Lokalsport Wädenswil

Beda Leon Sieber – Junioren-Schweizermeister im Eistanz

Als wir den Termin für ein ­Interview vereinbarten, wollte Beda Leon Sieber noch die Schweizer Meisterschaften abwarten, um davon berichten zu können. Nun hängt eine Medaille über diesem Gespräch. Doch bis hierhin und noch viel weiter ist es ein steiniger Weg, der auch viel kostet – viel Zeit, viel Geld.

Text: Ingrid Eva Liedtke
Bilder: zvg

Viele junge Menschen lieben Sport. Jungs mögen Fussball, betreiben Krafttraining, Kampfsport oder Eishockey. Sehr wenige entscheiden sich für Eiskunstlaufen und Eistanz. Für einen Jungen immer noch eine eher ungewöhnliche Wahl. Nicht so für Beda Leon Sieber. Schon als Primarschüler zog er es vor auf den Schlittschuhen erste Tanzformationen zu üben, anstatt wie die anderen Jungs Eishockey zu spielen.

Dann kam es zum Schlüsselerlebnis. Beda Leon Sieber erzählt: «Meine Mutter leitet den Verlag von Andrew Bond. Andrew machte die Musik für «Kids on Ice». 2014 gingen wir an die Show und ich war total fasziniert. Ich wusste sofort, da möchte ich mal mitmachen, am liebsten das nächste Mal schon.»
Diese Faszination und der Wunsch haben sich gegenseitig befruchtet und es entwickelte sich, was wohl schon lange in Beda schlummerte. Anfängerkurse in Eiskunstlauf folgten, viele Stunden auf dem Eis, und in derselben Saison der Eintritt in den Eislaufclub Thalwil. Da absolvierte er während einer Saison diverse Tests. Beda machte schnell Fortschritte und erregte Aufmerksamkeit. Dieses Talent musste gefördert werden. Schon nach zwei Saisons in Thalwil und zahlreich bestandenen Tests wurde diese Eiswelt für den talentierten Läufer zu klein, die Trainingsmöglichkeiten zu eng, die Zeit, um zu trainieren, auf den Winter begrenzt, zu kurz. Darum wechselte er im Mai 2016 zum Eislaufclub Küsnacht. Die Bedingung seiner Eltern: Beda soll sich selber zurechtfinden können.

Die ­sportliche Reise nimmt Fahrt auf

Vorher jedoch ging Bedas erster Traum in Erfüllung. 2016 stand «Kids on Ice» vor der Tür, und Beda konnte tatsächlich teilnehmen. Er war 10½ Jahre alt, fuhr jeweils alleine nach Winterthur ins Training und bewies, dass er auch das mit der Selbstständigkeit draufhatte.
Die Intensität steigerte sich beim Club in Küsnacht drastisch. Beda Leon Sieber fuhr mehrmals wöchentlich ins Training und bestritt Wettkämpfe als Solo-Eiskunstläufer in der Kategorie Nachwuchs. Schnell wurde alles ziemlich anspruchsvoll. Das hiess fünfmal pro Woche trainieren, aber das junge Talent fand es toll. Er habe manchmal sogar frei bekommen vom Schulsport, damit er ins Training konnte.
Nach der Primarschule folgte die Kunst- und Sportschule Zürich. Da waren die nötigen Trainingseinheiten im Schulalltag integriert. Beda verbesserte sich weiter, nahm an Sport­tests und Wettkämpfen teil, (Swiss Cups, inklusiv Schweizermeisterschaften), und nichts konnte seinen Enthusiasmus bremsen. Bis zum Anfang der Saison 2018/2019. Ein erster Rückschlag, eine Stressfraktur im Wirbelfortsatz! Beda musste eine Saison pausieren.
Er erinnert sich: «Erst ein paar Wochen vor den Meisterschaften konnte ich wieder mit dem Training beginnen. Zum Glück hatte ich einen guten Wettkampf. Ich konnte zum ersten Mal einen Doppelaxel (höchste Schwierigkeitsstufe) stehen. So konnte ich die Saison mit dem 5. Platz an den Schweizer Meisterschaften abschliessen.»

