Richterswil

Ohne Starallüren

Liebe Leserinnen, liebe Leser

Jedes Jahr verfolgen wir aufs neue, wie ein Starenpaar am Nachbarblock das Vogelhaus bezieht und für Nachwuchs sorgt. Es handelt sich um den gemeinen Star (Sturnus vulgaris), der sich ausserhalb des Brutplatzes im Schwarm bewegt.
Bereits jetzt haben sich einige dieser Mittelstreckenzieher in Richterswil eingefunden und sammeln sich in den Bäumen. Ich höre ihre unverkennbar klackenden, schnarrenden und vielseitigen Tonfolgen sehr gerne. Manchmal klingt es, als würde jemand Knisterpapier zerknüllen. Im Kosmos-Naturführer steht, dass Stare fähig sind, andere Vogel- und Tierstimmen nachzuahmen, sogar einen Rasenmäher oder Klingeltöne vom Mobiltelefon.
Wenn sie fliegen, haben sie von unten betrachtet die Form eines Dreiecks, weil die Flügel so spitz und der Schwanz recht kurz ist. Daran erkennt man sie sofort.
Das eingangs erwähnte Vogelhaus wurde vor zwei Wochen hart umkämpft. Ein Starenmännchen im Prachtkleid, das die violetten, grünen und purpurnen Federn im ansonsten beinahe schwarzen Gewand schillern lässt, verteidigte den Nistplatz lautstark und aufgeregt gegen ein anderes Paar. Dieses hockte auf dem Hausdach gleich darüber und lauerte nur auf eine Gelegenheit, das Häuschen zu übernehmen. Beharrlich besetzte das Männchen die Sitzstange vor dem Einstiegsloch und rief lautstark nach dem Weibchen. Ob so viel tonaler Vehemenz gab die Konkurrenz auf und flog von dannen. Augenblicklich hüpfte der Star unermüdlich im Dreieck zwischen Stange, Sonnenstore und Dachbalken, noch immer nach der Partnerin rufend.
Inzwischen sind die Rufe weniger geworden, die Vögel sind beim Nestbau, und zu Beginn des Frühsommers dürfen wir hoffentlich erleben, wie die Jungen als samtbraune Flauschebälle das Nest verlassen. Sind es keine Stand­vögel, dann ziehen sie im Sommer noch vor ihren Eltern los ins Winterquartier, die sich im Herbst weiss-beige Federspitzen zulegen, was aussieht, als wären ihre aerodynamischen Körper gepunktet.
Die grösste Ansammlung von Staren haben wir im Elsass beobachtet, wo sie sich tagsüber zahlreich auf den Hochspannungsleitungen aneinanderreihten und am Abend in beeindruckenden Flugformationen den Himmel durchquerten. Die zutraulichsten Exemplare jedoch trafen wir in Paris vor dem Eiffelturm an, wo sie sich gerne von unserer Tochter mit Nüssen füttern liessen.
Ebenso bemerkenswert wie ihr «Sprachtalent» ist ihr Alter: Ein Star kann bis zu 20 Jahre alt werden, bei beringten Tieren wurde gar schon 22 gezählt (Quelle: Wikipedia).
Es sind berührende und erheiternde Szenen – im Gegensatz zu vorherrschenden Bildern aus dem Weltgeschehen –, und wenn Sie die Gelegenheit dazu haben, nehmen Sie sich ein paar Minuten, um an einer solchen Beobachtung teilzuhaben.

Vergnügliche Augenblicke wünscht Ihnen
Reni Bircher

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