Er ist eine Ikone in der Unterhaltungsbranche, Veranstalter rauschender Privatpartys, Geschäftsführer abgehobener Restaurants, Gründer berühmter Clubs, ein Kümmerer, Nichtraucher und Abstinenzler während der Arbeit. Er brachte Katie Melua 2019 für ein Konzert in den Preisigkeller, hasst Überraschungen und spielt jeden Tag zwei Stunden Tennis. Ueli Steinle in einem Gespräch, das vollgepackt ist mit Erinnerungen.
Interview: Reni Bircher, Bild: zvg
Was war Dein Antrieb, einen Club wie das «Ugly» zu eröffnen?
Meine Mutter war da nicht ganz unbeteiligt: Sie war Künstlerin, die ihre Leidenschaft aber nur als Hobby betrieben hat. Als ich Kind war, hat sie zweimal wöchentlich Kindern und Erwachsenen Malunterricht gegeben bei uns zuhause, entsprechend hat sie einen feinen, sehr schön arrangierten Zvieri vorbereitet. Zuerst musste ich helfen, mit der Zeit wollte ich helfen, und mit 10 Jahren habe ich dann alles alleine gemacht, meine Mutter musste einfach entsprechend einkaufen.
Mit 14 liessen mich die Eltern in den Ferien allein zuhause, weil sie wussten, dass ich mich selber verpflegen kann, ausserdem war ich damals schon extrem ordentlich. Dass ich jeweils meinen ganzen Kollegenkreis eingeladen und bekocht habe, davon hatten sie keine Ahnung *lacht*. Ich habe ja alles wieder aufgeräumt und sauber gemacht. Aber ich mochte diese Gastgeberrolle sehr.
Mit der Zeit haben meine Eltern – mein Vater war Unternehmer und Chemiker – auch Gäste eingeladen, und ich habe für sie einen Rindsbraten oder sonst was zubereitet. So war ich immer in der Küche beschäftigt, und ich mochte es, wenn ich andere bedienen oder ihnen irgendwie dienlich sein konnte.
Das zweite prägende Ereignis war der Besuch eines Konzertes von Emerson, Lake & Palmer im Hallenstadion. Als ich dort im Publikum sass, sagte ich mir: genau das will ich machen, ich will Konzerte organisieren.
Und so wurden diese drei Elemente Kunst, Gastro und Musik, zu meinen ständigen Wegbegleitern, die in ihrer Kombination wunderbar funktionieren. Ich mag Menschen und freue mich, wenn ich ihnen etwas Schönes bereiten kann, wenn sie es lässig haben. Dieser Antrieb hat mich schliesslich auch dazu bewogen, das «Ugly» zu eröffnen.
Als junger Mann bezog ich mit meiner damaligen Freundin die Fabrikantenvilla in Richterswil, die ihrem kinderlosen Onkel gehörte. Wir mussten bloss die Nebenkosten und das Personal übernehmen, einen Heizer, eine Haushälterin und einen Gärtner, dafür aber keine Miete bezahlen. Das Haus war eben auch schon etwas heruntergekommen. Zwei Wochen nach unserem Einzug – ich war dann im Militär – lief meine Freundin mit einem anderen Mann davon.
Da sass ich nun alleine in dem riesigen Haus, und nach langem Überlegen erblühte die Idee zur Cluberöffnung. So begann ich mit Freunden Wände herauszureissen. Wir renovierten die Villa, räumten den Kohlenkeller und bauten eine Ölheizung ein. Der erste Nachtclub der Schweiz war geboren.
Wie kam es dazu, dass so viele Prominente den Weg nach Richterswil fanden?
Es war ja ein inniger Wunsch von mir, Konzertveranstalter zu werden. Meine unzähligen Besuche dieser Musikveranstaltungen führten mich – unerlaubterweise – auch backstage. Sehr spannend! Diese Konzert-Kultur war damals erst so richtig am Entstehen, und das war auch der Grund, weshalb «Good News» auf den Markt gebracht wurde, ein Konzertguide in Heftform. Peter Zumsteg, einer der Gründer des Blattes und Manager vieler noch heute berühmter Musikerinnen und Musiker, wurde ein Freund von mir, und so durfte ich mein Büro im gleichen Gebäude wie deren Redaktion beziehen. Damit war ich direkt am Nerv des Geschehens, lernte dort aus erster Hand, was es für die Organisation eines Konzertes alles braucht.
Irgendwann lautete die Frage der Organisatoren: Was machen wir mit den Künstlern nach einem Konzert? Da waren die Stones im Land und waren von anderen Städten gewohnt, dass dort etwas läuft. Das gab es in Zürich aber nicht. In Richterswil hatte ich die Möglichkeit, diese Leute zu empfangen. Sie mussten zwar etwas weiter fahren, kamen dann aber manchmal mit dem gesamten Tross um Mitternacht an, und ich schmiss für alle Kotelettes auf den Grill, jemand brachte Bier und Whiskey, es lief Musik, hübsche Frauen waren da, es gab Spiele, Tanz und Entspannung.
Mit der Zeit war es verständlicherweise kein Geheimnis mehr, dass die Stars nach einem Gig herkommen, und so wurde das «Ugly» zum Selbstläufer. Allerdings wollten die Künstler weniger unter Fans sein, sondern etwas «runterkommen», denn für sie war es ein Feierabend wie für jeden anderen auch. Darum gab es im zweiten Stock, wo ich gewohnt habe, einen VIP-Bereich im Salon.
Was die Künstlerkreise angeht, so lief das über meine Freundschaft mit H.R. Giger, der eine Art Galerie bei mir im Club hatte.
Hast Du immer mitbekommen, wenn ein Promi vorbeigekommen ist?
Häufig war ich vorgängig an deren Konzert und bin zusammen mit den Stars nach Richterswil gefahren.
Erzählst Du mir zwei, drei der verrücktesten Geschichten aus der «Ugly»-Zeit?
Tja, das war sicher mal die Einweihung des «Giger Tempels», ein Raum, der nach langer Zeit fertig geworden war und von oben bis unten nach den Ideen dieses Ausnahmekünstlers bemalt und ausgestattet wurde. Dieses Werk widmete er seiner verstorbenen Geliebten Li Tobler, und Fredy Murer hat darüber einen Film gedreht, «The second celebration of the Four». Dafür haben wir vom Kloster Einsiedeln Mönchskutten erhalten und Kopfbedeckungen. Judith, meine damalige Lebenspartnerin und Club-Mitbegründerin, hat sich auf ein bemaltes Brett gelegt, und wir haben sie dann in den Kutten verkleidet durch den Garten getragen – ein bisschen Kukluxklan-mässig. Plötzlich fuhr die Polizei auf und wollte wissen, was wir da treiben – schliesslich sah es aus, als würden wir eine Tote herumtragen *schmunzelt*.
Die erkannten auch H.R. Giger nicht mit seinem schwarz gefärbten Kopf. Ab da hatten wir einen Monat lang jeden Abend die Kapo in Zivil im Haus.
Dann war da noch ein Gespräch mit David Bowie … wir kamen zusammen mit dem Bus von Zürich, ein Samstagabend, ein Uhr nachts. Ich sah schon von weitem, dass vor dem Club mindestens hundert Leute warteten, die keinen Einlass mehr bekommen hatten, der Laden war voll. Weil die Künstler möglichst inkognito im Club sein wollten, konnte ich ihn nicht durch den Haupteingang reinbringen, denn schreiende Fans waren nicht das Ziel dieses Besuches. So schlichen wir uns von hinten in die Waschküche runter, wo ich Bowie sagte, er möge kurz warten, ich würde die Lage checken, denn dummerweise musste man mitten durch den ersten Stock durchgehen, um in meine Privaträume im oberen Stock zu gelangen. Ich liess ihn in der Waschküche – und habe ihn dann dort vergessen! *beginnt zu lachen*.
Es war total Rambazamba, und der Türsteher wollte von mir wissen, ob wir noch Leute reinlassen, dann hätte ich schon mit dem Grillieren anfangen sollen, und dann war sonst noch was … auf jeden Fall sass Bowie gut eine Stunde alleine da unten. Das war nicht respektlos von mir, es lief einfach schon derart viel an jenem Tag, und der Club war voll und ich habe auch nur einen Kopf.
Als er mir wieder einfiel, ging ich sofort runter: da sass er auf einem Harass. Ich entschuldigte mich vielmals, und der Brite meinte nur, dass es ihm nichts ausgemacht habe, hier zu sitzen, er habe leise auf seiner Gitarre gespielt und etwas komponiert. Also habe ich mich auch hingesetzt, wir haben miteinander geredet, es gab Wasser, Gläser, eine Eismaschine und ab und zu kam die Kellnerin von der Bar runter, um zu fragen, ob wir etwas brauchen … Bowie hat den Club eigentlich nie betreten – er war eine Wahnsinns-Persönlichkeit.
