Am 3. Februar verunglückte Philipp Kutter, Wädenswiler Stadtpräsident und Nationalrat, während eines Skitages mit Freunden schwer. Bei einem Sturz brach er sich den 5. Halswirbel. Dabei wurden die Nerven im Rückenmark beschädigt; seither ist er von den Schultern abwärts querschnittsgelähmt. Nur zehn Tage später zog sich Roland Fässler auf der Skipiste die gleichen schweren Verletzungen zu. Wie Kutter wurde er nach einer Operation im Spital ins Schweizer Paraplegiker-Zentrum Nottwil verlegt. Fässler ist Präsident der Interessengemeinschaft Wädenswiler Sportvereine und Vizepräsident des Zentralvorstands Zürcher Turnverband. Der Wädenswiler Anzeiger traf beide am 24. Mai in Nottwil.
Interview: Stefan Baumgartner
Bilder: Anja Kutter
Zuerst: wie geht es Euch heute?
Roland Fässler: Den Umständen entsprechend gut. Wir sind mit unseren Verletzungen gut aufgehoben und an einem Top-Ort. Ich konnte kürzlich sogar einen Meilenstein feiern: Bis vor Ostern bewegte ich mich auch in einem vollelektrischen Rollstuhl, wie Philipp ihn fährt. Dann meinten die Therapeuten, dass ich nach den Festtagen einmal einen manuellen Rollstuhl ausprobieren könnte. Ich sah diesen bereits bei uns auf der Station stehen und fragte die Pflegekraft, ob ich darin etwas üben dürfte. Ich hatte sofort ein gutes Gefühl damit, und die Therapeuten sagten: «Du kannst ja schon alles!» Das war ein grosser Moment für mich. Seither bin ich nur noch im manuellen Rollstuhl mit Elektrounterstützung unterwegs. Fährt sich wie ein E-Bike. Mein Vorteil war, dass ich von Beginn weg mit beiden Armen arbeiten konnte. Der Linke ist einfach stark beeinträchtigt. Wenn Philipp weiter Fortschritte macht, wird er hoffentlich auch bald auf einen manuellen Rollstuhl wechseln können.
Philipp Kutter: Wir werden hier gefordert und gefördert. Ich bin in meinem ganzen Leben noch nie so viel im Kraftraum gewesen. Jeden Tag trainieren wir, um die noch funktionierenden Muskeln zu erhalten und zu stärken. Das Therapieprogramm wird jeweils speziell auf die Verletzung angepasst. Täglich gibt es Physio- und Ergotherapie. Es wird auch viel mit Strom gearbeitet, um Muskeln und Nerven zu stimulieren und bestenfalls zu reaktivieren. Alle 14 Tage werden gemeinsam Ziele und Schwerpunkte definiert. Ich beispielsweise wünschte, dass meine rechte Schulter und mein rechter Arm stärker würden. Die rechte Seite macht mir seit Beginn Mühe. Gut, mit den Beinen habe ich noch viel mehr Mühe, die kann ich gar nicht bewegen. Aber an der Stärkung von Schulter und Arm arbeite ich mit aller Kraft.
Gibt es denn gerade mit der rechten Schulter Fortschritte?
Philipp Kutter: Ja, seit ein paar Tagen geht auf der rechten Seite zum Glück ein bisschen was. Ich kann nun den Arm leicht heben, das konnte ich vor einer Woche noch nicht. Man muss aber akzeptieren, dass die Fortschritte sehr klein sind. Man wacht nicht eines Morgens auf und kann plötzlich das Bein wieder bewegen. Aber zumindest sind es kleine Schritte. Das macht Mut.
Roli, als Du auf die Skis gingst: Hattest Du schon Kenntnis von Philipps Unfall?
Ja, ich wusste von seinem Unfall. Und die Nachricht hat mich – wie alle – sehr betroffen gemacht. Ich hatte Philipp auch noch eine Karte geschrieben vor meinem Urlaub. Bedenken bezüglich Skifahren hatte ich aber nicht. Und dann schlägst Du mit dem Kopf auf der Piste auf, es «chruglet» dich zusammen … Ich war immer bei Bewusstsein, wollte nach dem Sturz den linken Arm hervorziehen. Als dieser wie ein Gummiball zurücksprang, merkte ich, dass etwas nicht stimmte, rechte Seite dasselbe, und aufstehen ging auch nicht mehr. Als ich dann nach Nottwil kam, lag ich zuerst auf der Intensivstation, und als es um die Verlegung auf die Abteilung ging, kam für mich nur die Station in Frage, auf der auch Philipp liegt.
(Philipp wirft ein) Station F wie Fässler (beide lachen)!
Wie war es für Dich, Philipp, als Du auf einmal ein «Gspänli» bekamst?
