Wädenswil

Flaggschiff auf dem Campus Reidbach vereint Lebensmittelforschung unter einem Dach

«Ein Gebäude wie ein (Flagg-)Schiff» titelte der Wädenswiler Anzeiger Ende letzten Jahres. Nun wurde das neue Laborgebäude, unter dessen Dach die gesamte Wertschöpfungskette von Lebensmitteln erforscht wird, im Beisein von Regierungsrätin Silvia Steiner (Bildungsdirektorin), Regierungsrat Martin Neukom (Baudirektor) sowie Jean-Marc Piveteau, Rektor ZHAW, und Heiner Treichler, CEO Tuwag Immobilien AG, eingeweiht.

Text & Bilder: Stefan Baumgartner

Auf dem Campus Reidbach an der Wädenswiler Peripherie steht ein neues Laborgebäude für die Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW). Benannt ist das Gebäude nach Elisabeth Weber-Hauser. Sie hat als Geschäftsfrau im Bierbraugewerbe im 19. Jahrhundert unter schwierigen Umständen Ausserordentliches geleistet. Nach dem Tod ihres Mannes 1885 übernahm sie die Leitung der Brauerei in Wädenswil und etablierte sich als Geschäftsführerin (siehe separates Porträt).
Hier, in diesem Elisabeth-Weber-Haus, dem «Future of Foods», wird nun unter einem Dach die gesamte Wertschöpfungskette von Lebensmitteln erforscht – die Zukunft unserer Ernährung. Baudirektor Martin Neukom, Bildungsdirektorin Silvia Steiner sowie ZHAW-Rektor Jean-Marc Piveteau und Heiner Treichler, CEO der Tuwag Immobilien AG, weihten das Gebäude Ende August ein.

Der Zürcher Baudirektor Martin Neukom, selbst ZHAW-Absolvent, eröffnete den Festakt.
Ernährung sei ein sehr zentrales Thema und stehe in starker Wechselwirkung mit dem Klima – in beide Richtungen, bemerkte der Regierungsrat. «Ernährung ist nicht nur Opfer der Klimaveränderung, sie ist teils auch Ursache», sagte er weiter. Eine der zentralen Entwicklungen, um die Ernährung klimaverträglicher zu machen, seien die «alternativen Proteine». Da gäbe es drei Kategorien: die pflanzenbasierten Proteine (der sogenannte Fleischersatz), die Präzisionsfermentation – sehr hoch technologisiert – hier könne man Proteine «designen», oder dann «Cultured meat», im Labor gewachsene Fleischzellen. Die ZHAW mache Forschung und Entwicklung, die sehr nah sei an der Umsetzung in der Praxis. Schliesslich befand er, dass die ökologische Ernährung besser gemacht werden müsse als die bisherige, dann würde man auch umsteigen. «Alles andere wird nicht funktionieren», zeigte sich der Vorsteher der Baudirektion, die das Gebäude mietet, überzeugt.

In den Themen Ernährung, Gesundheit, Gesellschaft und Umwelt gehört das Departement «Life Sciences und Facility Management» der ZHAW zu den führenden Kompetenzzentren der Schweiz. Bildungsdirektorin Silvia Steiner zog Vergleiche zur Gastronomie: Der Name des neuen Gebäudes – es werde ja nebst dem offiziellen Namen auch «Future of Foods» genannt – könnte auch der Name eines angesagten Sterne-Restaurants sein. Und dies sei gar nicht so falsch: Es gehe auch hier um Essen auf Spitzenniveau. Nur gehe es hier in Wädenswil noch um viel mehr als nur gutes Essen. Es gehe darum, wie wir uns in Zukunft ernähren werden. Zwei Fragen stünden dabei im Zentrum: «Wie können wir genügend Nahrungsmittel zur Verfügung stellen?» und «Wie gelingt das, wenn wir gleichzeitig auch noch unsere Ressourcen schonen wollen?».
Der Neubau vereinfache die Zusammenarbeit der verschiedenen Disziplinen – «kreative Denkansätze ergeben sich häufig, wenn man über den Tellerrand der eigenen Disziplin schaut». Auch der Ruf der Ausbildung in Wädenswil habe sich herumgesprochen. Diese Entwicklung werde sich fortsetzen. Zudem strebe der Hochschulplatz Zürich nach Exzellenz. «Wir müssen dafür sorgen, dass unsere Hochschulen wettbewerbsfähig bleiben», sagte Regierungsrätin Steiner. Das neue Gebäude sei aber nicht nur eine Investition in den Hochschulstandort, es sei auch eine Investition in den Wirtschaftsstandort – gerade auch mit Sicht auf den Fachkräftemangel.

