Feuilleton Wädenswil

Lyriklesung mit Thomas Dütsch

Thomas Dütsch ist ein Gedichteschreiber, ein Lyriker.
Am Freitag, 8. April, las er aus seinem neusten Gedichtband «Zwischenhoch».

Text & Bild: Ingrid Eva Liedtke

Ins Kirchgemeindehaus Rosen­matt­ hatte die Lesegesellschaft Wädenswil und der Nimbus-Verlag geladen. Die musikalische Begleitung übernahm das Akkordeon von Caspar Fries. Zu Beginn dieses Erlebnisberichtes einer Lyriklesung ein «Kleines Gedicht» von Thomas Dütsch:

Das dünnwandige Herz in den Garten tragen
und unter den Strahl der Sonne stellen
Das Morgenlicht einschiessen lassen
bis der blecherne Eimer randvoll ist

Dann erst unter die Menschen gehen

Eine sensible Seele

Da handelt es sich wohl, so scheint es der Zuhörerin und der Lesenden, um eine sensible Seele, die sich in Gedichten zu offenbaren sucht, um dieses «dünnwandige Herz» zu zeigen, geschützt durch Sprache.
Thomas Dütsch ist der Verfasser dieser intimen Lyrik. Er las aus seinem neusten Werk «Zwischenhoch». Geladen haben in Zusammenarbeit der Nimbusverlag, der, wie Verleger Bernhard Echte in seiner Eingangsrede sagt: «… endlich diesen dritten Band seines Freundes verlegen durfte» und die Lesegesellschaft Wädenswil.
Man habe befürchtet, so Echte, dass die Lesung nicht stattfinden könne wegen Corona, nun sei eine grössere Sorge aufgetaucht, nämlich die, ob im Angesicht des Krieges in Europa eine solche Veranstaltung überhaupt angebracht sei.
«Geht das, Gedichte und Krieg?», so übergab er die Frage kurz dem Publikum, um sie dann selbst mit dem Ansatz anzufreunden, dass Gedichte die Nachdenklichkeit in uns anstimmten, auch die Nachdenklichkeit über den Tod, und so könnte es passen.

Zwischenhoch ein Glücksfund

Nach «Windgeschäft» aus dem Jahre 2001 und «Weisszeug» von 2011 ist «Zwischenhoch» 2022 der dritte Lyrikband von Thomas Dütsch und – wie sein Verleger meint: «ein weiterer Glücksfund im inflationären Literaturbetrieb dieser Tage». Der Gedichtband ist wieder betitelt mit einer Wettermetapher und will damit vielleicht auf die Wechselhaftigkeit des Lebens und damit verbunden auf die der eigenen Gefühle und Stimmungen hindeuten. Eine dichte, auf das wesentliche reduzierte Sprache, bewahrt das grosse Gefühl vor Pathos und vermag doch das Innere des Lesers zu bewegen. Es entsteht eine Intimität, die neben einigen traurigen Schwingen auch offen ist für das kleine Schmunzeln oder ein leises Lächeln über den schönen Ort, der sich einem auftut.

Schreiben und langes Feilen

Im Interview, das Bernhard Echte mit dem Autor führt, und auch im persönlichen Gespräch wird klar, dass für Thomas Dütsch das Schreiben von Gedichten ein Ventil ist, um sich zu zeigen und auch, um Erlebtes zu verarbeiten, sei es eine Scheidung, den Lockdown oder eher die daraus resultierenden Gefühle wie Trauer, Einsamkeit, Enttäuschung, Hilflosigkeit, vielleicht Abspaltung.
Da ist aber auch immer Freude und ein Staunen über kleine, stille Schönheiten. Thomas Dütsch feilt lange an seinen Gedichten, vielleicht, gerade, weil er mit ihnen etwas sehr Intimes preisgibt.
Der Autor sagt: «Die Sprache schreibt an meinen Gedichten mit. Sie entstehen in den Schnittflächen von mir, der Welt und der Sprache. Diese Schnittmenge ist der Nährboden.»
Ein Nährboden, der Bedingungen schafft, dass grosse Gefühle und das Staunen in zarten Tönen nach aussen getragen werden können, ohne laut zu werden.
Doch genauere Interpretationen überlässt jede Kunst hoffentlich gerne dem Leser, dem Betrachter oder in diesem Fall dem Zuhörer.

Thomas Dütsch, geboren 1958 in Zürich, studierte Germanistik, Geschichte und Philosophie in Zürich, Tübingen und Berlin. Auf Einladung des Berliner Kultursenats war er 1991 sechs Monate Stipendiat im Literarischen Colloquium Berlin (LCB). Neben seiner beruflichen Tätigkeit als Lehrer und Sprachdozent an der Pädagogischen Hochschule Zürich publizierte er Gedichte in den Literaturzeitschriften «einspruch», «drehpunkt» und «Sprache im technischen Zeitalter». Auch die «Neue Zürcher Zeitung», die «Zeit» und der «Tages-Anzeiger» brachten Gedichte von ihm. Thomas Dütsch lebt in Wädenswil.

Mit dem Gedicht «Hände» schliesst er die Lesung:

Ich sitze im Ristorante Capelli in Prada
und möchte die beiden Hände sehen
welche das blaue Küchentuch über
die vorgewärmten Tassen auf der
Kaffeemaschine gelegt haben

Hier im kleinen ­Grenzort zu Italien
wo am Stammtisch sehr lange
geschwiegen wird
wo im Hochsommer an der Garderobe
zwei schwere feldgraue Wintermäntel
hängen
die handbestickten Tischläufer so alt sind
wie das Portrait von General ­Guisan
wo die Hühner als Dorfschönheiten
über den Flur stolzieren
und die Hauskatze den sanftmütigen
Wilderer quer über den Hof zu ihren
Jungen führt

Hier in diesem toten Winkel
der Weltgeschichte
trink’ ich meinen Wein bis ich
die beiden Hände gesehen habe – dann werde ich zahlen und gehen

Der Gedichtband «Zwischenhoch»
von Thomas Dütsch, ist beim Nimbus-Verlag oder im Buchhandel erhältlich.

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