Richterswil

Quo vadis, Richterswil?

Richterswil

Schweizweit finden nächstens Erneuerungswahlen für die Amtszeit 2022–2026 statt, so auch in Richterswil-Samstagern. Von Kampfwahl kann nicht die Rede sein, so wie sie in Nachbardörfern stattfindet, was an vorangegangenen Fehden liegen mag. Eine philosophische Betrachtung der Situation.

Text & Bild: Reni Bircher

Was wird von einem politisch engagierten Menschen, der an vorderster Front steht, erwartet? Klar formulierte Ziele und Ideen, Offenheit, entschlossenes Auftreten, ein empathisches Lächeln zum passenden Zeitpunkt und ein gepflegtes Erscheinungsbild? Sicher. So sagte etwa der Publizist Theodor Herzl: «Einem Volke kann man nicht philanthropisch helfen, sondern einzig und allein politisch». Trotzdem möchte der- oder diejenige nicht vergessen werden, der es auf der Sozialstufe nicht nach oben geschafft hat, und sich von der Politikerin und dem Politiker nicht nur Verstand, sondern auch Herz erhofft. Das Stimmvolk möchte Sicherheit, eine aufrichtige Kommunikation, die Exekutive soll zielgerichtet und innovativ agieren und so die Zukunft für alle meistern und in die Wege leiten («Der Politiker denkt an die nächsten Wahlen, der Staatsmann an die nächste Generation»; William Ewart Gladstone, brit. Premierminister).
Die Herausforderungen an ein Milizamt sind beträchtlich, die spezifischen Anforderungen nicht minder hoch. Für die Wahlberechtigten stellt sich möglicherweise die Frage, ob eine Kandidatur auf einem intrinsischen Interesse oder einem Pflichtgefühl beruht, oder ob sich jemand von dem begehrten Amt gewisse Vorteile verspricht. Oder wie es Bischof und Autor Jacques Bénigne Bossuet ausdrückte: «Inmitten der Verschleierung und Kunstgriffe, die über die Menschen herrscht, ist es nur die Aufmerksamkeit und Wachsamkeit, die uns vor Überraschungen retten kann.»

Politik als Wagnis?

Gleichwohl wird Menschen in politischen Ämtern das Dasein nicht leicht gemacht: gerade in den Pandemiejahren wurden Gewalt und Mord gegen öffentliche Personen und ihre Familien angedroht, Politiker werden tätlich angegangen und in den sozialen Medien beschimpft. Auf Gemeindeebene sicher seltener, trotzdem eine beunruhigende Entwicklung, von der bis vor zwei Jahren wohl niemand im In- oder Ausland gerechnet hätte, dass diese Grenze in der als politisch sicher geltenden Schweiz jemals überschritten werden würde. Dass sich noch immer Leute als Politikerin und Politiker ins Rampenlicht stellen wollen, verdient Anerkennung.
Für das Funktionieren eines Milizsystems ist jedoch auch jeder Bürger verantwortlich, indem er sich mit seinen Fähigkeiten und seiner Zeit auf Gemeindeebene mit einbringt. Die Lösungssuche kann nicht einfach an politische Institutionen delegiert werden – im Gegenzug sollen die Anliegen und Sorgen der Menschen von der Exekutive ernst genommen werden, denn: «Politische Tageserfolge können im Bewusstsein eines Volkes verblassen. Was aber bleibt und weiterwirkt, ist die Kraft und Geschlossenheit einer Haltung, hinter der eine Idee steht», wie es Konrad Adenauer (Bundeskanzler) einst betonte.

Wen das Volk wählt – und wen nicht

Jede Gemeinde hat die Möglichkeit unterschiedlicher Verfahren, wie eine Behördenwahl dem Souverän vorgelegt wird und ist in der Gemeindeordnung verankert. Im aktuellen Fall sind die Namen der Kandidatinnen und Kandidaten für die Sitze von Gemeinderat, Sozialbehörde und RPK in alphabetischer Reihenfolge auf die Wahlzettel gedruckt. Will man jemanden aus der Liste nicht wählen, muss der Name durchgestrichen werden.
Einzig bei der Schulpflege sind die Zeilen der Wahlzettel leer, denn dort haben sich mehr Leute aufgestellt, als es Sitze zu besetzen gilt. Die Favoriten müssen also vom Stimmbürger selbst eingetragen werden.
Es finden sich auch immer wieder Namen auf den Wahlzetteln von Personen, die sich nicht für ein Amt aufstellen liessen. Dort wird im Rahmen einer «Plausibilitätsprüfung» geklärt, ob es sich um eine/n Einwohnerin oder Einwohner aus Richterswil handelt. Laut Gemeindeschreiber Roger Nauer werden Namen, die sehr häufig vorkommen, auch namentlich gezählt.

Definitiv gewählt sind nach der Stimmauszählung die Kandidatinnen und Kandidaten, welche das Absolute Mehr erreichen. Dieses wird mittels einer im GPR festgelegten Berechnung anhand der eingegangenen Wahlzettel ermittelt.
Also erneut: Wer stimmt, bestimmt. Und zu guter Letzt: «Politik muss jedermanns Sache werden. Man darf sie nicht den Fachleuten überlassen» (Gustav Heinemann, Bundespräsident).

Wahlgang für die politischen und kirchlichen Behörden: 27. März 2022. Allfälliger zweiter Wahlgang: 15. Mai.

Teilen mit: