Wädenswil

Kinderohren spitzen – Musikalische Grundlagen ­fördern

Der Musikschulleiter Martin Albrecht hat sich mit Marzella Durschei zum Gespräch getroffen.

Martin Albrecht: Marzella, Du unterrichtest seit vielen Jahren Musik. Zuerst musikalische Grundbildung (MG) und seit einiger Zeit das Eltern-Kind-Musizieren (ElKiMu) und nun ganz neu die Krabbelmusik für Kinder ab ca. einem Jahr. Ich habe vor einiger Zeit einen Artikel über die Förderung der musikalischen Grundlagen geschrieben (er ist auf der Musikschulwebseite unter «Angebot, Beratung» zu finden). Was ist Dir spontan durch den Kopf gegangen, als Du den Text gelesen hast?
Marzella Durschei: Natürlich ganz viel … Auf der einen Seite ist es schön, dass wir heute immer und überall Zugang zu Musik haben. Auf der anderen Seite ist sie oftmals omnipräsent, dass wir sie überhören müssen, um uns auf Anderes konzentrieren zu können. Dadurch bekommt sie eine «Hintergrundrolle».
Vor allem in den Familien hat die Musik oft einen anderen Stellenwert bekommen, denn durch das Smartphone ist sie, auch kombiniert mit Videos, ständig verfügbar. Das hat das selbstverständliche Singen, Tanzen, Kniereiten oder überhaupt die Beschäftigung mit kleinen Kindern in den Familien verändert. Es ist bequem, dem Kind einen solchen «Entertainer» in die Hand geben zu können, damit man selbst Zeit und Ruhe für etwas anderes hat, aber ganz wichtige Interaktionen können dabei verloren gehen. Es kann sogar so weit gehen, dass Kinder die Mimik der Erwachsenen nicht mehr lesen können. Die Kurse «Krabbelmusik» und «ElKiMu» der Musikschule bieten eine gute Möglichkeit, die Musik wieder als bildendes und freudvolles Element in den Tages- und Wochenablauf der Familie zu integrieren.

Unsere Zeit ist von einem sehr hohen Tempo geprägt. Alles geht schnell, wir sind mit der ganzen Welt vernetzt, springen von einem Thema zum anderen, sind ständig erreichbar und werden von Eindrücken geradezu überflutet. Da geht manchmal die so wichtige innere Ruhe verloren.
Das sehe ich auch so. Der Mensch kann nicht nur aufnehmen, irgendwann ist das «Gefäss» voll. Er muss das Aufgenommene auch verarbeiten und nachklingen lassen können. Die Zeit dazu fehlt oftmals. Konsumieren ist verführerisch und regt stetig zu weiterem Konsum an. Das Schaffen von Leerräumen, um mit all unseren Sinnen hinzuhören und auch in uns hineinzuhören, ist auch für Kinder besonders wichtig. Und hier sind wir beim aktiven Musikhören, das oft erst wieder erlernt werden muss.
Es bietet sich an, die Natur und die ganze Umgebung mit all ihren Geräuschen und Klängen wieder bewusst wahrzunehmen. Ein Vogel, ein Auto, Regentropfen an der Fensterscheibe, Kirchenglocken oder wie die Schneeflocken unhörbar tanzen und der Schnee alle Geräusche dämpft usw. Das sind alles akustische Vorgänge, die uns mehr oder weniger beeinflussen. Wie wirken sie auf mich? Was lösen sie in mir aus? Hier kann das aktive Hören gezielt wieder gepflegt werden.


Wie führst Du die Kinder im Unterricht an das bewusste Hören heran?

In meinem Unterricht nehme ich Bezug auf den Tages- und Jahreslauf. Die verschiedenen Jahreszeiten und teilweise auch die kulturellen Feste bieten eine ideale Grundlage mit passenden Liedern, Geschichten, Sprüchen oder Spielen. Es geht mir darum, die Kinder über alle Sinne anzuregen und zu sensibilisieren. Ich versuche dann, die Eigeninitiative, die kreativen Reaktionen der Kinder aufzugreifen und in den Unterricht einzubauen. Rhythmische Elemente sind eine gute Ergänzung oder Abwechslung zum aktiven Zuhören. Mit Bodypercussion, Klatschen oder Tanzen können sich die Kinder bewegen und ihren Körper einsetzen, und gleichzeitig werden rhythmische Elemente gepflegt. Auch beim Singen, beim Spielen auf einfachen Instrumenten oder bei Gruppenspielen können die Kinder aktiv werden.

In Deinen Kursen sind neben den Kindern auch ein Elternteil dabei. Wie beeinflusst die Gruppe den Unterricht?
Wie gesagt nehme ich Impulse aus der Gruppe auf und lasse sie in den Unterricht einfliessen, vertiefe oder entwickle sie weiter. In einer Gruppe beeinflusst man sich gegenseitig, man wird inspiriert, es entsteht etwas. Ein Austausch findet statt, verschiedene Sozialformen werden spielerisch erlernt, man kommt in einen Flow. Ausserdem verbinden gemeinsame Erlebnisse und die Erfahrungen verstärken sich in der Gemeinschaft.

Nun noch zu einem anderen Angebot, das die Musikschule neu mit Dir anbietet. Das Angebot heisst «Ausdrucksförderung». Was darf man darunter verstehen und wie muss man sich den Unterricht vorstellen?
Die Ausdrucksförderung hat einen therapeutischen Ansatz. Der Mensch steht im Mittelpunkt, und die Themen werden nach einem Vorgespräch individuell auf die Person abgestimmt. Ziele können sein, persönliche Prozesse zu begleiten, ihnen Ausdruck zu verleihen und die eigenen Ressourcen zu stärken. Das Angebot eignet sich auch für Menschen, deren sprachliche Ausdrucksfähigkeit erschwert oder blockiert ist. Musikalische Vorkenntnisse sind nicht erforderlich.
Die Ausdrucksförderung richtet sich an Kinder oder Erwachsene, die sich im erkundenden, improvisatorischen Spiel mit leicht spielbaren Instrumenten und/oder der Stimme fernab von Leistung ausdrücken möchten. Ausdrucksförderung findet hauptsächlich im Einzelunterricht statt, je nach Situation sind aber auch Kleingruppen möglich. Für Kinder eignet sich der wöchentliche Unterricht, für Erwachsene ein Abonnement. Ein Schnuppern ist sinnvoll und erwünscht.

Ich danke Dir für den Austausch, für Deine Gedanken und Erläuterungen.

Da dieser Artikel nach dem Anmeldschluss erscheint, sucht die Musikschule bei konkreten Anfragen gerne nach einer individuellen Lösung.

Teilen mit: