunden, dass auch ihre Schwester Nicole Legasthenikerin ist und darum Frannys Account folgt.»

An der Idee, ein Dance Battle (Tanzwettbewerb, bei dem immer zwei Tänzer vortanzen und dann einer ausscheidet) in der Schweiz zu veranstalten, hielt Franny anfangs fest in der Absicht, das Geld dann der Schule in Nepal zu spenden.

Eine Reise nach Nepal

«Doch dann», erzählt Franny, «wurde mir schnell bewusst, dass ich diese Schule und die Kinder zuerst kennenlernen wollte, um zu spüren und zu erleben, was da gebraucht wird. Da meine Mutter und ich sowieso vorhatten Ferien zu machen, und wir nun beide unbedingt diese Schule kennenlernen wollten, beschlossen wir zusammen nach Nepal zu reisen.»

Planung

Nach einem Kennenlern-Videocall mit Nicole Thakuri-Wick wurde die Reise geplant. Einiges musste abgeklärt werden: Was ist möglich, was konnte und durfte man filmen, wie sind die Datenschutz-Bestimmungen, wann ist die beste Zeit um mit den Schülerinnen und Schülern zu tanzen, wann kann man sie filmen. 

Nadja: «Wir sahen auf der Website, dass die Schule eine Tanzgruppe hat. Alles schien sehr easy und unkompliziert zu werden.»

Franny lacht: «Für die Schweizerin in mir schien alles beinahe zu einfach. Aber tatsächlich haben wir uns mit Nicole auf Anhieb super verstanden; der Funke sprang, ich fühlte mich wohl und konnte mir sofort vorstellen, dass wir da etwas auf die Beine stellen könnten. Die Planung erwies sich dann doch als anspruchsvoll, weil alles offen war.»

Nadja: «Wir haben nur die Zeitpunkte von An- und Abflug fixiert. Der Rest blieb offen.»

Für Francesca Dougan wurde schnell klar, dass sie die Umsetzung ihres Projektes möglichst klar visualisieren wollte. 

«Mir wurde schnell bewusst, dass ich nicht gleichzeitig vor und hinter der Kamera stehen konnte. So dachte ich an diesen Freund von mir, Ben, der ein guter Video-Filmer war. Ihn habe ich kontaktiert und gefragt, ob er mit uns in drei Wochen nach Nepal fliegen wolle. Er sagte sofort und ohne zu zögern zu. Dann folgten noch zwei Online-Meetings zur Content-Planung. Das war nicht so leicht, weil wir ja nicht wussten, was uns erwartete.»

Geplante Videos

Zuerst sollte eine Doku gepostet werden, die alles zusammenfasst. Dann ein Video, das zeigte, wieviel man in Nepal mit 20 Franken kaufen kann. Damit sollte verdeutlich werden, was schon 20 Franken als Spende bedeuteten. Darauf sollte ein Video folgen, worin nepalesische Süssigkeiten probiert werden – ein Funvideo! Dann wurde der Open-Gate-Tag gefilmt – ein sehr emotionaler Tag, denn dann können sich die Kinder für die Schule bewerben, wobei nur wenige Kinder angenommen werden können.

Franny: «Da dabeizustehen, mit der Kamera, war sehr bewegend.» 

Alles in allem sind sieben Youtube-Videos und eine Dokumentation, die auch auf Youtube gezeigt wird, entstanden. Die Videos werden gestaffelt, wöchentlich, erscheinen. 

Empfang mit offenen Armen

Nadja Dougan erinnert sich gerührt: «Als wir ankamen, wurden wir mit Liebe und offenen Armen empfangen. Schnell wurde uns klar, dass Nicole für uns einiges an Besichtigungen eingeplant hatte. Wir sollten und wollten ja das Land kennenlernen.»

Franny lacht: «Damit war dann unsere Planung teilweise ausgehebelt. Wir begannen zu improvisieren, planten jeden Abend für den nächsten Tag, mussten da ein bisschen kürzen und dort ein wenig erweitern. Es war super, dass Ben so strukturiert arbeiten konnte und trotzdem flexibel blieb! Ich kenne niemanden, der so kreativ und doch so geordnet ist.» Nadja: «Im ganzen Chaos konnte er immer die Ruhe bewahren, selbst wenn er emotional sehr aufgewühlt war.»

Tanzen

Das Tanzen war ein Hauptanliegen des Projektes geblieben. Franny tanzte mit insgesamt 40 Kindern im Alter von 6 bis 18 Jahren einen Tanz, den sie, noch in der Schweiz, choreografiert hatte. Täglich wurden 2 Stunden lang geübt.

Tanzen (Afrodance und HipHop) ist das Hobby der jungen Influencerin, Sie geht oft an Dance Battles und dreimal pro Woche ins Tanztraining. Für die Choreografie musste sie ein lizenzfreies Lied finden.

«Ich bekam ein Lied von einem Kollegen, Mik Ivy, Balthazard, «Prince» – und die Rechte dazu. Ein Video zeigt den fertigen Tanz zu diesem Lied.» 

Ein neuer Tanzsaal

Die Tänzerinnen und Tänzer tanzten in einem Tanzraum mit altem Spannteppich, der sich wellte und einem kaputten Spiegel – und da wurde Franny mit einem Mal der Spendenzweck klar: «Ich brauche das Filmmaterial als Werbung und als Aufruf für die Spendenaktion für einen neuen Tanzraum!»

Für die Renovation des Tanzsaals werden ca. 3000–5000 Franken benötigt. Es braucht einen neuen Boden, neue Farbe, Risse müssen verspachtelt werden, die Spiegel ersetzt etc. Dazu kommt, dass nicht alle Materialien so leicht erhältlich oder von schlechter Qualität sind. Spiegel, zum Beispiel sind sehr teuer. 

Doch, wie Nadja Dougan ergänzt, brauche die Schule, abgesehen davon, immer Geld. Es brauche auch einen Aufenthaltsraum, einen Musikraum – an jeder Ecke bestehe Bedarf. Franny: «Darum bin ich noch lange nicht fertig mit diesem Projekt. Wir werden nächstes Jahr wieder hinfahren!»

Beide, Mutter und Tochter, wollen zurückkehren und es hört sich an, als ob es eine Heimkehr werde. So fühle es sich an, bestätigen beide: «Die Kinder weinten, als wir gingen, und machten uns kleine Geschenke, obwohl sie nichts haben. Es fühlte sich an wie Familie». 

Nachhaltigkeit und Diversität

Was noch wichtig ist zu erwähnen», so Nadja Dougan: «Diese Schule arbeitet nachhaltig. Es wird darauf geachtet, keinen Plastik zu verwenden. Es gibt eine eigene Klinik, eine eigene Bäckerei, die Schule ist ein Internat und auch offen für externe Schüler. Es gibt eine eigene Bibliothek, jemanden, der allen die Haare schneidet, einen eigenen Videografen, eine Grossküche, das eigene Wasser wird gefiltert. Es gibt ein eigenes öffentliches Café/Restaurant, das sogar Einnahmen generiert. Alles wird selbst gebacken und gekocht. Mich als Lehrerin interessiert das Teacher-Training-Projekt sehr. Es werden Leute so ausgebildet, dass sie in den Dörfern Lehrertrainings machen. Dazu hat die Schule Kontakt zu einer Partnerorganisationen, die solche Lehrertrainings vermittelt. 

Die Nachhaltigkeit geht weiter, da die Schüler, die nun im Studium sind, weiter Wohnrecht haben und sich innerhalb der Schule wieder nützlich machen oder auch wieder Lehrer werden.» Zudem ist die Schule sehr divers. Nicole Thakuri-Wick, die mittlerweile nicht mehr selbst unterrichtet, sondern Schulleiterin ist, sagt: «We don’t make good students, but good people.»

Ein Herzensprojekt

Für die junge Influencerin und ihre Mutter hat dieses Projekt viel mit Herzblut zu tun. Die Erfahrungen, die sie in Nepal gemacht haben, waren prägend. Sie hoffen auf viele Spenden für ihr Herzensprojekt.

Franny: «Es wurde mir bewusst, wie privilegiert wir sind. Wir motzen oft über Dinge, worüber sich diese Kinder nicht beklagen können, weil sie sie nicht einmal kennen. Das lehrte mich zu schätzen, was ich habe.»

Nadja Dougan: «Man hilft sich gegenseitig, auch wenn man nichts hat.»

Die beiden nennen noch ein paar vergleichende Zahlen: Bei Starbucks zahlt man für einen Kaffee schnell 9 Franken. In Nepal kann sich eine Familie mit zwei Kindern davon eine Woche lang ernähren. Ein Monatslohn beträgt um die 100 Franken.

Schliesslich gehe es nicht nur um diesen Tanzsaal, sondern darum, dass man die Kinder und diese Schule nicht vergesse. Auch Weihnachten wird wieder kommen und man soll sich dann, wenn man spenden will, erinnern an NAG, die Schule für Strassenkinder in Kathmandu! n

Spenden für Dance Room: https://www.gofundme.com/f/battle-4-change/donate?source=btn_empty_state_card_donate

www.nagnepal.com

Spendenveranstaltung in der Schweiz: im März 2025 geplant.

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