Diese starke Stellung des Standorts Wädenswil hat zu einem starken Wachstum der Studierenden- und Mitarbeitendenzahlen im Grüental und auf dem Campus Reidbach geführt. Diese Entwicklung dürfte sich in den nächsten Jahren fortsetzen.

Auch Jean-Marc Piveteau, Rektor der ZHAW, beschäftigte sich mit der Zukunft: Er fragte sich, wie das Essen der Zukunft aussehen könnte. Als konkretes Beispiel nannte er die Verwendung von Reststoffen – zum Beispiel bei Teigwaren unter Verwendung von Kleie, die eigentlich viele wertvolle Inhaltsstoffe aufweise. Deshalb würden Forschende daran arbeiten, dass diese Reststoffe besser genutzt werden. «Das neue Laborgebäude ist für die ZHAW wichtig, weil die Mitarbeitenden und Studierenden nun zum ersten Mal unter einem Dach vereint sind. Das fördert kreative Ideen, das bringt die Forschung weiter. Hier können wir – einmalig in der Schweiz – Produkte umfassend erforschen, vom Rohstoff über die Verarbeitung zum Lebensmittel, über das Qualitätsmanagement, bis zum Marketing. Dieser umfassende Ansatz ist zwingend nötig», sagte der Rektor.

Das neue Laborgebäude «Elisabeth Weber-Hauser» bietet langfristig den benötigten Platz. Genutzt wird der Neubau vorwiegend vom Institut für Lebensmittel- und Getränkeinnovation (ILGI). Dessen Mitarbeitende und Studierende sind nach dem Bezug nicht mehr auf diverse Gebäude verteilt, sondern neu unter einem Dach vereint. Künftig können hier Lebensmittel und Getränke umfassend, vom Rohstoff über die Verarbeitung, bis hin zum Qualitätsmanagement und dem Marketing, betrachtet und bearbeitet werden. Es wird also nicht nur geforscht und gelehrt, sondern auch produziert, analysiert, degustiert und verpackt.

CO2-neutral heizen und kühlen

Die unterschiedlichen Nutzungen stellten hohe Ansprüche an den Bau, zum Beispiel im Bereich der Hygiene und der klimatischen Bedingungen. Es ist gelungen, ein nachhaltiges Gebäude zu realisieren, das sich auch in Zukunft flexibel an neue Gegebenheiten anpassen lässt. Die gesamte für das Heizen und Kühlen bezogene Energie wird CO2-neutral produziert. Das Laborgebäude ist an die Holzschnitzel-Fernwärmeanlage auf dem Areal angeschlossen. Ergänzt wird der Neubau durch Erholungsflächen rund um den Reidbachweiher. Der Campus ist zudem frei von Individualverkehr und über die sogenannte «Campusterrasse» entlang der SOB-Linie miteinander verbunden.

Die Liegenschaft gehört der Tuwag Immobilien AG, der Kanton Zürich mietet das Gebäude für 20 Jahre. Für Heiner Treichler, CEO der Tuwag Immobilien AG, ist das Gebäude «wie ein Adlerhorst, die Krönung des Campus». Und er schwärmt weiter: «Es ist das grösste und schönste Gebäude, es ist auch jenes mit den kompliziertesten Technologien. Auch architektonisch bildet es einen modernen, augenfälligen Gegenpol zu den anderen Gebäuden auf dem Campus.»

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