Eine Partnerin, Eistanz und ein neues Ziel

Anfang 2019 im Januar tat sich eine neue Tür auf: «Meine Trainerin, Cornelia Leroy, hat mich aufs Eistanzen aufmerksam gemacht. Sie hat mir ein Mädchen, Gina Zehnder, vorgeschlagen und dass sie uns zusammen für die Youth Olympic Games in Lausanne vorschlagen möchte. Wir haben das ausprobiert, Try Outs gemacht und es passte. So haben wir dann entschieden, es zu wagen und auf dieses Ziel hinzuarbeiten. Von da an haben wir nur noch als Paar trainiert und Programme einstudiert. In der Saison 2019/2020 nahmen wir an ersten Wettkämpfen national und international teil. Um das Ziel zu erreichen an den YOG 2020 Youth Olympic Games zugelassen zu werden, mussten wir die Schweizer Meisterschaften gewinnen. Das haben wir mit viel Einsatz geschafft. Dann hat der Verband entschieden, dass wir ins Kader A aufgenommen werden. – Ziel wiederum erreicht!

Zwei junge Menschen, ein Paar auf dem Eis. Wie funktioniert das? Es brauche viel Vertrauen, meint der 17-jährige Beda. Man sei sich sehr nah und verbringe sehr viel Zeit miteinander. «Wir haben Glück und verstehen uns sehr gut. Noch nie hatten wir einen richtigen Streit. Natürlich gibt es Diskussionen die Kür betreffend und Auseinandersetzungen über Details, doch das ist auch wichtig. Gina ist ein sehr humorvoller Mensch, und wir sind auch sonst sehr gute Freunde. Das ist von Vorteil, denn so macht das Training Spass.»

Freizeit?

Fällt es nicht schwer, wenn man so jung ist, alles dem Sport unterzuordnen? Viel freie Zeit ist da nicht mehr. Pro Woche hat Beda Leon Sieber einen Freitag, um seine Freunde zu treffen oder etwas für sich zu tun.
«Ich würde lügen, würde ich sagen, ich könnte alles so intensiv tun, wie ich gerne möchte. Vieles muss dem Sport untergeordnet werden», so Sieber, «aber es ist nicht so, dass ich das schlimm finde. Der Sport hat einen grossen Stellenwert für mich, und ich opfere gerne einiges dafür. Es sind viele Opfer, aber kein grosser Schmerz. Der Eistanz ist ein kreativer Sport. Und Kunst und Kreativität waren schon immer mein Ding. Also passt es!» Beda trainiert nun sechs Tage die Woche, 3 bis 4 Stunden, das ganze Jahr hindurch auch in den Ferien. Während den Festtagen gibt es in der Regel nur einzelne Tage frei. Und Ferien höchstens im Frühling zwei Wochen, Sommerferien maximal eine Woche.

«Ich habe eine grosse Leidenschaft für Modedesign. Schon als Kind war es mein Traum, Modedesigner zu werden. Im Lockdown hatte ich dann genügend Zeit dafür und habe selber Modelle entworfen und genäht. Ich nähe für mich selber, Einzelstücke, und ich mache Taschen, die ich auf meinem Instagram-Account promote. Das macht mir sehr viel Spass. Auch zeichne ich gerne. Und dann habe ich auch Freunde, mit denen ich mega gerne mal abhänge.»

Beda besuchte in der Oberstufe die Kunst- und Sportschule und jetzt im Anschluss die United School of Sports und macht eine KV-Lehre. Das heisst, er geht zwei Jahre nur in die Schule und dann arbeitet er zwei Jahre in einem Betrieb. Die Schule hat Partnerbetriebe. Mit diesem Modell haben junge Sportler die Möglichkeit, genügend oft zu trainieren. Das alles tönt nach Bilderbuchkarriere. Ein junger Mensch verwirklicht seine Träume, tut, was er am liebsten tut und ist erfolgreich damit. Was braucht es noch? Geld!

Geld – finanzielle Unterstützung

Der Eiskunstlauf ist eine Randsportart mit grossem Zeit- und Trainingsaufwand und sehr hohen Kosten. Ohne finanzielle Unterstützung ist die Ausübung dieses Sports auf internationalem Niveau undenkbar!
Finanziell ist eine solche Karriere ein riesiger Aufwand – es braucht engagierte Sponsoren. «Die Kosten für ein Eistanzpaar belaufen sich pro Jahr auf 75 000 Franken. Wir sind noch auf Sponsorensuche,» sagt Beda Leon Sieber. «Das würde endlich meine Eltern entlasten. Bei vielen anderen Sportarten wird man finanziell viel besser unterstützt. Die Trainerkosten sind sehr hoch und für meine Mutter, für meine Familie, kaum tragbar. Zudem habe ich noch zwei Geschwister und unsere Familiensituation ist auch ein wenig schwierig», erklärt Beda.
Vom Verband bekomme man eine Wettkampf-Pauschale. Und dazu existiert eine Patenschaft der Schweizer Sporthilfe und ein Jugendsponsoring, das von der Roger-Federer-Stiftung übernommen wurde. «Mit der Sporthilfe, dem Jugendsponsoring und den Verbandsbeiträgen wird leider nur etwa ein Fünftel unserer Ausgaben gedeckt. Es wäre toll und auch dringend nötig eine oder gar mehrere Firmen zu finden, die uns mit regelmässigen Beiträgen unterstützen möchten. Natürlich wäre ich im Gegenzug bereit, dafür etwas zu tun, zum Beispiel an Firmenanlässen Eislauflektionen für das Team zu geben.
Mit Öffentlichkeitsarbeit hat Beda Leon Sieber kein Problem. «Ich teile gerne meine Geschichte, kann gut vor Leuten sprechen. Es ist hilfreich, wenn man gerne im Mittelpunkt steht, denn das ist Teil meines Sportes. Man muss sich schön und gut präsentieren wollen und Spass daran haben, es geniessen. So erreicht man das Publikum.»

Der grosse Traum

Doch nur um Preise und Titel zu gewinnen, nehmen Beda und Gina die vielen Strapazen nicht auf sich. «Mit unserem Tanz erzählen wir eine Geschichte, sportlich und auch künstlerisch. Mit meiner Partnerin zusammen ein Programm zu laufen, das ist so schön und überwältigend, vor allem wenn man im Flow ist. Man kann etwas ausdrücken, allein und vor allem zu Zweit. Der Tanz ist immer auch Emotion. Beim technischen Training vergisst man das manchmal ein wenig, aber wenn dann alles zusammenläuft – und es müssen viele Faktoren zusammenspielen – dann erzeugt das Gänsehaut, auch beim Publikum», schwärmt Beda.
Schliesslich ist es auch immer ein Austausch mit dem Publikum. Man will den Zuschauern etwas geben – und dann auch etwas bekommen, – möglichst eine Medaille: «Im Eistanz ist mein grösster Traum an den Olympischen Spielen teilzunehmen, die Schweiz zu repräsentieren, die besten Sportler der Welt zu treffen und mich mit ihnen zu messen. Das ist allerdings schwierig. Die grossen Nationen sind sehr stark im Sport.»

Vorbilder und Inspirationsquellen

Stephan Lambiel, mit dem er schon einige Male trainiert hat, ist eine Inspiration für Beda Leon Sieber, auch Sarah Meier, Denise Biellmann – Schweizer Athleten, die einiges erreicht haben. «Vorbilder sind für mich auch verschiedene Eistanzpaare aus Frankreich, oder Kanada, auch meine Trainerin, Cornelia Leroy. Ich habe mich vor allem im Sport mit Vorbildern auseinandergesetzt, auch wenn dazu auch andere Persönlichkeiten taugen würden.»
Beda Leon Sieber steht am Anfang einer vielversprechenden Karriere als Eistänzer. Er will auf internationalem Niveau mitspielen. «Gina und ich möchten unser Land vertreten können, darum müssen wir das beste Paar der Schweiz sein. Wir sind noch drei Jahre Junioren. Vergangenes Wochenende haben wir unseren Titel als Junioren Schweizer Meister verteidigt.»
Sicher wird man noch einiges von diesem ambitionierten Eistänzer hören. Hoffentlich auch, dass er und seine Partnerin gute Sponsoren gefunden haben.

Weitere Informationen: gina-beda-icedance.com

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