Richterswil

Autarkes Tiny House auf Weltreise

Seit bald einem Jahr ist der SolarButterfly auf Reisen und will in über 90 Ländern aufzeigen, dass bereits heute ein klimaneutrales Leben möglich ist. Am 12. April war der exzentrische Riesen-Schmetterling in Richterswil zu Besuch.

Text: Reni Bircher
Bilder: Reni Bircher/zvg

Der Schweizer Solarpionier Louis Palmer hat zusammen mit der Hochschule Luzern einen Wohnwagen mit Solar-Flügeln entwickelt. Er besteht aus über 800 Kilogramm PET-Flaschen, die aus dem Meer gefischt wurden. Dank einem speziellen Verfahren der Firma «3AComposites Core Materials», welches in Sins extra für den SolarButterfly entwickelt wurde, konnte das Material vor allem für die Wände und Möbel verwendet werden, jedoch auch für die Solarpaneele. Diese wiegen nur 4,3 kg/m2 und befinden sich auf Dach und Flügeln des Schmetterlings. Eine bahnbrechende Technologie, die es Autos und Lastwagen ermöglicht, ihre eigene Solarenergie zu erzeugen, den Verkehr sauberer und energieunabhängiger zu machen. Und das überall auf der Welt.

Mit der gesammelten Energie (40 m2 Solarzellen auf dem SolarButterfly und 80 m2 extern) können bis zu 120 kWh pro Tag erzeugt werden, somit ist das Tiny House auf Rädern vollkommen selbstversorgend: Warmwasser, Heizung und Klimaanlage laufen mit Solarenergie, und diese liefert gar den Strom für das Zugfahrzeug für den Standortwechsel. 

Das Regenwasser, das sich auf Dach und Flügeln des SolarButterfly sammelt, wird gereinigt und als Trinkwasser aufbereitet. Und es zeigt: Ein nachhaltiges Leben auf der Basis erneuerbarer Energien ist schon heute möglich.

Erste Weltumrundung

Louis Palmer ist bereits von 2007–2008 mit einem solarbetriebenen Fahrzeug, dem Solartaxi, zu einer weltumspannenden Reise aufgebrochen, um auf die Klimakrise aufmerksam zu machen. Sein Ziel: Menschen auf der ganzen Welt zu inspirieren, Lösungen gegen die globale Erwärmung auszuarbeiten. Mit seiner einfachen Botschaft erreichte er die Aufmerksamkeit von 770 Millionen Menschen. 

15 Jahre später steigt die Kurve der CO2-Emissionen steiler als je zuvor, und so entschied der Umweltaktivist, dass die Zeit für die Inspiration vorbei ist. Er sagt: «Ich will mit 80 Jahren nicht denken müssen: ‹Hätte ich nur etwas unternommen›». Die Zeit für Veränderungen und ein neues Projekt war gekommen.

Louis Palmer im Interview

Herr Palmer, alles in allem wollt Ihr während vier Jahren die gesamte zivilisierte Welt bereisen und dabei die Machbarkeit eines sauberen, umweltfreundlichen Agierens des Menschen auf diesem Planeten demonstrieren. Wurdet Ihr bisher immer willkommen geheissen?

Immer, ohne Ausnahme. Auch schon mit dem Solartaxi. Das ist schon erstaunlich und das, was mich antreibt: die Unterstützung und Begeisterung für diese wichtige Unternehmung. 

Ihr sucht den Kontakt zu Unternehmen und Personen, welche sich mit der Klimaerwärmung befassen und dieser mit innovativen Ideen entgegenhalten wollen. Das Ziel wäre, 1000 solcher klugen Köpfe zu finden – haben Euch die bisherigen Erfindungen oder Errungenschaften dieser Menschen beeindruckt?

Absolut! Das ist ja das Bizarre an der Sache: die Ideen und Lösungen sind da! 

Ich vergleiche den notwendigen Wandel gerne mit dem Schmetterling. Solange er Raupe ist, ist er abhängig vom Boden. Durchläuft er die Metamorphose, kann er seine Flügel ausbreiten und ist unabhängig. Und wir Menschen müssen das auch machen, unabhängig werden vom Boden, also von Erdöl, Erdgas und Kohle.

Damit lässt sich auch noch Geld sparen – das sollte für jeden ein Anreiz sein, wenn es schon nicht die Rettung des Planeten und die Zukunft unserer Kindeskinder ist. Es gäbe so viele Dinge, die sich für den Einzelnen auszahlen würden.

Können Sie Beispiele solcher Lösungen anführen?

Da gäbe es jede Menge! In Finnland gibt es einen Turm mit 100 Tonnen Sand, der als eine Art Batterie fungiert. Die Solarzellen um den Turm herum heizen den Sand im Sommer auf 500 Grad auf, der das wunderbar speichern kann. Und im Winter gibt dieser mittels eines Gebläses die Wärme in das Gebäude daneben ab. Das reicht etwa bis im Mai, wenn die Sonne in Finnland wieder kommt und die Neuaufladung erfolgt.

Dann wurde in Berlin eine «grüne» Suchmaschine entwickelt, www.ecosia.org. Jede Suchanfrage generiert Einnahmen, doch anstatt dass diese Gelder in die Taschen der eh schon reichen Shareholder fliessen, werden damit Bäume gekauft und gepflanzt. Die Abholzung der Wälder macht schon 8% der Klimaerwärmung aus. Es muss also aufgeforstet werden! Die globale Erwärmung bekämpfen, heisst Ecosia nutzen.

In Italien werden schon seit achtzig Jahren geothermische Kraftwerke genutzt. Es wurden Löcher in die Erde gebohrt, in die Wasser geleert wird. Die Vulkanerde erhitzt das Wasser und 200 Grad, heisser Dampf steigt auf, der eine Dampfturbine antreibt und via Dynamo Strom erzeugt.

Ich bin Fan der Solarenergie, aber Hand aufs Herz: im Winter gibt es da nicht viel zu produzieren. Deshalb sollte jedes Land auf seine eigenen Ressourcen bauen, die sich kostengünstig und effizient ausbauen lassen.

Ist die Entwicklung – oder eben deren Verhinderung – von sauberer Energie eine Geldfrage, möglicherweise auch eine «Einstellungssache» von Bevölkerung und/oder Staatsoberhäuptern?

Ich denke, es ist beides. Ein Grossteil der Bevölkerung weiss zwar, dass wir Probleme haben, doch wie der Klimawandel entsteht und was die Ursache ist, scheint unklar zu sein. Die Politiker sind vom Volk gewählt und entsprechend auf dem gleichen oder ähnlichen Level. 

Ein gesellschaftlicher Wandel findet durch Aufklärung statt, aber es braucht noch viel Aufklärung und Umdenken – auch in der Politik –, dass der Wandel möglich wird.

Leben Sie während der Reisen in Ihrem SolarButterfly?

Ja klar, wenn ich zu weit weg bin von zuhause. Es hat ja alles, was man braucht: Küche, Dusche, WC und fünf Betten.

Sie reisen nicht immer selber mit, denn Sie organisieren die Tour und leiten Ihr Hauptquartier in Luzern. Was für Leute sind dann unterwegs, um Ihre Botschaft zu verbreiten?

In der Schweiz bin ich gerne dabei, ansonsten koordiniere ich die Touren, versuche Leute für unsere Sache zu gewinnen und führe die Firma. Im Ausland übernehmen andere äusserst motivierte junge Leute Fahrt und Präsentation, da braucht es mich nicht. Schliesslich gehört ihnen die Zukunft und sie sollen die Welt entdecken, ich habe das schon hinter mir. Wir haben aber auch Senioren im Team, die unserer Mission ihre Zeit schenken.

Mögliche wäre es, eine Strecke von 200 km an einem Tag zurückzulegen …

Als Test haben wir es probiert, auf der Reise zu neuen Etappen war das bisher jedoch nicht nötig.

Herr Palmer, Sie sagten einmal «Jeder von uns hat die Wahl, entweder Teil des Problems oder Teil der Lösung zu sein» … wann beginnt Ihrer Meinung nach der Denkprozess, der den gesellschaftlichen Wandel herbeiführt?

Schwierige Frage … Nun, ich bin kein Prophet *lacht*. Ich hoffe allerdings, dass dieser schnell kommt, denn die Menschen für den Umweltschutz zu sensibilisieren ist schwierig. Darum ist uns daran gelegen, zahlbare Lösungen aufzuzeigen. Aber man muss ehrlich sein: Das Umdenken setzt bei den meisten nicht ein, weil man die Welt retten will, sondern, um Geld zu sparen. Oder weil es gerade «in Mode» ist. 

Viele Lösungen stecken noch in den Kinderschuhen; ich bin aber sicher, dass sie sich durchsetzen werden – ob das noch rechtzeitig passieren wird … keine Ahnung.

Uns Menschen bleibt noch ein kleines Zeitfenster, um zu handeln, aber das wird sich irgendwann schliessen und dann ist der Zug abgefahren. 

Es dürfte vermutlich eher von Erfolg gekrönt sein, wenn konkrete Lösungen präsentiert werden können …

Das ist richtig. Die Frage ist, wann die Lösungen parat sind. Ein solches Beispiel wäre das E-Bike: das war für junge Leute anfangs undenkbar, sich ein solches zuzulegen, und heute ist das absolut salonfähig. 

Gerade junge Menschen sind seit Jahren aktiv daran, einen raschen Wandel herbeizuführen, manchmal auf sehr verzweifelte Weise; werden sie von den Mächtigen nicht gehört oder ist die Politik zu langsam?

Beides, und das weltweit. Da sind einerseits die demokratischen Prozesse, die sehr langsam sind – und die oftmals durchaus gewollt in diesem Prozessablauf stagnieren. Aber es gibt auch die Politiker, welche alles endlich beschleunigen wollen.

Die Corona-Pandemie hat gezeigt, dass rasch Lösungsansätze gefunden und umgesetzt werden können. Damals fand ein Umdenken statt, weil Menschenleben auf dem Spiel standen. Schnelles Handeln war notwendig, um Kranke und ältere Leute zu schützen. 

Es kann jedoch nicht sein, dass wir die Jungen nicht auch retten! Wenn die Jungen gegen etwas demonstrieren und mehr Achtsamkeit für den Planeten fordern, heisst es oftmals «Kein Geld». Das kann einfach nicht sein. Das macht mich wütend und war unter anderem ein Grund, warum ich den SolarButterfly gebaut habe. Ich wollte ein Zeichen setzen.

Im Gegensatz zum Wissen, was es für uns bedeutet krank zu sein, ist die globale Erwärmung nicht in unseren Genen drin, sie gehört nicht zu unserem Instinkt. Daher wird es nicht einfach sein, bei den Menschen ein Bewusstsein dafür herbeizuführen. Aber wir arbeiten daran und die Feedbacks sind gut.

Die Lösungen sind ja da, und das Geld auch – und wenn nicht in der Schweiz, wo dann?

Was wäre Ihr Wunsch für die Unternehmung «SolarButterfly»?

Dass wir Millionen von Menschen für den Klimawandel sensibilisieren können, und aufzeigen, dass die Welt voller Lösungen ist. Immerhin sind wir dafür vier Jahre unterwegs … 

Weiterreise

Die diesjährige Tour durch die Schweiz dauert vier Wochen, dann folgen Österreich, Deutschland und Grossbritannien. Danach reist der SolarButterfly mit dem Schiff nach Kanada, wo die Crew für sechs Monate zwischen Halifax und Panama unterwegs sein wird.

Auf der Strasse sind es vier bis fünf Leute, die den beflügelbaren Wohnwagen begleiten. An den einzelnen Stationen braucht es Personen, die das Gefährt kennen, die in der Materie ausgebildet worden sind und allfällige Mängel beheben können. Aber auch Leute, die sich um die Kommunikation mit Behörden und Bevölkerung kümmern.

Bis zum Zehn-Jahr-Jubiläum des Pariser Klimaabkommens am 12. Dezember 2025 ist der SolarButterfly in der ganzen Welt unterwegs und besucht auf seinen Etappen Projekte und Unternehmen mit genialen Ideen, welche den Klimawandel bekämpfen. 1000 und mehr Klimapioniere sollen es sein, die dann im Amazonas bei der Klimakonferenz Ende 2025 aus erster Hand vorgestellt werden.

 

Technische Details des SolarButterfly

Länge: 10,3 m

Breite: 2,15 m

Höhe: 2,85 m

Flügelspannweite: 6,4 m

Gewicht: 3000 kg

Start

Teilen mit: