Richterswil

Gold und Silber lieb ich sehr …

So genannte «fliegende Händler» versprechen gratis Expertisen und Höchstpreise für Wertsachen aller Art. Den wahren Profit erzielen in der Regel nur die Käufer und nicht diejenigen, die ihre Ware veräussern.

Text & Bilder: Reni Bircher

Regelmässig flattern Handzettel in die Briefschlitze, auf denen man mehr oder weniger ansprechend dazu angeregt wird, seine Wertsachen zu veräussern: Schmuck, Münzen, Uhren, Antiquitäten. Die Gründe, warum sich jemand entschliesst, etwas aus dem eigenen Besitz zu Geld zu machen, sind vielfältig. Gerade wenn das Erbstück einfach nicht so recht gefallen will, oder in schwierigen Zeiten, in denen es finanziell eng ist – und Weihnachten vor der Türe steht –, kann das durchaus eine Möglichkeit sein, sich etwas «Luft» zu verschaffen. Dabei sollte man aber vorsichtig sein, wem man sein Vertrauen schenkt. Denn nur weil auf einem Handzettel «Höchstpreise» steht – zum Teil noch mehr als der Tageskurs angeblich hergeben würde –, entspricht das noch lange nicht der Tatsache.
Ein Testverkauf hat das gezeigt.

Der Lockvogel

Eine junge Dame machte sich früh im Jahr auf den Weg zum Treffpunkt, der auf dem Flyer gross und fett prangt: das katholische Pfarrheim – möglicherweise soll dies Seriosität suggerieren, so die Vermutung. Im Gepäck zwei Modeschmuck-Ketten, eine Münze aus Edelmetall, vier Schmuckstücke aus Gold und Silber, und ein falscher Name. Der von einem Goldschmied zum aktuellem Tagessatz eruierte Wert der Waren: CHF 565.
Ohne Voranmeldung wird die Dame empfangen, allein, also mit Privatsphäre – oder ohne Zeugen. Dem Händler steht auch niemand zur Seite, um den Kauf zu bezeugen.
In der Folge des Verkaufsgespräches wurden die unechten Schmuckstücke als solche erkannt; die Münze (im Wert von über 160 Franken) wollte/konnte der Händler als solche nicht erkennen. Der Feingehalt jeden Schmuckstückes wurde nicht überprüft. Immerhin benutzte der Händler eine geeichte Waage. Diese wird alle zwei Jahre unangemeldet vom «Eichmeister» überprüft und erhält ein entsprechendes Siegel.
Durch Feilschen, eine erfundenen Geschichte und der Aussicht auf Rückzug aus dem Geschäft, konnte der Lockvogel den Preis in die Höhe treiben: von den zuerst gebotenen 250 auf 300 Franken. Also nicht annähernd der Betrag, welcher vom Fachmann vorgängig errechnet worden ist.
Die Richtlinien für den Ankauf von Edelmetallen und Edelsteinen sind klar und allgemeingültig (siehe Absatz «Neue Gesetzgebung»). Nahezu alle Vorschriften wurden bei diesem Testverkauf vom Händler grosszügig vernachlässigt. Auf der ausgehändigten Quittung, welche der Redaktion vorliegt, wird (der falsche) Name und Adresse der Verkäuferin aufgeführt, der ausbezahlte Betrag, Unterschrift des Händlers, sowie Ort und Datum des Verkaufsabschlusses. Kein Firmenlogo, Name oder Adresse des Händlers und keinerlei Angaben zu den soeben gekauften Gegenständen.
Der versiert Fachhandel rät, neben den erforderlichen Angaben auch ein Ausweisdokument des Verkäufers sowie ein Foto der angekauften Ware zu machen, damit der Tatbestand einer ordentlichen Kundenprüfung erfüllt ist. Es dient auch dem Schutz des Käufers sowie der Branche im Allgemeinen. Der fliegende Händler, der unserem Lockvogel die Waren abgekauft hat, legte keinen Wert auf eine Personenüberprüfung in irgend einer Art.

Die Händler

Der Richterswiler Anzeiger hat sieben dieser «fliegenden Händler» nach Möglichkeit überprüft:
• 6 von ihnen waren in keinem Telefonbuch oder Verzeichnis gelistet, weder mit Namen noch Telefonnummer.
• 2 davon geben sich als Arbeiter von Auktionshäusern aus, die es jedoch nicht gibt, und einer dieser beiden wirbt in anderen Landesteilen mit gleicher Mailadresse, jedoch unter anderem Namen und anderer Nummer.
• einer variiert seinen Namen (mal ist der Vorname der Nachname, dann mit Abkürzung, dann nur «Herr» und Nachname…) mit gleichem Geschäfts-/Wohnort (nicht auffindbar dort) und gleicher Mailadresse, über die man aber nur die Aufforderung bekommt, sich telefonisch zu melden; zudem zwei verschiedenen Telefonnummern. Immerhin stimmt der Nachname überein von Mail und Flyer.
• einer benutzt seinen richtigen Namen, schreibt sehr schlecht Deutsch und im Netz finden sich relativ unseriöse Bilder und Posts.
• nur einer steht mit Name und Adresse für sein Interesse an Antiquitäten, es handelt sich jedoch um einen privaten «Sammler».

Neues Gesetz seit dem 1. Januar 2023

Mit der Umsetzung der Änderungen des Geldwäschereigesetzes und des Edelmetallkontrollgesetzes wird unter anderem der gewerbsmässige Ankauf von Altedelmetallen einer Bewilligungs- bzw. Registrierungspflicht unterstellt. Die Gesetzesänderungen traten am 1. Januar 2023 mit einer einjährigen Übergangsfrist in Kraft. Wer gewerbsmässig Altedelmetalle ankauft, muss sich beim Zentralamt für Edelmetallkontrolle registrieren oder eine Bewilligung beantragen. Es besteht jedoch eine Freigrenze für den Edelmetallankauf bis 50 000 Franken pro Kalenderjahr, was etwa einer Menge von 1500 Gramm Altgold entspricht.
Registrierte Ankäufer und Inhaber einer Ankaufsbewilligung müssen auf Firmenschildern, Briefköpfen, in Zeitungsinseraten sowie Internet auf die Tatsache der erhaltenen Registrierung/Bewilligung hinweisen.
Neu gilt auch, dass eine Dossier-Führung für alle Edelmetallankäufe und für jeden Akteur verpflichtend ist. Mit diesem Kontrollmechanismus soll die legale Herkunft der angekauften Waren sichergestellt werden. Es ist somit für jeden Ankäufer verpflichtend – unabhängig des Warenwertes – jeden Ankauf zu dokumentieren und diesen vor allem auch durch die Unterschrift des Verkäufers oder Kunden quittieren zu lassen.
Die Dokumentationspflicht verlangt, dass die Ankäufe in geeigneter Form dokumentiert werden und mindestens folgende Angaben umfassen:
Kaufdatum der Waren; Name und Adresse des Verkäufers; genaue Beschreibung der Ware und deren Zusammensetzung, sofern bekannt, oder ein Foto des Gegenstandes; das Gewicht der Ware; der Kaufpreis; die Unterschrift des Verkäufers.
Wie das Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit (BAZG) verlauten lässt, geht es ab dem neuen Jahr in Fällen von sogenannten «fliegenden Händlern» beziehungsweise Ankäufern ohne Registrierung bei der Aufsicht in erster Linie darum, fragliche Anbieter zu identifizieren und Informationen zu sammeln, die eine Anzeige bei der zuständigen kantonalen Staatsanwaltschaft zum Ziel haben. Diese sind für die Strafverfolgung nach dem Edelmetallkontrollgesetz zuständig. Situativ wird für Kontrollen vor Ort auch die Zusammenarbeit der Edelmetallkontrolle mit anderen Behörden geprüft (Polizei oder Zollfahndung).
Die Edelmetallkontrolle ist an kon­kreten Informationen aus der Branche oder der Bevölkerung interessiert, rät aber von jeglichen Selbstermittlungen ab. Vielmehr em­pfehlen sie, sich punkto Verkauf von Altedelmetallen an lokale Unternehmen mit eigenem Ladengeschäft zu wenden, gegebenenfalls mehrere Angebote einzuholen und zu vergleichen. Zudem solle man sich in jedem Fall eine Quittung mit den genauen Angaben über den Verkäufer und die verkauften Artikel aushändigen zu lassen.

Herstellung von Ökogold

Rezyklierte Edelmetalle werden in der Schweiz nach hiesigen Umweltbedingungen eingeschmolzen und in ihre Einzelteile zerlegt. Das Verfahren ist sehr aufwändig und teuer, doch es gibt einige Goldschmiede, welche oft oder gar ausschliesslich mit rezyklierten Edelmetallen – auch als Ökogold bezeichnet – arbeiten. Diese errechnen den wahren Wert eines Schmuckstückes, weisen ihn aus und zahlen entsprechende Preise. Oder zaubern aus einem Schmuckstück, das aus irgendeinem Grund nicht (mehr) dem eigenen Geschmack entspricht, etwas völlig Neues.
Die moderne Goldsuche fängt heutzutage also im eigenen Haushalt an.

www.bazg.admin.ch/bazg/de/home/themen/edelmetallkontrolle.html. Eine öffentliche Liste der registrierten Altgoldankäufer (wird monatlich aktualisiert) finden Sie unter der Erweiterung: /ankauf_von_altedelmetallen.html
www.oekogold.ch

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