History Richterswil

Richterswil über die Jahrhunderte im Pinselstrich festgehalten

Im Jahre 2017 wurden die Kunstwerke der Gemeinde Richterswil inventarisiert. Auf Antrag der Kommission Kultur hat der Gemeinderat letzten Sommer beschlossen, der Öffentlichkeit die gemeindeeigene Kunstsammlung in geeignetem Rahmen zugänglich zu machen.

Text: Reni Bircher, Bild: zvg

Auf verschiedenen Estrichen und Kellern über alle Verwaltungsgebäude verteilt fand sich eine vielseitige Sammlung mit faszinierenden Momentaufnahmen der Richterswiler (Kunst-) Geschichte. Einige Werke sind im Ortsmuseum, andere werden in Verwaltungsbüros und dem öffentlichen Raum präsentiert. Weitere Werke werden in einem Depot im Schulhaus Boden gelagert.

Nun will die Gemeinde diese Kunstsammlung ins rechte Licht rücken und plant mit «RichtiG Kunst – Werke aus der Richterswiler Kunstsammlung von 1770 bis heute» eine grosse Ausstellung mit einigen Rahmenveranstaltungen. Begleitend dazu werden das ganze Jahr über auf der Homepage der Gemeinde monatlich ein ausgewähltes Kunstwerk gezeigt und kurz erläutert.

Gerda Koch, Kulturbeauftragte und
Aktuarin der Kommission Kultur (KK)
der Gemeinde Richterswil, hat hierzu
ein paar Fragen beantwortet:

Wurde diese «Kunstinventur» das erste Mal gemacht in Richterswil?
Die Kunstsammlung war natürlich schon immer inventarisiert und in der Abteilung Finanzen geführt. 2017 haben wir seitens der Kulturförderung und mit Genehmigung des Gemeinderats das Inventar aus eigenem Antrieb mit einer Kunst-Inventar-Software erfasst, in welcher alle Werke neu auch fotografisch dokumentiert und hinterlegt sind. Des weiteren wurde die nicht im öffentlichen Raum ausgestellten Werke fachgerecht verpackt und an einem geeigneten Lagerort in der Gemeinde, einem ehemaligen Zivilschutzraum, zusammengeführt.

Welche Arten von Kunst wurden dabei zu Tage gefördert?
«Zu Tage gefördert» wurde nichts Neues. Die Werke befinden sich zum Teil in verschiedenen Liegenschaften der politischen Gemeinde (z.B. im Treppenhaus des Gemeindehauses, in den Büros von Mitarbeitenden, in Besprechungszimmern) – zum Teil eingepackt im oben erwähnten Lagerraum. Die meisten Objekte sind Gemälde in Öl oder Acryl, aber auch Kupferstiche, Fotografien, Skulpturen und textile Arbeiten sind dabei.

Wie viele Objekte umfasst die Sammlung der Gemeinde?
Aktuell 194.
Weiss man, wer mit dieser «Kunstsammlung» begonnen hat?
Das ist nicht dokumentiert. Ich denke weniger, dass die Sammlung von Anfang an ein Ziel war. Sie ist vielmehr das Ergebnis von Einzelankäufen über die Jahrzehnte.

Auf welcher Grundlage oder Idee wurde beschlossen, als Gemeinde die Werke zu erstehen?
Der Fokus lag damals und liegt heute noch darauf, das zeitgenössische lokale und regionale Kunstschaffen in der Kunstsammlung der Gemeinde abzubilden. Aber auch Ansichten von Richterswil und der Umgebung – von einheimischen und auswärtigen Kunstschaffenden – finden sich in der Kunstsammlung. Letztere sind oft gleichermassen von historischem und künstlerischem Wert und lassen zum Beispiel Rückschlüsse auf die Siedlungsentwicklung zu.
Dann gibt es in der Sammlung aber auch Glücks- und Zufälle, die nicht in dieses Raster passen, so zum Beispiel das grosse Wandbild in der Eingangshalle des Schulhauses Boden. Der heute berühmte Maler Alois Carigiet erhielt 1956, auf der Walz von Chur nach Zürich, beim Hauswarts-Ehepaar Wild in Richterswil Kost und Logis. Zum Dank an seine Gastgeber hinterliess er im Schulhaus Boden das Wandbild mit dem Titel «Pankraz der Schmoller» – geschenkt!

Worin besteht die Aufgabe einer Gemeinde, wenn sie sich für die Anschaffung eines Kunstobjektes entscheidet?
Gute Frage. Die Gemeinde ist in der Entscheidung, ob sie Kunst sammelt und wie viel sie dafür ausgibt, grundsätzlich frei, es gibt hierzu keine gesetzlichen Vorgaben. Letztlich ist dies ein politischer Entscheid, der – im Rahmen des Budgets – im Ermessen des Gemeinderats liegt.
Im Kulturkonzept der Kommission Kultur vom 31. Oktober 2014 ist festgelegt, dass die Kommission einzelne Kunstanschaffungen «zur Verschönerung und Belebung des öffentlichen Raums und der öffentlichen Gebäude» tätigt. Nach Möglichkeit werden lokale und regionale Kunstschaffende berücksichtigt.
Die KK würde sich auch wünschen, dass jeweils etwa 0,5 Prozent der Bausumme für Neu- und Umbauten an öffentlichen Gebäuden jeweils für «Kunst am Bau» eingesetzt werden. Ein schönes Beispiel dafür sind die von Julia Kälin künstlerisch gestalteten Glasscheiben («Astgabeln») an den Haltekanten des Bushofs.
Die Kommission ist darum bemüht, das vielfältige Schaffen in der Gemeinde in der Kunstsammlung abzubilden. Unter unseren Anschaffungen der jüngeren Zeit finden sich Künstlerinnen und Künstler von regionaler Bekanntheit, aber auch internationale Berühmtheiten der Kunstszene, wie Annelies Strba («Hiroshima», Gemeindehaus) oder Vivi Linnemann («Solarplexus», Seebad).
Mit dem diesjährigen Schwerpunkt «RichtiG Kunst» möchte die KK gerade auch diese Diskussion lancieren: Will und soll die Gemeinde das Kunstschaffen unterstützen, den öffentlichen Raum mit Kunst verschönern, Kunst sammeln und zeigen? Nach Abschluss des Projekts «RichtiG Kunst» wird die KK dem Gemeinderat einen Vorschlag unterbreiten, nach welchem Konzept künftige Kunstanschaffungen erfolgen sollen.
Ganz persönlich finde ich, dass unsere Künstlerinnen und Künstler und ihre Kunst die Gemeinde bereichern. Sie in ihrem Schaffen zu ermutigen und mit ihren Kunsterzeugnissen den öffentlichen Raum zu verschönern, stehen jeder Gemeinde gut an. Oder, um es mit den prägnanten Worten von Martin Blum, Mitglied der Kommission Kultur, zu sagen: «Kunst ist nicht nur Deko, sondern stiftet Identifikation!»

Wer kümmert sich um die Erhaltung, Pflege und Unterbringung der Objekte?
Die Kunstsammlung ist mir als Kulturverantwortlicher anvertraut. Die Inventarisierung und fachgerechte Lagerung hat die Kunstsachverständige, Marina Braunschweiger, in unserem Auftrag organisiert. Sie ist es auch, die von der KK mit der Kuration der Ausstellung «RichtiG Kunst» betraut wurde. Die Objekte, welche der Witterung ausgesetzt sind, werden von unseren Mitarbeitenden, die sich um den Unterhalt des öffentlichen Raums kümmern, gepflegt.

Auf der Homepage wird jeden Monat ein neues Exponat und seine Meisterin, sein Meister, vorgestellt; wie geht Ihr in der Reihenfolge vor?
Die Reihenfolge ist nicht chronologisch, sondern richtet sich nach besonderen Exponaten der Sammlung. Ein Augenmerk wird auch darauf gelegt, dass verschieden Epochen und Begriffe der Kunstgeschichte darin kurz angesprochen werden, wie auch verschiedene Kunstformen (Gemälde, Objekte, Skulpturen).

Wer hatte die Idee dazu?
Unsere Kuratorin, Marina Braunschweiger. Sie ist es auch, die die Bildauswahl trifft.

Wisst Ihr von jedem Objekt etwas Persönliches über den Künstler?
Zu den Kunstschaffenden gibt es in den Unterlagen zu den Werken praktische keine Hinweise. Die Präsentation für «RichtiG Kunst» erfordert deshalb Recherche und dient schliesslich auch der Dokumentation. Unterstützend dabei ist auch viel internes Wissen des Vereins Ortsmuseum, dessen äusserst aktiven, hilfsbereiten und kompetenten Vorstandsmitgliedern an dieser Stelle ausdrücklich gedankt sei.

Wer brachte die Idee zur Kunstausstellung zur Sprache?
Die Idee wurde in der Kommission Kultur, eine beratende Kommission des Gemeinderats, «geboren». Gerade auch, weil im Zusammenhang mit neuen Kunstanschaffungen immer wieder die Frage nach Sinn, Ziel, Umfang, Nutzen und Notwendigkeit einer kommunalen Kunstsammlung auftaucht. Den Gemeinderat schliesslich überzeugte folgendes Argument: Die Richterswilerinnen und Richterswiler haben als Steuerzahlerinnen und Steuerzahler für diese Kunst bezahlt, also sollten sie sich auch daran erfreuen können.

Eine Arbeitsgruppe der KK, bestehend aus Andrea Gubler, Hansueli Gegenschatz, Martin Blum und mir, hat «RichtiG Kunst» in der Folge weiterentwickelt, das Kuratorium ausgesucht und sich Gedanken zum Programm gemacht. Ziel ist es, auf die Sammlung hinzuweisen und einen direkten Bezug zu schaffen. «RichtiG Kunst» wird von der kantonalen Kulturförderung zudem finanziell und mit Rat und Tat unterstützt.

Wie stellt Ihr Euch die Ausstellung vor?
Die Ausstellung wird an zwei Orten stattfinden: im Ortsmuseum Bären und einem Teil der Shedhalle am Horn. Bei der Auswahl wird auf die Räumlichkeiten Bezug genommen, d.h. im Bären werden die eher klassischen Gemälde und Stiche gezeigt, in der Shedhalle grossflächige und modernere Werke. Die einzelnen Räume im Bären werden nach Sujets (Stiche, verschiedene Themen usw.) ausgerichtet.

Wie soll das Rahmenprogramm aussehen?
Vom 9.–19. Juni 2022 sind die Exponate im Ortsmuseum Bären und in der Shedhalle am Horn zu besichtigen. Wir starten mit einer Vernissage am 9. Juni 2022.

Für die Objekte im öffentlichen Raum sind Rundgänge geplant, an welchen nach Möglichkeit auch die Künstlerinnen und Künstler anwesend sein werden. An einem Kulturpodium – so der Plan – werden schliesslich Befürworterinnen und Gegner der kommunalen Kunstförderung in den Ring steigen und vor Publikum diskutieren. Nicht zuletzt wird es auch immer wieder Gelegenheiten zu geselligem Zusammensein geben. Kunst verbindet.

«RichtiG Kunst – Werke aus der Richterswiler Kunstsammlung von 1770 bis heute»
9.–19. Juni 2022
Ausstellung im Ortsmuseum Bären und der Shedhalle
Details zur Rahmenveranstaltungen folgen.

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