Wädenswil

Windenergie vom Berg würde Wädenswil zu Selbstversorgern machen

Im Oktober 2022 benannte der Kanton Zürich 52 Eignungsgebiete für Windenergie – eines davon im Wädenswiler Berg, mehrere auf den Hügeln des Pfannenstiels. Während die Standorte am rechten Seeufer vorläufig wegen Konflikten
mit der Aviatik nicht weiterverfolgt werden, soll der Standort Wädenswiler Berg im Richtplan eingetragen werden. Dies gab Regierungsrat Martin Neukom am 2. Juli bekannt.

Text & Bilder: Stefan Baumgartner

Eine Steigerung der lokalen Stromproduktion aus erneuerbaren Quellen ist für den Schutz des Klimas und die Versorgungssicherheit entscheidend. Nun gab der Regierungsrat Richtplaneinträge für Windenergie-Eignungsgebiete und die Wasserkraftnutzung sowie eine Vorlage zur Beschleunigung der Verfahren in die öffentliche Anhörung.

Windenergie spielt im aktuellen Strommix der Schweiz kaum eine Rolle, doch soll sich das schweizweit und gerade auch im Kanton Zürich ändern. Den Wind hat viel Potenzial und ist saubere Energie. Auch darum legt der Kanton Zürich Eignungsgebiete fest – eines davon war und bleibt nun auch der Wädenswiler Berg, wie Regierungsrat Martin Neukom an einer Medienkonferenz bekannt gab.
Die vom Kantonsrat verabschiedete Energiestrategie des Kantons Zürich sieht einen starken Ausbau der erneuerbaren Energien vor – unter anderem der Windenergie. Und das vom Volk gutgeheissene Energiegesetz des Bundes beauftragt die Kantone, Eignungsgebiete für die Windenergienutzung in den kantonalen Richtplänen zu bezeichnen. Die Baudirektion setzt diese Aufträge momentan um, indem sie die entsprechende Planung vorantreibt. In einem ersten Schritt hat sie eine Modellierung der Windverhältnisse auf 100 Metern über Grund vorgenommen. Diese wurde mit Ausschlusskriterien abgeglichen: ungenügendes Windpotenzial, Nähe zu bewohnten Gebäuden (Lärm), Flugverkehr und Infrastrukturanlagen, schützenswerte Fauna und Flora, Landschafts- und Kulturgüterschutz, Gewässer – und so weiter. Resultat ist eine Karte mit 20 Potenzialgebieten, in denen es möglich sein und es sich lohnen könnte, Windenergie zu nutzen.

Windkraft im Kanton Zürich?

Wer am Zürichsee wohnt – und vielleicht auch segelt – weiss: Starkwinde sind hier selten. Und doch würden sich Gebiete rund um den Zürichsee für die Stromproduktion durch Windkraftanlagen eignen – und auch lohnen. Am Wädenswiler Berg, 100 Meter über Boden – weht der Wind im Jahresdurchschnitt mit über 5 Meter pro Sekunde – genügend, um gewinnbringend Strom produzieren zu können. So sieht der «Steckbrief Potenzialgebiete» einen Jahresertrag von 30 GWh mit drei Anlagen als realistisch an. Mit dieser Menge an Energie könnten alle Privathaushalte in Wädenswil mit Windkraft vom Wädenswiler Berg beliefert werden.
Und der Wädenswiler Berg hat einen weiteren Standortvorteil: er ist gut erreichbar und damit leicht erschliessbar.
Dass die vom Regierungsrat veröffentlichten Daten keine Illusion sind, zeigte ein Besuch im Windpark Verenafohren, dem ersten Windpark im Landkreis Konstanz, gleich an der Grenze zum Kanton Schaffhausen. Hier haben sich in der IG Hegauwind Bürger, Stadt- und Gemeindewerke der Region gemeinsam engagiert und nach nur vierjähriger Planungs- und zweijähriger Bauzeit den Standort «Verenafohren» entwickelt. (Zum Vergleich: 25 Jahre Planungs- und Bewilligungsverfahren und zwei Jahren Bauzeit wurden für den Windpark im waadtländischen Ste-Croix benötigt, der 2023 in Betrieb genommen wurde.)
Die Elektrizitätswerk des Kantons Schaffhausen AG (EKS) sowie die SH Power haben sich an diesem Windpark beteiligt. Mit drei Schwachwindanlagen – es herrschen auf dem Randen ähnliche Windverhältnisse wie auf dem Wädenswiler Berg – produziert der Windpark seit Juni 2017 gut 20 Mio. kWh pro Jahr, das entspricht bilanziell dem privaten Strombedarf von etwa 20 000 Menschen. Für die örtliche Bevölkerung sowie die Betreiber eine Erfolgsgeschichte. «Die Mitglieder unserer Genossenschaft nehmen die Energiewende sehr ernst. Seit 2011 suchen wir vor Ort und mit viel Engagement nach Möglichkeiten, regenerative Energieerzeugung und dezentrale Strukturen zu initiieren und zu fördern. Denn uns ist klar, dass auch wir Bürger unseren Beitrag zu leisten haben und die Opfer nicht immer nur von anderen erwarten dürfen», lässt sich Andreas Klatt, Vorstand Bürger-Energie Bodensee eG, zitieren.
Und auch viele Ängste oder Bedenken, die aus der Bevölkerung kommen könnten, werden von den Betreibern dieses Windparks entkräftet: Die Artenvielfalt im Wald um die Windräder habe eher zugenommen, und ein Schweizer Landwirt und Gemeinderat einer Zürcher Gemeinde bemerkte während der Begehung, dass die breite, {nicht betonierte) Forststrasse der Waldbewirtschaftung eher nütze, als ein unwegsamer, schmaler Waldpfad. Ein Akustiktest zeigte auch: in 500 m Abstand ist von den Windrädern nichts zu hören, auch unmittelbar unter dem Rad ist eine Konversation in normaler Lautstärke möglich.

Diese drei Windräder sind jedoch nur rund 200 Meter hoch; aus Effizienzgründen würden im Kanton Zürich Windräder gebaut werden, die maximal 260 Meter hoch sind.

Noch kein konkretes Projekt – Chance für Wädenswil

Wohlverstanden: ein entsprechender Eintrag im Richtplan löst kein Projekt für eine Windkraftanlage im Wädenswiler Berg aus. Der Kanton Zürich selbst baut keine Windräder. Es würden lediglich die planerischen Grundlagen geschaffen. Konkrete Projekte würden in der Folge von Unternehmen wie zum Beispiel der Axpo oder den Elektrizitätswerken ausgearbeitet. Denkbar wäre aber auch ein Projektierung durch die Stadt Wädenswil oder einem regionalen Energieverbund, auch möglich mit Bürgerbeteiligung. Landeigentümer würden für jährliche Stromerträge im Plangebiet fair entschädigt, regionale Wertschöpfung durch lokale Firmen, Finanzierung und Vermarktung über lokale Banken sichergestellt. Umstände, die zu einem attraktiven Strompreis mit Versorgungssicherheit beitragen würden.

Planauflage

Der Richtplanentwurf mit den insgesamt 20 Festsetzungen und 15 Zwischenergebnissen liegt nun bis am 31. Oktober öffentlich auf. Alle Interessierten können sich in dieser Zeit dazu äussern. Das Ergebnis der öffentlichen Auflage bildet die Grundlage für einen anschliessenden Antrag des Regierungsrates an den Kantonsrat. Der Kantonsrat entscheidet abschliessend über den Eintrag von Eignungsgebieten für die Windenergienutzung im kantonalen Richtplan

Beschleunigungsverfahren

Nur in rechtskräftig im Richtplan eingetragenen Eignungsgebieten können dereinst Windenergieanlagen entstehen. Entsprechende Projekte müssen ein Nutzungsplanungs- und Baubewilligungsverfahren inklusive Umweltverträglichkeitsprüfung durchlaufen. In Übereinstimmung mit den Bestrebungen auf Bundesebene und in anderen Kantonen, schlägt der Regierungsrat vor, das Bewilligungsverfahren für grosse Windenergieanlagen zu beschleunigen. Es soll ein kantonales Plangenehmigungsverfahren zur Anwendung kommen, wie heute schon für Hochwasserschutzprojekte und Kantonsstrassen. Grosse Windenergieanlagen sind ebenso wie diese von gesamtkantonalem Interesse. Das Bewilligungsverfahren dauert heute zu lange. Doch die Zeit zur Sicherstellung der Energieversorgung drängt. Mit dem kantonalen Plangenehmigungsverfahren verkürzt sich der Instanzenweg, die Einspracherechte bleiben jedoch vollumfänglich gewahrt. Zudem schlägt der Regierungsrat eine freiwillige Investitionsbeteiligung für Gemeinden und Bevölkerung und eine freiwillige Zahlung von Betreibern von Windenergieanlagen an Gemeinden vor, um Windparkprojekte regional stärker zu verankern und die Regionen stärker davon profitieren zu lassen. Die ensprechenden Änderungen des kantonalen Energiegesetzes gehen zeitgleich mit der öffentlichen Auflage der Richtplanvorlage in eine Vernehmlassung.

Fazit

Klar: über die Optik und den Eingriff in die Landschaft kann gestritten werden. Doch man muss wissen: Es ist physikalisch unmöglich, ohne Eingriff in die Natur Energie zu erzeugen. Immerhin: Dadurch, dass die Potenzialgebiete am anderen Seeufer wegen Konflikten mit Bundesinteressen fallengelassen, bzw. als «Zwischenergebnis» präsentiert werden, bis sich entweder da oder dort etwas ändert, bleibt der Ausblick über den See ungetrübt.

Als durchschnittlicher EKZ-Haushalt gilt ein Dreipersonenhaushalt mit einem Jahresverbrauch von 2500 kWh. Bei 12 066 Haushalten ergibt sich so ein Jahresverbrauch von 30 165 000 kWh (30 165 gWh).

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