So ein Unfall ist eine furchtbare Sache. Ich kann deshalb nicht sagen, dass es mich freut, dass Roli auch hier ist. Ich würde ihm von Herzen wünschen, dass er gesund zuhause sein könnte. Wir standen Ende Januar an der Wädenswiler Sportlerehrung noch gemeinsam auf einer Bühne – er als Gastgeber, ich als Gratulant. Eine Woche später verunglückte ich, zwei Wochen später er. Natürlich ist es schön, wenn man jemanden aus der Heimat an der Seite hat. Jemanden, den man kennt, mit dem man verbunden ist und sich austauschen kann. Es wäre anders, ganz allein hier zu sein. Manchmal haben wir auch gemeinsamen Besuch.
(Roli wirft ein) Das ist schon speziell: Zwei Wädenswiler Urgesteine, auch fast Nachbarn – und man trifft sich hier wieder.
… und wie sieht Euer Tagesablauf aktuell aus?
Philipp Kutter: Wir haben fünf bis sechs halbstündige oder stündige Therapielektionen täglich. Von Zeit zu Zeit gibt es medizinische Abklärungen, auch wenn Komplikationen auftreten. Roli macht sogar noch an einer Studie mit …
Roland Fässler: … genau! Bei meinem Eintritt hier bezirzten sie mich, sie würden noch Teilnehmer für eine Studie zum Blasenmanagement suchen, und ich sagte zu. So war ich bisher sicher sechsmal im MRI, mehrmals in der Urologie. Ich kann nun sagen: bei mir ist nun alles getestet.
Die Wochen sind hier ziemlich durchgetaktet, beginnend mit der Morgenpflege, danach, spätestens um 10 Uhr Therapie bis zum Mittagessen, eine Stunde Mittagspause, dann geht’s weiter bis um 17 Uhr. Und das Montag bis Donnerstag. Am Freitag ist eine Stunde früher Schluss – so können wir das Wochenende einläuten (schmunzelt). So gehen die Wochen extrem schnell rum. Wir sind nun schon über drei Monate hier, das kommt mir aber gar nicht so vor.
Zur weiteren Karriere hast Du, Philipp, verlauten lassen: «Ich kann sprechen und – soweit man das von einem Politiker erwarten kann – denken», und hast auch Deine Ambitionen in Bundesbern bestätigt. Wie siehst Du Deine Rolle künftig in Bern und in Wädenswil? Und inwiefern wird der Unfall auch Einfluss auf Deine Arbeit haben?
Philipp Kutter: Ich bin nun vier Monate hier und habe mir in dieser Zeit natürlich viele Gedanken gemacht, auch zu meiner Zukunft. Klar ist für mich, dass ich gerne weiter politisch tätig sein möchte. Das kann man auch gut vom Rollstuhl aus. Mein Ziel ist, dass ich sowohl in Wädenswil als auch in Bern weiterhin meine Ämter ausführen kann. Bei meiner Tätigkeit sind die Voraussetzungen zum Glück gut. Anders wäre es, wenn ich einen handwerklichen Beruf hätte.
Für mich stellt sich eigentlich nicht die Frage, ob ich in die Politik zurückkehre, sondern eher wie viel ich wie schnell wieder machen kann. Das Pensum von früher werde ich bestimmt nicht mehr stemmen können. Ich bin mir auch bewusst, dass ich mehr Unterstützung brauchen werde. In Bern haben viele Nationalrätinnen und Nationalräte eine persönliche Mitarbeiterin oder einen persönlichen Mitarbeiter. Ich habe bis jetzt darauf verzichtet, würde in Zukunft aber vermutlich auch jemanden anstellen. Vielleicht werde ich auch das eine oder andere Mandat weitergeben müssen. So weit bin ich mit meiner Planung aber noch nicht. Was aber sicher nicht mehr geht, ist, so aktiv an Anlässen teilzunehmen wie früher. Bei einer Badi-Eröffnung werde ich etwa nicht mehr vom Sprungturm springen können oder auf der Eisbahn mit Kufen übers Eis flitzen. Aber da könnten ja meine Stadtratskolleginnen und -kollegen einspringen.
Philipp arbeitet vorwiegend mit dem Kopf. Wie sieht das bei Dir aus, Roli?
Ich hatte bis Ende 2021 meine eigene Firma im Bereich Gebäudeautomation. Mit der Pandemie hat sich dieser Markt extrem verschärft, und ich als Kleinstfirma hatte zusehends Mühe, an lukrative Aufträge zu kommen. So entschied ich mich, mich in eine andere Firma, die zur BKW-Gruppe (BKW Energie AG, ehemals Bernische Kraftwerke AG) gehört, einzugliedern. So bin ich seit 2022 wieder angestellt. Mein Arbeitgeber hat bereits klar signalisiert mich weiterbeschäftigen zu wollen. Ich werde sicher nicht mehr 100% dieselben Aufgaben übernehmen können, aber mir wurde ganz klar beschieden, dass für mich immer Platz sei für eine Beschäftigung. Auch von Kunden, die ich betreue, höre ich, dass sie auf meine Rückkehr warten. Beruflich gesehen kann ich also gelassen in die Zukunft schauen.
Philipp wirft ein: Unser Arbeitsmarkt-System ist so aufgebaut, dass alle Beteiligten ein Interesse daran haben, dass wir trotz Behinderung wieder in den Arbeitsprozess zurückkehren. Die Alternative wäre eine IV-Rente.
Ihr habt beide Kinder und tolle Frauen – auch für sie alle gab und gibt es durch Euren Unfall grosse Veränderungen. Wie sehen diese aus? Was wird ihre künftige Rolle sein?
Roland Fässler: Wir hatten immer ein sehr intaktes Familienleben, wir wohnen auch noch unter dem selben Dach wie meine Mutter. Diese harte Veränderung hat uns eher noch mehr zusammengeschweisst. Die Familie schaut, was sie tun kann. Es gibt auch kein Familienglied, das extrem leidet. Wir schauen alle positiv nach vorne, auch als Familie möchten wir aus meinem Aufenthalt hier das Beste machen. Für meine Frau ist es aktuell natürlich eine harte Zeit, wobei meine Kinder schon sehr selbstständig sind. Der jüngste (16, Janic) ist oft mit dem Turnkader unterwegs, der ältere (Sven) wird 19, die Tochter (Aline) wird 22. Auch meine Mutter kommt oft zu Besuch. Mein Vater starb früh, da musste sie auch loslassen können. Bei mir weiss sie immerhin, dass ich wieder nach Hause komme.
Philipp Kutter: Für meine Frau Anja ist es eine ebenso herausfordernde Zeit. Sie stemmt die Familie und alles rund um unser Zuhause, gleichzeitig kümmert sie sich um unser Geschäft. Und sie unterstützt auch mich, wo sie kann. Es gibt so viel zu organisieren und neu zu regeln. Ich bewundere, mit wie viel Kraft sie die Situation meistert.
Bei uns dreht sich viel um die Kinder. Sie brauchen uns mit 9 und 11 Jahren noch mehr als die von Roli. Aber ich staune und bin beeindruckt, wie natürlich und pragmatisch sie die Sache annehmen: Jetzt ist Papi halt im Rollstuhl, aber sonst noch der Gleiche. Für sie ist es eher ein Problem, dass ich nicht zuhause bin. Aber klar: es wird eine riesige Umstellung für uns alle. Wir müssen uns von ganz vielen Dingen verabschieden, die uns lieb sind. Die Wohnsituation wird sich verändern, in den Ferien werden wir keine Wanderungen zu SAC-Hütten mehr machen oder gemeinsam im See baden können. Das ist traurig. In Kontakt bleiben wir durch tägliche Video-Anrufe. Und am Wochenende bekomme ich jeweils Besuch von meiner Familie. Wenn’s geht übernachten sie sogar hier im Hotel nebenan, damit wir mehr gemeinsame Zeit haben.
Heinz Frei, der bekannteste Schweizer Rollstuhl-Sportler, sagte einst in einem Interview: «Ich träume immer noch vom Skifahren, vom Langlaufen oder wie ich durch den Wald jogge». Was träumt Ihr?
Roland Fässler: Ich träumte kürzlich, dass ich meine Hände, meine Finger wieder bewegen kann. Aber am folgenden Morgen merkte ich dann: Oh, die sind immer noch gleich steif …
Philipp Kutter: Ich weiss am Morgen meistens nicht mehr, was ich geträumt habe. Aber hier haben eigentlich alle den gleichen grossen Traum: eines Tages ohne Rollstuhl rauslaufen zu können. Aber wir müssen uns bewusst sein, dass dies eben ein Traum ist und man auch mit weniger zufrieden sein muss.
Roland Fässler: Wir hatten hier einen Mitpatienten auf der Abteilung, der wurde im selben Status wie wir beiden eingeliefert. Der wurde nun letzten Freitag entlassen, er kann laufen und seine Arme und Finger bewegen. Etwas eingeschränkt zwar, aber er ist mobil. Das gibt auch wieder Zuversicht.
Philipp Kutter: Nebst dem Traum habe ich das Ziel, in Zukunft ein möglich selbstständiges Leben zu führen. Dafür kämpfe ich.
Ihr wart beide oft auf Sportplätzen anzutreffen. Habt Ihr Euch schon mit Aktiv-Sport beschäftigt? Oder ist dazu zu früh?
Roland Fässler: Was ich sicher möchte, ist das Amt des IWS-Präsidenten weiterführen. Auch beim Zürcher Turnverband und im Verwaltungsrat des Sportzentrums Zürich will ich mich weiter einbringen. Ob ein Rollstuhlsport einmal aktuell wird, weiss ich noch nicht. Skibobfahren würde mich sicher reizen. Aber das steht noch in den Sternen. Aber ich war früher immer aktiv und würde das gerne so beibehalten.
Philipp Kutter: Ich war immer gerne draussen in Bewegung. Ich gebe mir Mühe, dass das in einer anderen Form wieder möglich sein wird.
Im Herbst werdet Ihr nach Wädenswil zurückkehren. Was wird anders sein?
Roland Fässler: Ich hatte Ende April eine Wohnungsabklärung. Dabei wird man mit dem Pflegeteam und einem spezialisierten Architekten nach Hause gefahren, wo die Wohnsituation analysiert wird. Bei mir war bei der zweiten Treppe klar, dass die klassischen Treppenlifte nicht funktionieren würden. Nun besteht die Idee, einen Aussenlift zu bauen. Die Badezimmer sind eine Herausforderung, dort wird es auch Veränderungen geben. Klar ist, dass wir unser Heim weiter bewohnen wollen. Vom Architekten haben wir einen Umsetzungsvorschlag erhalten. Jetzt müssen wir uns sputen. Denn bis November muss das Haus für mich parat sein.
Philipp Kutter: Bei uns ist die Situation gleich. Unser Haus ist nur mit Aussenlift in einem Rollstuhl erschliessbar. Auch würde es viele andere Anpassungen geben: Schlafzimmer vergrössern, Badezimmer umbauen, Türen verbreitern und automatisieren, Sprachsteuerung für Licht, Rollläden usw. installieren – eine riesige Sache. Bei uns kommt deshalb auch ein Umzug in Frage, wenn wir rechtzeitig etwas Passendes finden. Wir möchten unsere Kinder nicht aus ihrem Umfeld reissen, deshalb müsste das neue Zuhause in der Nähe des bisherigen sein. Die aktuell anstehenden Neubauprojekte im Zentrum werden für uns leider alle etwas zu spät realisiert.
In Bern hatte ich für die Sessionen jeweils ein Zimmer in einer Altstadtwohnung gemietet, da wird es eine andere Lösung brauchen.
… und worauf freut Ihr Euch am meisten? Wünscht Ihr Euch was?
Philipp Kutter: Ich freue mich vor allem auf das Zusammensein mit meiner Familie …
Roland Fässler: … das hat für mich auch erste Priorität: mit der Familie im eigenen Heim an einem Tisch zu sitzen. Das kommt im Moment viel zu kurz.
Philipp Kutter: Ich freue mich auch, wenn ich wieder am sozialen Leben in Wädenswil teilnehmen kann. Wieder an einem Anlass dabei sein, ein Konzert zu besuchen. Auch wieder berufstätig zu sein – das fliesst bei mir natürlich alles etwas zusammen.
Was wollt Ihr den Wädenswilerinnen und Wädenswilern mitteilen?
Roland Fässler: Es geht uns hier gut und wir kommen sicher zurück!
Philipp Kutter: Unsere Situation ist eigentlich unfassbar. Ich hätte mir nie vorstellen können, einmal im Rollstuhl zu sitzen und mich vom Hals abwärts praktisch nicht mehr bewegen zu können, für jede noch so kleine Alltagsverrichtung Hilfe zu benötigen. Und auf einmal ist man in dieser Situation – das ist nicht einfach. Es hilft sehr, dass wir merken, wie viele Leute in Wädenswil an uns denken und mitfühlen. Das ist wunderschön, sehr berührend und gibt uns Kraft und Mut, weiterhin alles zu geben in unserer Reha. Für diese grosse Unterstützung, für all die lieben Grüsse und Wünsche, möchte ich mich bei allen Wädenswilerinnen und Wädenswilern von ganzem Herzen bedanken. Ihr seid grossartig!
Spezialklinik für Querschnittgelähmte
Eine Querschnittlähmung bedeutet viel mehr, als im Rollstuhl zu sitzen und hat gravierende Einschnitte für die Betroffenen zur Folge: Der Verlust der Mobilität, nicht mehr gehen und allenfalls auch die Arme nur noch eingeschränkt nutzen zu können sowie der Verlust der Sensorik und der Blasen-, Darm- und Sexualfunktionen. Dass Menschen mit Querschnittlähmung ein selbstbestimmtes Leben bei bestmöglicher
Gesundheit führen können, das ist die Vision des Schweizer Paraplegiker-Zentrums (SPZ)
im luzernischen Nottwil.
Das SPZ ist eine private Spezialklinik für die Erstversorgung, Akutbehandlung, ganzheitliche Rehabilitation und lebenslange Betreuung von Querschnittgelähmten. Gegründet wurde die Schweizer Paraplegiker-Stiftung (SPS) 1975 von Dr. Guido A. Zäch, der damals als Chefarzt des Paraplegikerzentrums in Basel arbeitete. Der Spatenstich für das Paraplegikerzentrum SPZ in Nottwil erfolgte im März 1987, Eröffnung war am 1. Oktober 1990. Bereits 1998 wurden die ersten Erweiterungsbauten notwendig.
2022 waren rund 1600 Querschnittgelähmte stationär im SPZ in Behandlung, es betrieb durchschnittlich 180 Betten und beschäftigte rund 1600 Mitarbeitende. COVID-19-bedingte Krankheitsausfälle und der Fachkräftemangel beim Pflegepersonal führten zu Kapazitätseinbussen, weshalb der Betrieb der vollen Bettenkapazität von 204 Betten nicht möglich war. 71% der neu Querschnittgelähmten sind männlich.
In 42% der Fälle führt ein Unfall zur Querschnittlähmung, dabei sind Stürze (42%), Sport (30%) und Verkehr (24%) die häufigsten Ursachen.
www.paraplegie.ch
Am 3. Februar verunglückte Philipp Kutter, Wädenswiler Stadtpräsident und Nationalrat, während eines Skitages mit Freunden schwer. Bei einem Sturz brach er sich den 5. Halswirbel. Dabei wurden die Nerven im Rückenmark beschädigt; seither ist er von den Schultern abwärts querschnittsgelähmt. Nur zehn Tage später zog sich Roland Fässler auf der Skipiste die gleichen schweren Verletzungen zu. Wie Kutter wurde er nach einer Operation im Spital ins Schweizer Paraplegiker-Zentrum Nottwil verlegt. Fässler ist Präsident der Interessengemeinschaft Wädenswiler Sportvereine und Vizepräsident des Zentralvorstands Zürcher Turnverband. Der Wädenswiler Anzeiger traf beide am 24. Mai in Nottwil.
Interview: Stefan Baumgartner
Bilder: Anja Kutter
Zuerst: wie geht es Euch heute?
Roland Fässler: Den Umständen entsprechend gut. Wir sind mit unseren Verletzungen gut aufgehoben und an einem Top-Ort. Ich konnte kürzlich sogar einen Meilenstein feiern: Bis vor Ostern bewegte ich mich auch in einem vollelektrischen Rollstuhl, wie Philipp ihn fährt. Dann meinten die Therapeuten, dass ich nach den Festtagen einmal einen manuellen Rollstuhl ausprobieren könnte. Ich sah diesen bereits bei uns auf der Station stehen und fragte die Pflegekraft, ob ich darin etwas üben dürfte. Ich hatte sofort ein gutes Gefühl damit, und die Therapeuten sagten: «Du kannst ja schon alles!» Das war ein grosser Moment für mich. Seither bin ich nur noch im manuellen Rollstuhl mit Elektrounterstützung unterwegs. Fährt sich wie ein E-Bike. Mein Vorteil war, dass ich von Beginn weg mit beiden Armen arbeiten konnte. Der Linke ist einfach stark beeinträchtigt. Wenn Philipp weiter Fortschritte macht, wird er hoffentlich auch bald auf einen manuellen Rollstuhl wechseln können.
Philipp Kutter: Wir werden hier gefordert und gefördert. Ich bin in meinem ganzen Leben noch nie so viel im Kraftraum gewesen. Jeden Tag trainieren wir, um die noch funktionierenden Muskeln zu erhalten und zu stärken. Das Therapieprogramm wird jeweils speziell auf die Verletzung angepasst. Täglich gibt es Physio- und Ergotherapie. Es wird auch viel mit Strom gearbeitet, um Muskeln und Nerven zu stimulieren und bestenfalls zu reaktivieren. Alle 14 Tage werden gemeinsam Ziele und Schwerpunkte definiert. Ich beispielsweise wünschte, dass meine rechte Schulter und mein rechter Arm stärker würden. Die rechte Seite macht mir seit Beginn Mühe. Gut, mit den Beinen habe ich noch viel mehr Mühe, die kann ich gar nicht bewegen. Aber an der Stärkung von Schulter und Arm arbeite ich mit aller Kraft.
Gibt es denn gerade mit der rechten Schulter Fortschritte?
Philipp Kutter: Ja, seit ein paar Tagen geht auf der rechten Seite zum Glück ein bisschen was. Ich kann nun den Arm leicht heben, das konnte ich vor einer Woche noch nicht. Man muss aber akzeptieren, dass die Fortschritte sehr klein sind. Man wacht nicht eines Morgens auf und kann plötzlich das Bein wieder bewegen. Aber zumindest sind es kleine Schritte. Das macht Mut.
Roli, als Du auf die Skis gingst: Hattest Du schon Kenntnis von Philipps Unfall?
Ja, ich wusste von seinem Unfall. Und die Nachricht hat mich – wie alle – sehr betroffen gemacht. Ich hatte Philipp auch noch eine Karte geschrieben vor meinem Urlaub. Bedenken bezüglich Skifahren hatte ich aber nicht. Und dann schlägst Du mit dem Kopf auf der Piste auf, es «chruglet» dich zusammen … Ich war immer bei Bewusstsein, wollte nach dem Sturz den linken Arm hervorziehen. Als dieser wie ein Gummiball zurücksprang, merkte ich, dass etwas nicht stimmte, rechte Seite dasselbe, und aufstehen ging auch nicht mehr. Als ich dann nach Nottwil kam, lag ich zuerst auf der Intensivstation, und als es um die Verlegung auf die Abteilung ging, kam für mich nur die Station in Frage, auf der auch Philipp liegt.
(Philipp wirft ein) Station F wie Fässler (beide lachen)!
Wie war es für Dich, Philipp, als Du auf einmal ein «Gspänli» bekamst?
So ein Unfall ist eine furchtbare Sache. Ich kann deshalb nicht sagen, dass es mich freut, dass Roli auch hier ist. Ich würde ihm von Herzen wünschen, dass er gesund zuhause sein könnte. Wir standen Ende Januar an der Wädenswiler Sportlerehrung noch gemeinsam auf einer Bühne – er als Gastgeber, ich als Gratulant. Eine Woche später verunglückte ich, zwei Wochen später er. Natürlich ist es schön, wenn man jemanden aus der Heimat an der Seite hat. Jemanden, den man kennt, mit dem man verbunden ist und sich austauschen kann. Es wäre anders, ganz allein hier zu sein. Manchmal haben wir auch gemeinsamen Besuch.
(Roli wirft ein) Das ist schon speziell: Zwei Wädenswiler Urgesteine, auch fast Nachbarn – und man trifft sich hier wieder.
… und wie sieht Euer Tagesablauf aktuell aus?
Philipp Kutter: Wir haben fünf bis sechs halbstündige oder stündige Therapielektionen täglich. Von Zeit zu Zeit gibt es medizinische Abklärungen, auch wenn Komplikationen auftreten. Roli macht sogar noch an einer Studie mit …
Roland Fässler: … genau! Bei meinem Eintritt hier bezirzten sie mich, sie würden noch Teilnehmer für eine Studie zum Blasenmanagement suchen, und ich sagte zu. So war ich bisher sicher sechsmal im MRI, mehrmals in der Urologie. Ich kann nun sagen: bei mir ist nun alles getestet.
Die Wochen sind hier ziemlich durchgetaktet, beginnend mit der Morgenpflege, danach, spätestens um 10 Uhr Therapie bis zum Mittagessen, eine Stunde Mittagspause, dann geht’s weiter bis um 17 Uhr. Und das Montag bis Donnerstag. Am Freitag ist eine Stunde früher Schluss – so können wir das Wochenende einläuten (schmunzelt). So gehen die Wochen extrem schnell rum. Wir sind nun schon über drei Monate hier, das kommt mir aber gar nicht so vor.
Zur weiteren Karriere hast Du, Philipp, verlauten lassen: «Ich kann sprechen und – soweit man das von einem Politiker erwarten kann – denken», und hast auch Deine Ambitionen in Bundesbern bestätigt. Wie siehst Du Deine Rolle künftig in Bern und in Wädenswil? Und inwiefern wird der Unfall auch Einfluss auf Deine Arbeit haben?
Philipp Kutter: Ich bin nun vier Monate hier und habe mir in dieser Zeit natürlich viele Gedanken gemacht, auch zu meiner Zukunft. Klar ist für mich, dass ich gerne weiter politisch tätig sein möchte. Das kann man auch gut vom Rollstuhl aus. Mein Ziel ist, dass ich sowohl in Wädenswil als auch in Bern weiterhin meine Ämter ausführen kann. Bei meiner Tätigkeit sind die Voraussetzungen zum Glück gut. Anders wäre es, wenn ich einen handwerklichen Beruf hätte.
Für mich stellt sich eigentlich nicht die Frage, ob ich in die Politik zurückkehre, sondern eher wie viel ich wie schnell wieder machen kann. Das Pensum von früher werde ich bestimmt nicht mehr stemmen können. Ich bin mir auch bewusst, dass ich mehr Unterstützung brauchen werde. In Bern haben viele Nationalrätinnen und Nationalräte eine persönliche Mitarbeiterin oder einen persönlichen Mitarbeiter. Ich habe bis jetzt darauf verzichtet, würde in Zukunft aber vermutlich auch jemanden anstellen. Vielleicht werde ich auch das eine oder andere Mandat weitergeben müssen. So weit bin ich mit meiner Planung aber noch nicht. Was aber sicher nicht mehr geht, ist, so aktiv an Anlässen teilzunehmen wie früher. Bei einer Badi-Eröffnung werde ich etwa nicht mehr vom Sprungturm springen können oder auf der Eisbahn mit Kufen übers Eis flitzen. Aber da könnten ja meine Stadtratskolleginnen und -kollegen einspringen.
Philipp arbeitet vorwiegend mit dem Kopf. Wie sieht das bei Dir aus, Roli?
Ich hatte bis Ende 2021 meine eigene Firma im Bereich Gebäudeautomation. Mit der Pandemie hat sich dieser Markt extrem verschärft, und ich als Kleinstfirma hatte zusehends Mühe, an lukrative Aufträge zu kommen. So entschied ich mich, mich in eine andere Firma, die zur BKW-Gruppe (BKW Energie AG, ehemals Bernische Kraftwerke AG) gehört, einzugliedern. So bin ich seit 2022 wieder angestellt. Mein Arbeitgeber hat bereits klar signalisiert mich weiterbeschäftigen zu wollen. Ich werde sicher nicht mehr 100% dieselben Aufgaben übernehmen können, aber mir wurde ganz klar beschieden, dass für mich immer Platz sei für eine Beschäftigung. Auch von Kunden, die ich betreue, höre ich, dass sie auf meine Rückkehr warten. Beruflich gesehen kann ich also gelassen in die Zukunft schauen.
Philipp wirft ein: Unser Arbeitsmarkt-System ist so aufgebaut, dass alle Beteiligten ein Interesse daran haben, dass wir trotz Behinderung wieder in den Arbeitsprozess zurückkehren. Die Alternative wäre eine IV-Rente.
Ihr habt beide Kinder und tolle Frauen – auch für sie alle gab und gibt es durch Euren Unfall grosse Veränderungen. Wie sehen diese aus? Was wird ihre künftige Rolle sein?
Roland Fässler: Wir hatten immer ein sehr intaktes Familienleben, wir wohnen auch noch unter dem selben Dach wie meine Mutter. Diese harte Veränderung hat uns eher noch mehr zusammengeschweisst. Die Familie schaut, was sie tun kann. Es gibt auch kein Familienglied, das extrem leidet. Wir schauen alle positiv nach vorne, auch als Familie möchten wir aus meinem Aufenthalt hier das Beste machen. Für meine Frau ist es aktuell natürlich eine harte Zeit, wobei meine Kinder schon sehr selbstständig sind. Der jüngste (16, Janic) ist oft mit dem Turnkader unterwegs, der ältere (Sven) wird 19, die Tochter (Aline) wird 22. Auch meine Mutter kommt oft zu Besuch. Mein Vater starb früh, da musste sie auch loslassen können. Bei mir weiss sie immerhin, dass ich wieder nach Hause komme.
Philipp Kutter: Für meine Frau Anja ist es eine ebenso herausfordernde Zeit. Sie stemmt die Familie und alles rund um unser Zuhause, gleichzeitig kümmert sie sich um unser Geschäft. Und sie unterstützt auch mich, wo sie kann. Es gibt so viel zu organisieren und neu zu regeln. Ich bewundere, mit wie viel Kraft sie die Situation meistert.
Bei uns dreht sich viel um die Kinder. Sie brauchen uns mit 9 und 11 Jahren noch mehr als die von Roli. Aber ich staune und bin beeindruckt, wie natürlich und pragmatisch sie die Sache annehmen: Jetzt ist Papi halt im Rollstuhl, aber sonst noch der Gleiche. Für sie ist es eher ein Problem, dass ich nicht zuhause bin. Aber klar: es wird eine riesige Umstellung für uns alle. Wir müssen uns von ganz vielen Dingen verabschieden, die uns lieb sind. Die Wohnsituation wird sich verändern, in den Ferien werden wir keine Wanderungen zu SAC-Hütten mehr machen oder gemeinsam im See baden können. Das ist traurig. In Kontakt bleiben wir durch tägliche Video-Anrufe. Und am Wochenende bekomme ich jeweils Besuch von meiner Familie. Wenn’s geht übernachten sie sogar hier im Hotel nebenan, damit wir mehr gemeinsame Zeit haben.
Heinz Frei, der bekannteste Schweizer Rollstuhl-Sportler, sagte einst in einem Interview: «Ich träume immer noch vom Skifahren, vom Langlaufen oder wie ich durch den Wald jogge». Was träumt Ihr?
Roland Fässler: Ich träumte kürzlich, dass ich meine Hände, meine Finger wieder bewegen kann. Aber am folgenden Morgen merkte ich dann: Oh, die sind immer noch gleich steif …
Philipp Kutter: Ich weiss am Morgen meistens nicht mehr, was ich geträumt habe. Aber hier haben eigentlich alle den gleichen grossen Traum: eines Tages ohne Rollstuhl rauslaufen zu können. Aber wir müssen uns bewusst sein, dass dies eben ein Traum ist und man auch mit weniger zufrieden sein muss.
Roland Fässler: Wir hatten hier einen Mitpatienten auf der Abteilung, der wurde im selben Status wie wir beiden eingeliefert. Der wurde nun letzten Freitag entlassen, er kann laufen und seine Arme und Finger bewegen. Etwas eingeschränkt zwar, aber er ist mobil. Das gibt auch wieder Zuversicht.
Philipp Kutter: Nebst dem Traum habe ich das Ziel, in Zukunft ein möglich selbstständiges Leben zu führen. Dafür kämpfe ich.
Ihr wart beide oft auf Sportplätzen anzutreffen. Habt Ihr Euch schon mit Aktiv-Sport beschäftigt? Oder ist dazu zu früh?
Roland Fässler: Was ich sicher möchte, ist das Amt des IWS-Präsidenten weiterführen. Auch beim Zürcher Turnverband und im Verwaltungsrat des Sportzentrums Zürich will ich mich weiter einbringen. Ob ein Rollstuhlsport einmal aktuell wird, weiss ich noch nicht. Skibobfahren würde mich sicher reizen. Aber das steht noch in den Sternen. Aber ich war früher immer aktiv und würde das gerne so beibehalten.
Philipp Kutter: Ich war immer gerne draussen in Bewegung. Ich gebe mir Mühe, dass das in einer anderen Form wieder möglich sein wird.
Im Herbst werdet Ihr nach Wädenswil zurückkehren. Was wird anders sein?
Roland Fässler: Ich hatte Ende April eine Wohnungsabklärung. Dabei wird man mit dem Pflegeteam und einem spezialisierten Architekten nach Hause gefahren, wo die Wohnsituation analysiert wird. Bei mir war bei der zweiten Treppe klar, dass die klassischen Treppenlifte nicht funktionieren würden. Nun besteht die Idee, einen Aussenlift zu bauen. Die Badezimmer sind eine Herausforderung, dort wird es auch Veränderungen geben. Klar ist, dass wir unser Heim weiter bewohnen wollen. Vom Architekten haben wir einen Umsetzungsvorschlag erhalten. Jetzt müssen wir uns sputen. Denn bis November muss das Haus für mich parat sein.
Philipp Kutter: Bei uns ist die Situation gleich. Unser Haus ist nur mit Aussenlift in einem Rollstuhl erschliessbar. Auch würde es viele andere Anpassungen geben: Schlafzimmer vergrössern, Badezimmer umbauen, Türen verbreitern und automatisieren, Sprachsteuerung für Licht, Rollläden usw. installieren – eine riesige Sache. Bei uns kommt deshalb auch ein Umzug in Frage, wenn wir rechtzeitig etwas Passendes finden. Wir möchten unsere Kinder nicht aus ihrem Umfeld reissen, deshalb müsste das neue Zuhause in der Nähe des bisherigen sein. Die aktuell anstehenden Neubauprojekte im Zentrum werden für uns leider alle etwas zu spät realisiert.
In Bern hatte ich für die Sessionen jeweils ein Zimmer in einer Altstadtwohnung gemietet, da wird es eine andere Lösung brauchen.
… und worauf freut Ihr Euch am meisten? Wünscht Ihr Euch was?
Philipp Kutter: Ich freue mich vor allem auf das Zusammensein mit meiner Familie …
Roland Fässler: … das hat für mich auch erste Priorität: mit der Familie im eigenen Heim an einem Tisch zu sitzen. Das kommt im Moment viel zu kurz.
Philipp Kutter: Ich freue mich auch, wenn ich wieder am sozialen Leben in Wädenswil teilnehmen kann. Wieder an einem Anlass dabei sein, ein Konzert zu besuchen. Auch wieder berufstätig zu sein – das fliesst bei mir natürlich alles etwas zusammen.
Was wollt Ihr den Wädenswilerinnen und Wädenswilern mitteilen?
Roland Fässler: Es geht uns hier gut und wir kommen sicher zurück!
Philipp Kutter: Unsere Situation ist eigentlich unfassbar. Ich hätte mir nie vorstellen können, einmal im Rollstuhl zu sitzen und mich vom Hals abwärts praktisch nicht mehr bewegen zu können, für jede noch so kleine Alltagsverrichtung Hilfe zu benötigen. Und auf einmal ist man in dieser Situation – das ist nicht einfach. Es hilft sehr, dass wir merken, wie viele Leute in Wädenswil an uns denken und mitfühlen. Das ist wunderschön, sehr berührend und gibt uns Kraft und Mut, weiterhin alles zu geben in unserer Reha. Für diese grosse Unterstützung, für all die lieben Grüsse und Wünsche, möchte ich mich bei allen Wädenswilerinnen und Wädenswilern von ganzem Herzen bedanken. Ihr seid grossartig!
Spezialklinik für Querschnittgelähmte
Eine Querschnittlähmung bedeutet viel mehr, als im Rollstuhl zu sitzen und hat gravierende Einschnitte für die Betroffenen zur Folge: Der Verlust der Mobilität, nicht mehr gehen und allenfalls auch die Arme nur noch eingeschränkt nutzen zu können sowie der Verlust der Sensorik und der Blasen-, Darm- und Sexualfunktionen. Dass Menschen mit Querschnittlähmung ein selbstbestimmtes Leben bei bestmöglicher
Gesundheit führen können, das ist die Vision des Schweizer Paraplegiker-Zentrums (SPZ)
im luzernischen Nottwil.
Das SPZ ist eine private Spezialklinik für die Erstversorgung, Akutbehandlung, ganzheitliche Rehabilitation und lebenslange Betreuung von Querschnittgelähmten. Gegründet wurde die Schweizer Paraplegiker-Stiftung (SPS) 1975 von Dr. Guido A. Zäch, der damals als Chefarzt des Paraplegikerzentrums in Basel arbeitete. Der Spatenstich für das Paraplegikerzentrum SPZ in Nottwil erfolgte im März 1987, Eröffnung war am 1. Oktober 1990. Bereits 1998 wurden die ersten Erweiterungsbauten notwendig.
2022 waren rund 1600 Querschnittgelähmte stationär im SPZ in Behandlung, es betrieb durchschnittlich 180 Betten und beschäftigte rund 1600 Mitarbeitende. COVID-19-bedingte Krankheitsausfälle und der Fachkräftemangel beim Pflegepersonal führten zu Kapazitätseinbussen, weshalb der Betrieb der vollen Bettenkapazität von 204 Betten nicht möglich war. 71% der neu Querschnittgelähmten sind männlich.
In 42% der Fälle führt ein Unfall zur Querschnittlähmung, dabei sind Stürze (42%), Sport (30%) und Verkehr (24%) die häufigsten Ursachen.
www.paraplegie.ch