Sexueller Missbrauch findet überall statt: im Kinderzimmer, Ferienlager, Büro, in Vereinen, in Kirchen und der Öffentlichkeit. «Be Unlimited» macht es sich am Infoabend «uns | ich | er» vom 11. April zur Aufgabe, Interessierte zu informieren und zu ermutigen in der Unsicherheit hinzusehen und zu handeln.
Text: Reni Bircher
Traurige und schockierende Wahrheit ist, dass in der Schweiz jedes vierte Mädchen und jeder siebte Junge während der Jugend mindestens einmal sexuell missbraucht wird. Viele fühlen sich stigmatisiert, verraten, wertlos, schuldig. Mögliche Reaktionen Betroffener sind Rückzug, andere legen ein aggressives Verhalten an den Tag. Eine Gewichtung der einzelnen Faktoren lässt sich kaum vornehmen. Fest steht: der sexuelle Missbrauch ist ein traumatisches und damit lebensbestimmendes Ereignis.
Dieses sensible und höchst brisante Thema betrifft alle, sei es als Eltern, Lehrer, Betreuer in der Pfadi, KITA, der Kirche, im Sportverein oder als Mitglied der Gemeinschaft. Es gilt Anzeichen zu erkennen und entsprechend zu handeln, denn Wegsehen ist keine Option.
«Be Unlimited» spricht in ihrem Präventionsvortrag über Mythen, Fakten und Konsequenzen des sexuellen Missbrauchs an Kindern und Jugendlichen in der Schweiz und zeigt mögliche Schritte auf, wie Missbrauch verhindert werden kann und wie in einem Verdacht vorgegangen werden kann.
Die Hilfsorganisation
Roy Gerber gründete 2012 den gemeinnützigen Schweizer Verein «Be Unlimited» auf Grund seiner Erfahrungen und Erlebnisse mit Obdachlosen, Missbrauchsopfern und Suchtkranken, zu denen ihn Freiwilligeneinsätze in seiner langjährigen Wahlheimat in den USA führten. Geprägt von diesen Eindrücken gründete er zwei Institutionen, um sich für Menschen in schwierigen Lebenssituationen einzusetzen. Zusammen mit zwei lizensierten Therapiehunden besuchte er fortan Schulen und Lager, beteiligte sich an internationalen Hilfseinsätzen nach Naturkatastrophen und Terroranschlägen.
Zurück in der Schweiz arbeitete Gerber vier Jahre für die Sozialwerke Pfarrer Sieber, bevor er «Be Unlimited» und die «Kummer Nummer» gründete. Zusammen mit einem geschulten Team setzt er sich für Betroffene von sexuellem Missbrauch und Menschen in anspruchvollen Lebenssituationen ein. Zudem bietet der in Horgen aufgewachsene Roy Gerber Workshops, Beratungen und Weiterbildungen an.
«Be Unlimited» ist eigenständig, arbeitet aber eng mit anderen Organisationen zusammen, die sich um Kinder kümmern – wie Schulen, Vereine und Kirchen – und dürfen sich auf einen Beirat von Staatsanwälten, Polizisten, Kinderärzten und weiteren Fachkräften stützen.
Der Präventionsvortrag
Am 11. April informieren Roy Gerber zusammen mit Sozialpädagogin Evelyne Arn. «Wir räumen auch mit der Lüge auf, dass ein Opfer die Schuld am Erlebten trägt, denn das ist nicht wahr», betont Gerber nachdrücklich.
Von der Infoveranstaltung angesprochen werden sollen auch Erwachsene, die einen Missbrauch erlebt und keine Hilfe erfahren haben.
Der Vortrag bietet Hilfestellung bei drängenden Fragen, wie man als Einzelner in der Gesellschaft lernt, sich auf das eigene Bauchgefühl zu verlassen, wenn man glaubt, dass mit einem Kind oder einem jungen Menschen etwas nicht stimmt: Wie soll man reagieren bei einem Verdacht; wie können Eltern ihre Kinder schützen; wie kann minimalisiert werden, dass im Klassenzimmer, Sportclub oder der Kirchengruppe ein Missbrauch geschieht?
«Wir wollen Menschen ermutigen, hinzusehen», erklärt der Geschäftsleiter. Und sie wollen den Tätern das Leben schwer machen, denn: «wo aufmerksame Menschen sind, fallen Taten schwerer.»
Dass dieser Präventionsvortrag stattfinde, habe nichts mit Religion zu tun, sondern mit der Gesellschaft, sagt Pfarrer Mario Pinggera. «Wenn wir als Kirche bei der Gesellschaft nicht hinschauen, dann haben wir keine Relevanz mehr», und ergänzt: «Unser aller Aufgabe ist es, denen zu helfen, die sich selbst nicht helfen können.» Das Anliegen des Informationsabends modifiziert Pinggera noch: «Ich finde noch wichtig zu sagen, dass es in der Schweiz drei Organisationen für Menschen gibt, welche in sich eine Veranlagung zur Pädophilie erkennen.» Auch das wird zur Sprache kommen.
Wie reagieren bei Verdacht?
Schulen, Sportclubs, Kitas, Vereine, Kirchen usw. übernehmen in bestimmten Zeiträumen die Aufsichtspflicht des Kindes, nämlich in der Zeit, in der es sich bei der entsprechenden Institution oder dem Verein aufhält. Die Menschen, die dort arbeiten, sind gesetzlich verpflichtet, bei einem Verdacht eine Gefahrenmeldung zu machen. Das wissen viele nicht, oder unternehmen schlicht nichts. Dann reicht ein Verdacht aus, es braucht keine Beweise, denn die sind nachher Sache offizieller Stellen. Welche Handlungsmöglichkeiten hat jemand Aussenstehendes? Bekannte oder Nachbarn? «Wir bieten gerne Hilfestellung an, wenn es um erste Fragen oder darum geht, eine solche Gefahrenmeldung zu machen», sagt Roy Gerber. Eine solche kann auch online gemacht werden.
«Ein wichtiger Punkt zur Vorstellung von «Be Unlimited» ist, dass die Menschen wissen, dass sie nicht alleine sind mit ihrer Unsicherheit oder Ängsten», fügt der Richterswiler Diakon Andreas Berlinger hinzu. Deshalb ging die Vortragseinladung an alle Schulen und Vereine des Dorfes, um sich bei dieser Gelegenheit unverbindlich informieren zu können. «Wenn die Menschen wissen, ob und wo sie sich melden müssen, um sich über weitere Schritte zu informieren, ist schon viel gemacht.»
Warum in Richterswil?
Andreas Berlinger wurde auf das 2019 erschienene Erstlingswerk «Mein Versprechen» von Roy Gerber aufmerksam und der Pfarreirat plante einen Anlass im Rahmen einer Buchvorstellung. Jedoch durchkreuzte die Pandemie diese Pläne und der Anlass konnte erst im vergangenen Jahr stattfinden.
Bereits damals entwickelte sich die Idee, die thematische Sensibilisierung über sexuellen Missbrauch für die Kinder in Richterswil-Samstagern gesellschaftsrelevant anzugehen. «Die historischen Studien der Missbräuche in der Kirche haben uns im Nachhinein bestätigt, dass wir mit diesem Infoanlass den richtigen Weg eingeschlagen haben», erzählt Berlinger die Zusammenhänge. Da sie keine Fachleute seien, wollte der Pfarreirat Spezialisten auf diesem sensiblen Gebiet hinzuziehen – und wer hätte sich besser geeignet als Roy Gerber und sein Team. «Entscheidend für uns war, dass ‹Be Unlimited› nicht nur in beratender Funktion agiert, sondern aktiv wird und die betroffenen Menschen persönlich aufsucht», ergänzt Berlinger.
Dass «Be Unlimited» für diesen Informationsabend angefragt wurde, erachtet Gründer Roy Gerber als Chance: «Einige Fakten sind schockierend», gesteht er, «aber primär ermutigen wir: zum Hinsehen, wo man nicht hinsehen will; um richtig zu reagieren; den Mut aufzubringen, nach Hilfe zu fragen; einen Weg zu finden, wo man keinen mehr gesehen hat.» n
«uns | ich | er» – Ein Infoabend über ein Tabuthema: Donnerstag, 11. April, 19.30 Uhr,
kath. Pfarreiheim, Erlenstrasse 34, Richterswil
Die Veranstaltung ist offen für alle, unabhängig von Wohnort, Beruf oder Religion
Ohne Eintritt (Kollekte), eine Anmeldung ist nicht erforderlich.
Am 14. September findet ein Tag der offenen Türe bei «Be Unlimited» in Mettmenstetten statt.
Kummernummer: Tel. 0800 66 99 11 – anonym, diskret, gratis. www.kummernummer.org
www.beunlimited.org
Sexueller Missbrauch findet überall statt: im Kinderzimmer, Ferienlager, Büro, in Vereinen, in Kirchen und der Öffentlichkeit. «Be Unlimited» macht es sich am Infoabend «uns | ich | er» vom 11. April zur Aufgabe, Interessierte zu informieren und zu ermutigen in der Unsicherheit hinzusehen und zu handeln.
Text: Reni Bircher
Traurige und schockierende Wahrheit ist, dass in der Schweiz jedes vierte Mädchen und jeder siebte Junge während der Jugend mindestens einmal sexuell missbraucht wird. Viele fühlen sich stigmatisiert, verraten, wertlos, schuldig. Mögliche Reaktionen Betroffener sind Rückzug, andere legen ein aggressives Verhalten an den Tag. Eine Gewichtung der einzelnen Faktoren lässt sich kaum vornehmen. Fest steht: der sexuelle Missbrauch ist ein traumatisches und damit lebensbestimmendes Ereignis.
Dieses sensible und höchst brisante Thema betrifft alle, sei es als Eltern, Lehrer, Betreuer in der Pfadi, KITA, der Kirche, im Sportverein oder als Mitglied der Gemeinschaft. Es gilt Anzeichen zu erkennen und entsprechend zu handeln, denn Wegsehen ist keine Option.
«Be Unlimited» spricht in ihrem Präventionsvortrag über Mythen, Fakten und Konsequenzen des sexuellen Missbrauchs an Kindern und Jugendlichen in der Schweiz und zeigt mögliche Schritte auf, wie Missbrauch verhindert werden kann und wie in einem Verdacht vorgegangen werden kann.
Die Hilfsorganisation
Roy Gerber gründete 2012 den gemeinnützigen Schweizer Verein «Be Unlimited» auf Grund seiner Erfahrungen und Erlebnisse mit Obdachlosen, Missbrauchsopfern und Suchtkranken, zu denen ihn Freiwilligeneinsätze in seiner langjährigen Wahlheimat in den USA führten. Geprägt von diesen Eindrücken gründete er zwei Institutionen, um sich für Menschen in schwierigen Lebenssituationen einzusetzen. Zusammen mit zwei lizensierten Therapiehunden besuchte er fortan Schulen und Lager, beteiligte sich an internationalen Hilfseinsätzen nach Naturkatastrophen und Terroranschlägen.
Zurück in der Schweiz arbeitete Gerber vier Jahre für die Sozialwerke Pfarrer Sieber, bevor er «Be Unlimited» und die «Kummer Nummer» gründete. Zusammen mit einem geschulten Team setzt er sich für Betroffene von sexuellem Missbrauch und Menschen in anspruchvollen Lebenssituationen ein. Zudem bietet der in Horgen aufgewachsene Roy Gerber Workshops, Beratungen und Weiterbildungen an.
«Be Unlimited» ist eigenständig, arbeitet aber eng mit anderen Organisationen zusammen, die sich um Kinder kümmern – wie Schulen, Vereine und Kirchen – und dürfen sich auf einen Beirat von Staatsanwälten, Polizisten, Kinderärzten und weiteren Fachkräften stützen.
Der Präventionsvortrag
Am 11. April informieren Roy Gerber zusammen mit Sozialpädagogin Evelyne Arn. «Wir räumen auch mit der Lüge auf, dass ein Opfer die Schuld am Erlebten trägt, denn das ist nicht wahr», betont Gerber nachdrücklich.
Von der Infoveranstaltung angesprochen werden sollen auch Erwachsene, die einen Missbrauch erlebt und keine Hilfe erfahren haben.
Der Vortrag bietet Hilfestellung bei drängenden Fragen, wie man als Einzelner in der Gesellschaft lernt, sich auf das eigene Bauchgefühl zu verlassen, wenn man glaubt, dass mit einem Kind oder einem jungen Menschen etwas nicht stimmt: Wie soll man reagieren bei einem Verdacht; wie können Eltern ihre Kinder schützen; wie kann minimalisiert werden, dass im Klassenzimmer, Sportclub oder der Kirchengruppe ein Missbrauch geschieht?
«Wir wollen Menschen ermutigen, hinzusehen», erklärt der Geschäftsleiter. Und sie wollen den Tätern das Leben schwer machen, denn: «wo aufmerksame Menschen sind, fallen Taten schwerer.»
Dass dieser Präventionsvortrag stattfinde, habe nichts mit Religion zu tun, sondern mit der Gesellschaft, sagt Pfarrer Mario Pinggera. «Wenn wir als Kirche bei der Gesellschaft nicht hinschauen, dann haben wir keine Relevanz mehr», und ergänzt: «Unser aller Aufgabe ist es, denen zu helfen, die sich selbst nicht helfen können.» Das Anliegen des Informationsabends modifiziert Pinggera noch: «Ich finde noch wichtig zu sagen, dass es in der Schweiz drei Organisationen für Menschen gibt, welche in sich eine Veranlagung zur Pädophilie erkennen.» Auch das wird zur Sprache kommen.
Wie reagieren bei Verdacht?
Schulen, Sportclubs, Kitas, Vereine, Kirchen usw. übernehmen in bestimmten Zeiträumen die Aufsichtspflicht des Kindes, nämlich in der Zeit, in der es sich bei der entsprechenden Institution oder dem Verein aufhält. Die Menschen, die dort arbeiten, sind gesetzlich verpflichtet, bei einem Verdacht eine Gefahrenmeldung zu machen. Das wissen viele nicht, oder unternehmen schlicht nichts. Dann reicht ein Verdacht aus, es braucht keine Beweise, denn die sind nachher Sache offizieller Stellen. Welche Handlungsmöglichkeiten hat jemand Aussenstehendes? Bekannte oder Nachbarn? «Wir bieten gerne Hilfestellung an, wenn es um erste Fragen oder darum geht, eine solche Gefahrenmeldung zu machen», sagt Roy Gerber. Eine solche kann auch online gemacht werden.
«Ein wichtiger Punkt zur Vorstellung von «Be Unlimited» ist, dass die Menschen wissen, dass sie nicht alleine sind mit ihrer Unsicherheit oder Ängsten», fügt der Richterswiler Diakon Andreas Berlinger hinzu. Deshalb ging die Vortragseinladung an alle Schulen und Vereine des Dorfes, um sich bei dieser Gelegenheit unverbindlich informieren zu können. «Wenn die Menschen wissen, ob und wo sie sich melden müssen, um sich über weitere Schritte zu informieren, ist schon viel gemacht.»
Warum in Richterswil?
Andreas Berlinger wurde auf das 2019 erschienene Erstlingswerk «Mein Versprechen» von Roy Gerber aufmerksam und der Pfarreirat plante einen Anlass im Rahmen einer Buchvorstellung. Jedoch durchkreuzte die Pandemie diese Pläne und der Anlass konnte erst im vergangenen Jahr stattfinden.
Bereits damals entwickelte sich die Idee, die thematische Sensibilisierung über sexuellen Missbrauch für die Kinder in Richterswil-Samstagern gesellschaftsrelevant anzugehen. «Die historischen Studien der Missbräuche in der Kirche haben uns im Nachhinein bestätigt, dass wir mit diesem Infoanlass den richtigen Weg eingeschlagen haben», erzählt Berlinger die Zusammenhänge. Da sie keine Fachleute seien, wollte der Pfarreirat Spezialisten auf diesem sensiblen Gebiet hinzuziehen – und wer hätte sich besser geeignet als Roy Gerber und sein Team. «Entscheidend für uns war, dass ‹Be Unlimited› nicht nur in beratender Funktion agiert, sondern aktiv wird und die betroffenen Menschen persönlich aufsucht», ergänzt Berlinger.
Dass «Be Unlimited» für diesen Informationsabend angefragt wurde, erachtet Gründer Roy Gerber als Chance: «Einige Fakten sind schockierend», gesteht er, «aber primär ermutigen wir: zum Hinsehen, wo man nicht hinsehen will; um richtig zu reagieren; den Mut aufzubringen, nach Hilfe zu fragen; einen Weg zu finden, wo man keinen mehr gesehen hat.» n
«uns | ich | er» – Ein Infoabend über ein Tabuthema: Donnerstag, 11. April, 19.30 Uhr,
kath. Pfarreiheim, Erlenstrasse 34, Richterswil
Die Veranstaltung ist offen für alle, unabhängig von Wohnort, Beruf oder Religion
Ohne Eintritt (Kollekte), eine Anmeldung ist nicht erforderlich.
Am 14. September findet ein Tag der offenen Türe bei «Be Unlimited» in Mettmenstetten statt.
Kummernummer: Tel. 0800 66 99 11 – anonym, diskret, gratis. www.kummernummer.org
www.beunlimited.org