Wädenswil

Wandbehänge im Kunstfenster Dorfhuus

Vom 19. Juli bis 18. Oktober stellt Gerda Gassmann ihre Bilder und Gegenstände aus Leder im Kunstfenster Schönenberg aus. Es sind Werke einer unermüdlichen Schafferin, die sich meist autodidaktisch immer wieder neue kunsthandwerkliche Fertigkeiten angeeignet hat.

Text & Bild: Ingrid Eva Liedtke

Gerda Gassmann ist 1936 in Wien geboren und mit 10 Jahren in die Schweiz gekommen. Über ihre Jugendzeit sagt sie nur, dass es turbulente und schwierige Zeiten waren. In Wien hat sie vier Jahre lang die Frauenfachschule besucht, wo man alles Mögliche lernen konnte, wie sie sagt. Büroarbeit habe sie nie interessiert, dafür alles, was manuell und kreativ ist. Bis heute ist das so geblieben, denn die rüstige ältere Dame arbeitet immer noch fast täglich in ihrem Garten.
Sie ist ein neugieriger Mensch, will immer wieder lernen, Neues erfahren und lässt nicht locker, bis sich ihr eine «interessante Sache» erschlossen hat. So hat sich Gerda Gassmann kunsthandwerkliche Techniken selbst beigebracht, hat so lange ausprobiert, bis das Endresultat zufriedenstellend war und ist damit auch neue Wege gegangen. «Ich wollte nicht tun, was alle tun.»
Gerda Gassmann ist seit 62 Jahren verheiratet und hat drei Söhne. Davor arbeitete sie in Zürich als Schneiderin für Braut-, Hochzeits- und Galabekleidung. Eigentlich hätte sie noch gerne eine Ausbildung zur Handarbeitslehrerin gemacht, aber das ging nicht. Andere Zeiten! Sie habe dann ihren Mann kennengelernt und eine Familie gegründet. Sie zügelten von Zürich nach Wädenswil, weil ihr Mann hier eine neue Stellung antreten konnte.

Kinder-Basteln und eigenes Hobby

Drei Buben wollten beschäftigt sein, und so hat Gerda mit ihnen viel gebastelt. «Ich habe immer etwas mit meinen Händen gemacht, auch Heimarbeit als Schneiderin, habe schon immer gerne gezeichnet. Dadurch kam ich zum Sticken. Das hat mit Zeichnen zu tun und auch mit Farbzusammenstellung.» Die Sujets für ihre Gobelinstickereien zeichnet sie immer selbst. «Ich mache gerne etwas Spezielles, etwas, das nicht so aktuell ist, probiere gerne Neues aus, wie zum Beispiel Strumpfblumen oder diese ganz feinen Spitzen, Frivolité genannt, auf Deutsch: Nadelspitzen. Sie werden hergestellt mit einem kleinen Schiffchen. Die Vorgehensweise, respektive Technik, ist ähnlich derer, mit der Fischer ihre Netze flicken. Die feinen Spitzen näht sie dann auf Lavendelsäckchen.
«Ich mache immer, was mich gerade interessiert. Dann gebe ich keine Ruhe, bis ich herausgefunden habe, wie es geht. Ich pröble so lange, bis mir das Resultat passt.» Dabei zeigt sich die Willensstärke und auch die Genauigkeit, mit der die kreative Frau an ihre Projekte herangeht.
Für die Ausstellung im Kunstschaufenster Schönenberg hat sie vorgängig einen genauen Plan angefertigt, wo welches Werk hängen und wie die Schaufenster mit Gegenständen gestaltet werden sollen.
Gerda Gassmanns geometrische, abstrakte Werke aus Leder erinnern an Bilder und Stoffe von Sonja Delauney. Auch wenn sie selber keine Vorbilder nennen kann, ist ihr bewusst, dass ihre Inspiration von Kunst oder Gegenständen kommt, die sie gesehen hat und sie beeindruckt haben.

Lederarbeiten

In den 90er Jahren belegte Gerda Gassmann einen Ledernähkurs. «Entwerfen, zeichnen, die Farben zusammenstellen und dann zusammennähen – das war es! Leder einmal anders!» schwärmt sie. Jedermann kenne dieses Naturprodukt, als Ausgangsstoff für Schuhe und Kleider oder auch für Möbel, für Gebrauchsgegenstände.
Gerda Gassmann war fasziniert von dem Material, aber sie wollte etwas anderes daraus kreieren: «Ich wollte Bilder machen! Bilder aus Leder, die niemand sonst macht! Sujets sind Tiere, Blumen und schliesslich graphische Werke.»

Die Herausforderung des genauen Arbeitens

Für ihre Lederbilder verwendet Gassmann meistens Lammnappa. Das Leder wir auf Stoffe genäht. «Den Stoff kauft man per Meter, Leder dagegen wird in Quadratfuss abgemessen. Das sind 30 mal 30 Zentimeter.» Die einzelnen Farbfelder von Gassmanns Bilder dürfen nicht überlappen. Sie werden mit Zickzackstich auf einen Stoff genäht, mit einem Spezialfaden und einer besonders dicken Nadel. Ein sehr exaktes Arbeiten ist unabdingbar. «Man kann nicht einfach alles wieder auftrennen, und wenn die aneinanderliegenden Teile nicht akkurat geschnitten sind, dann gibt es ein Loch.»
Auch farblich ist die Lederverarbeitung nicht einfach, denn es sind nicht immer alle Farben auf dem Ledermarkt erhältlich, da sich dieser vor allem nach den Modetrends richtet. «Ich hatte auch schon ein Bild im Kopf, das ich so nicht machen konnte, weil ich die Farben nicht finden konnte. Man muss sich nach dem Angebot auf dem Ledermarkt richten. Es wird immer schwieriger Leder zu bekommen. Es gibt keinen Zwischenhandel mehr und schon gar keine Resten. Es braucht dünnes Leder mit kleinen Poren, Nappaleder oder Schweinsleder. Früher gab es viele verschiedene Lederarten, jetzt nicht mehr. Ich kaufte Leder überall, wo ich es herkriegen konnte. Nun habe ich einen Vorrat, mit dem ich arbeite.»
Gerda Gassmann hat nie eine künstlerische Karriere angestrebt. Ihre Bilder und Wandbehänge wurden nie in Galerien gezeigt, aber in Spitälern und verschiedenen Institutionen und im Café City, sowie im Kunstschaufenster in der Bahnhofsunterführung in Wädenswil, und sie arbeitet auf Bestellung.

Jetzt sorgt sie sich ein wenig um den Nachlass und fragt sich, was mit ihren Werken wohl mal geschehen werde. Einige Bilder durfte sie ins Bally-Museum geben.
Das Wichtigste aber ist ihr nicht der Ruhm, sondern die Ruhe, die Befriedigung und die Freude, die sie erfahren darf durch ihr Schaffen. So sieht sie sich nicht als Künstlerin, sondern als Kunsthandwerkerin, als Produzentin von all ihren Ideen. «Wenn ich nicht immer etwas tun und meine Ideen umsetzten könnte, würde ich nervös werden.» 

Teilen mit: