Wädenswil

Eine Parlamentsfeier mit Stadionatmosphäre

Am Samstag, 6. Juli, feierte Wädenswil die Gründungs des Parlaments vor 50 Jahren und damit den Übergang von einer Versammlungs- zur Parlamentsgemeinde. Da der Beginn der Feier in der Kulturhalle just mit dem Anstoss des EM-Viertelfinals Schweiz–England zusammenfiel, spielte auf der Glärnisch-Bühne anstatt der «Harmonie» die Schweizer Nati – zumindest auf Grossleinwand.

Text & Bilder: Stefan Baumgartner

Am Samstagmorgen verteilten sich die Gemeinderäte im Dorf, dass jetzt eben Stadt ist, und machten Werbung für das Abendprogramm in der Kulturhalle. So fanden sich beim Eck Zuger-/Schönenbergstrasse die Gemeinderätin Karin Signer und die Gemeinderäte Thomas Koch, Joël Utiger und Clemens Schroedter. Sie verteilten Flyer und animierten Passanten zum Besuch der Festlichkeiten. Wie Thomas Koch erzählte, ergaben sich so auch spannende Gespräche zum politischen Leben in der Stadt.

Da der Musikverein Harmonie auf den Auftritt zum Auftakt der abendlichen Feierlichkeiten verzichtete, kam Wädenswil doch noch zu einem grossen Public Viewing: Alle Wädenswilerinnen und Wädenswiler konnten zuerst gemeinsam während den spannenden 120 Minuten mit anschliessendem Penaltyschiessen mit der Schweizer Nationalmannschaft hoffen und bangen, ehe der amtierende Gemeinderatspräsident Nicolas Rasper die Festgemeinde begrüsste. Er freute sich, dass die Bevölkerung so zahlreich erschienen ist und hoffte, dass die Feierlaune nicht abreissen würde – auch wenn die Schweiz ihren Viertelfinal verlor. Er wies in seiner Rede daraufhin, dass die Eintrittsschwelle in die Politik in Parlamentsgemeinden wesentlich tiefer sei, man sehe dies auch bei Kantonsratswahlen, wo auffallend viele Kandidatinnen und Kandidaten aus Parlamentsgemeinden antreten würden. Man könne der Exekutive auch «ganz genau auf die Finger sehen», machte er einen weiteren Vorteil eines Gemeindeparlaments aus.
Die Grussworte der Zürcher Regierung überbrachte der einheimische Regierungsrat Ernst Stocker: Es sei eine etwas schwierige Ausgangslage, meinte er: «Alli lönd es biz de Näggel hange», sprach er auf das Fussballresultat an – und jetzt solle er noch über das Parlament reden. Er wies auf die Unterschiede zwischen Gemeindeversammlung und Parlament hin: Ohne Partei im Rücken sei es fast unmöglich, ins Parlament zu kommen. Da sei früher anders gewesen. Auch verglich er die «Performance» zwischen Wädenswil und Horgen, der Gemeinde ohne Parlament. So sei die Steuerkraft in Horgen zwar grösser, in Wädenswil würde aber mehr für Wohneigentum bezahlt als in der Nachbargemeinde seeabwärts. Für den Finanzdirektor, für den solche Zahlen zentral sind, sei es deshalb schwierig zu beurteilen, wer es besser gemacht habe in den letzten 50 Jahren.

Philipp Kutter dankte für die Einladung, die nicht selbstverständlich sei und wies darauf hin, dass es zwischen Gemeinde- und Stadtrat manchmal knistere – wie bei einem alten Ehepaar, das sich gut kenne, aber gleichzeitig den Eindruck habe, wenn der andere etwas besser zuhören würde, wäre das Zusammenleben einfacher. Das gehöre aber dazu, man habe auch unterschiedliche Rollen. Ihm sei wichtig festzuhalten, wie unendlich wichtig die Arbeit des Gemeinderats sei: Er repräsentiere die Bevölkerung und erfülle diese Arbeit sehr gut. «Das Leben für den Stadtrat wäre ohne Gemeinderat manchmal schon etwas einfacher – aber für Wädenswil ist es so besser!» Schliesslich danke er den Parlamentsmitgliedern für ihren Einsatz.
Nur kurz nach ihrem tollen Konzert an gleicher Stelle lockerte der Chor rezeptfrei mit seinem Intermezzo die Stimmung und das Publikum auf.
Historiker Adrian Scherrer lieferte einen Überblick zur Entstehung des Parlaments. So erfuhren die Anwesenden, dass erste Diskussionen über eine Parlamentseinführung bereits 1906 stattgefunden haben. Den Abschluss der Reden machte das älteste Parlamentsmitglied, Charlotte Bär. Sie liess ihre 28 Jahre, fünf Monate und drei Wochen Parlamentsarbeit Revue passieren und liess das Publikum teilhaben an ihrer Motivation zur politischen Arbeit. Mit dem Auftritt der Ländlerformation Raphael Fuchs & Co endete schliesslich ein feierlicher Abend, dem nur ein positives Resultat der Schweizer Fussballer gefehlt hat.

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