Dann gab es noch eine Begegnung mit Sänger Ian Dury, der seit seiner Kindheit gehbehindert war. Auf der Bühne hielt er sich an einem am Boden festgeschraubten Mikrofon fest, ansonsten war er auf einen Rollstuhl angewiesen. Im «Ugly» wurde er in die oberen Räumlichkeiten getragen und auf dem Sofa abgesetzt. Da er von zwei jungen Frauen begleitet wurde und ich im Club zu tun hatte, bekam ich nicht mit, dass er irgendwann allein gelassen wurde und auf dem Sofa einschlief. Um sechs Uhr morgens habe ich meine Aufgaben beendet, alle waren nach Hause gegangen, und da lag der Sänger schlafend im Salon. Ich beschloss, ihn dort zu lassen, denn schliesslich bin ich nicht das Kindermädchen der Stars, und ging zu Bett. Ein paar Stunden später – Dury schlief immer noch – klingelte es an der Türe und ein paar Kerle standen
draussen, sie würden Ian nicht finden … Ich schickte sie nach oben, und die trugen Dury zu viert aus dem Haus. Eine absurde Situation, die steht mir noch bildlich vor Augen *muss wieder lachen*.
Solche und andere Sachen kamen immer wieder vor.
Zur gleichen Zeit wurdest Du Freund, Wegbegleiter und Manager des Bündner Künstlers H.R. Giger; wie kam es dazu?
Kennengelernt habe ich ihn bei der Eröffnung des ersten «Ugly»-Clubs in Zürich. Später lud er mich zu sich nach Hause ein. Schon damals lebte er in seinem «Tempel» mit den schwarzen Möbeln, seinen Gemälden und dem Schrumpfkopf auf dem Tisch. Ich selber hatte von Kunst keine Ahnung, konnte kaum einen Künstler vom anderen unterscheiden, ich war auch nicht wirklich kunstinteressiert. Es war Giger, der mir beigebracht hat, was Kunst eigentlich ist, die Stilrichtungen und Qualität der Bilder zu unterscheiden, und ich habe viel darüber gelesen. Ich habe seine Bilder gekauft – damals noch für wenig Geld –, bis ich eine respektable Sammlung hatte und angefangen habe, den Club damit zu dekorieren. Dadurch entstand sowas wie eine kleine Galerie für ihn, und so kamen auch andere Künstler dorthin. Giger mochte keine Gäste, also schickte er immer alle zu mir … Einen Vertrag hatten wir nie, obwohl ich weitestgehend für die Präsentationen seiner Werke verantwortlich war.
Inzwischen hatte ich die grösste private Giger-Sammlung, begann mein Restaurant «Nouvelle» damit auszustatten, ebenso mit den Harkonnen-Möbeln, welche ursprünglich für den Film «Dune» produziert worden waren. Das hatte zur Folge, dass wenn zum Beispiel Pink Floyd zwei Konzerte in Basel hatten, sie im Dolder wohnten, zum Mittagessen das «Nouvelle» charterten, nach Basel fuhren (wo ich hinter der Bühne das Catering machte) und nach dem Konzert nach Richterswil ins «Ugly» kamen. Ich habe den Stars ein Full Package geboten, und die Schallplattenfirmen haben den Tourenmanagern immer gesagt: Wenn ihr in die Schweiz geht, dann bucht bei Ueli Steinle.
Natürlich ging das nicht ewig so, es war damals einfach en vogue…
Das muss eine Herausforderung gewesen sein, denn bekanntlich war Giger kein einfacher Mensch …
Ich habe ihn 30 Jahre lang gekannt und begleitet, habe seine diversen Schaffensphasen miterlebt und bin nach wie vor ein Liebhaber seiner Kunst. Die Zeit mit ihm war intensiv, überraschend und Wandlungen unterworfen, manchmal einfach krass. In guten Phasen konnte Hans Rudolf Giger enorm witzig und komisch sein, dann sind wir vor lauter Lachen fast gestorben! Er war getrieben, irgendwie besessen von der Droge Liebe, lebte antizyklisch, litt unter Depressionen und hatte schon fast visionäre Eingebungen von den Dingen, die die Menschheit später beschäftigen sollten und hat das in seinen Bildern verarbeitet. Er hatte eine ganz andere Sinnesempfindung als «normale» Menschen. So spielte er als Kind meistens im Kohlenkeller, baute Geisterbahnen auf, und seine Beziehung zum Tod war gänzlich angstfrei.
So sassen wir mal zusammen auf einem Hügel nahe Flims, wo seine Eltern ein Maiensäss besassen. Ich fuhr nach Arbeitsschluss nachts um elf zu ihm rauf mit einem Kübel Austern, die wir dann draussen im Mondschein zusammen assen. Gegen Morgen sagte er plötzlich, dass es seinem Vater jetzt gut gehe – dieser war wenige Wochen zuvor verstorben – und er wäre nicht mehr so traurig. Auf mein Nachfragen, warum es ihm jetzt besser gehe, sagte Giger: «Weisst Du, Papa liegt jetzt da unten, ich habe ihn auf dem Feldherrenhügel vergraben…». Und auf genau diesem Hügel sassen wir mit unseren Klappstühlen. Solche unglaublichen Szenen waren keine Seltenheit.
Meine Versuche, ihn zu einem «gesünderen» Leben zu verleiten, sind kläglich gescheitert. Nachdem ich einen Dezember lang fast Tag und Nacht gearbeitet hatte, brauchte ich eine Auszeit und sehnte mich nach etwas Sonne. Ich sagte zu Giger, ich würde Tickets buchen für Ferien auf den Seychellen und er solle mitkommen. Sein Argument zur Absage «Da ist Sonne», liess ich nicht gelten, hängte ihm einen Zettel ins Klo, wann wir abfliegen werden und stand an besagtem Tag drei Stunden vorher in seiner Wohnung, wo Giger noch immer im Bett lag. Er hätte es vergessen, meinte aber, dass er in einer halben Stunde parat sei, auf den Flughafen zu fahren. Kurz darauf stand er in der Türe, als würde er zum Einkaufen gehen: in Ledermantel und -hose, Hemd, Schuhen, eine Tasche mit Pass und Kreditkarte, und meinte: «Wir können gehen». Keine Zahnbürste, keine Kleidung, nichts anderes dabei *schüttelt grinsend den Kopf*.
In diesen zwei Wochen stand Hans Rudi nicht einmal vor 17 Uhr auf, beschwerte sich, dass es dann kein Frühstück gab, tigerte bis 19 Uhr vor der Strandbar hin und her – natürlich im Ledermantel und bei 30 Grad im Schatten –, bis endlich das Abendessen serviert wurde. Ich bin den ganzen Tag gesegelt, Wasserski gefahren, habe die Insel entdeckt, während er im Zimmer darauf wartete, dass die Sonne untergeht …
Hast Du Dich deshalb aus Eurer Beziehung zurückgezogen?
Nein, gar nicht. Als meine Freundin und spätere Frau schwanger wurde und unsere Tochter May unterwegs war, da musste ich an meinem Leben etwas ändern. Man kann keine Familie gründen und auf diese Weise weitermachen – das geht nicht, das geht schief. Also habe ich alle Elemente, die mich über Nacht beanspruchen, über Bord geworfen, und das betraf dann eben auch H.R. Giger. Ohne Streit, ohne Aufsehen haben wir uns getrennt, mehr oder weniger von einem Tag auf den anderen. Seine Geheimnisse waren bei mir sicher, ebenso seine Bilder, da gab es nichts weiter zu diskutieren, denn wir hatten immer offen über alles geredet, und so gab es auch nichts, was ungeklärt gewesen wäre.
Nach der Schliessung vom «Ugly» hast Du Dich in weitere Projekte gestürzt; welche waren das?
Schon während dem «Ugly» habe ich die «Factory», ein Konzertlokal in Zürich, eröffnet, habe mich eigentlich selber konkurrenziert. Das lief gut, haben wir doch die Gigs auf die Bühne gebracht, die Claude Nobbs beim Jazzfestival in Montreux nicht mehr unterbringen konnte. In dieser Zeit hatten wir für ein paar Jahre einen Wagen an der Street Parade. Zeitweise habe ich das Kaufleuten geleitet. Danach habe ich häufig Mandate in diversen Firmen übernommen und richtete Partys aus für Firmen und meine Stammkunden von früher.
Mein grösstes Projekt aber war die Zeit, in der May klein war und ich mich fast gänzlich zurückgezogen habe, um mich ihr zu widmen. Ich habe mit ihr ein Gartenhaus gebaut, wo sie ihre Spielsachen verstauen konnte, war viel auf dem See mit ihr, habe sie schwimmen gelehrt …
Was hast Du aus dem «Ugly» mitgenommen als Andenken?
Natürlich den weltberühmten Billardtisch, das Signet vom Club, die Giger-Exponate, sonst nichts. Ganz viele gute Erinnerungen, schöne Momente, Begegnungen und Erfahrungen. Welthits wie «Captain of her heart» (Double), «Insomnia» und «God is a DJ» (Faithless), «Get off of my cloud» (Rolling Stones) und viele weitere Songs, die im «Ugly» ihre Geburtsstunde hatten, sind vermutlich die stärkste Assoziation mit dieser Zeit.
Du bist wieder im Gastrobereich eingestiegen, obwohl Du schon längst die Füsse hochlegen und den Ruhestand geniessen könntest; warum?
Vor drei Jahren habe ich das Restaurant vom Tennisclub Uetliberg übernommen, aber das auch nur, weil derjenige, der es führen sollte, verunfallt ist. Also musste ich einspringen und bin bis jetzt nicht mehr davon losgekommen *lächelt*.
Ich kümmere mich halt gerne um die Leute hier, plaudere mit ihnen, schenke Kaffee aus, mache Chicken Nuggets für die Kinder … Ich habe in dieser Zeit die «Villa May» aufgebaut (ein Gartenhaus mit Kinderspielsachen), eine Maserati-Bar, die Einrichtung neu gestaltet, Vorhänge genäht, neu gestrichen und eine Menge Blumen angeschleppt.
Aber ich organisiere noch immer Konzerte, hier im Club und anderswo.
Deine Tochter May spielt und singt bei der «Ugly Band» mit. Eigentlich studiert sie Sportwissenschaft – schlägt sie nun den Weg einer Musikerin ein?
May ist 21, studiert in Basel und denkt darüber nach, in eine WG zu ziehen, um nicht täglich diese Strecke fahren zu müssen. Ich selber möchte nicht, dass sie auszieht, denn jetzt macht sie zuhause jeden Abend Musik, und das finde ich wunderschön. Seit ihrem vierten Lebensjahr spielt sie Klavier, kann aber ausser Blasinstrumenten so gut wie jedes Instrument spielen, ein echtes Multitalent. Das Studium gefällt ihr und sie will es zu Ende bringen. Aber ich fördere und unterstütze sie natürlich in ihrer Musikerkarriere.
Für einen jungen Menschen ist es eine schwierige Auseinandersetzung, denn «Musiker» ist an sich kein Beruf, der etwas einbringen könnte. Jedenfalls in den seltensten Fällen. Die Pandemie hat auch gezeigt, dass sie zu den grössten Verlierern gehörten.
Mir persönlich war es immer wichtig, dass May die besten Lehrer bekommt, weil sie das Talent für Musik in die Wiege gelegt bekommen hat, und es ist eindeutig ihre Passion. Dass gestandene Musiker wie Larry Woodley mit ihr spielen wollen, sagen schon einiges aus über ihre Qualitäten. Sie hat schon mehrere Angebote bekommen von Musikproduzenten, die gerne mit ihr arbeiten möchten. Wir beide haben aber beschlossen, dass dieses Jahr noch uns alleine gehört …
Hinzu kommt, dass sie der liebenswürdigste Mensch ist, den ich je kennenlernen durfte, eine richtige «soft person», nie laut, immer anständig, ein Schätzchen eben. In diesem Sinne ist sie die klassische Künstlerin; auf einen solchen Menschen muss man gut achtgeben. Aber als Manager akzeptiert sie mich überhaupt nicht *schmunzelt, sichtlich stolz*.
Wenn alles kommt wie geplant, dann wird May – nebst Stars-in-Concert-Tribute-Shows – mit der «Ugly Band» im Richterswiler Horn auftreten: was bedeutet das für Dich?
Ich freue mich wahnsinnig auf die Ausstellung im Ortsmuseum und natürlich auf dieses Fest, die Wiedervereinigung mit Wegbegleitern und Freunden. Das wird die erste Veranstaltung in der Schweiz in dieser Grössenordnung. Persönlich ist natürlich Tochter May mein Hauptstar.
Informationen zur Ausstellung «50 Jahre Ugly – eine Retrospektive» im Ortsmuseum, siehe Veranstaltungskalender.
Das Konzertprogramm
Freitag, 20. August
Ugly Band – Larry Woodley & Friends:
Ishantu, Reggie Sanders, May Sheila Steinle
Tina Turner – Tribute Show: Simply the Best
ABBA – Tribute Show: Thank you for the Music
Samstag, 21. August
Ugly Band – Larry Woodley & Friends:
Ishantu, Reggie Sanders, May Sheila Steinle
Blues Brothers – Tribute Show: I am a Soul Man
Beatles – Tribute Show: All you need is Love
Türöffnung: 17.00 Uhr
Konzertbeginn: 19.00 Uhr
Pause: 20.30 Uhr
Konzertende: 22.30 Uhr
• Vorweisen des Covidzertifikats am Eingang, Teststation ist (noch) keine geplant
• diverse Verpflegungsmöglichkeiten bei den Foodtrucks
• Getränke an diversen Barstationen
• Spirituosen an der Beachbar
Im Anschluss an die Konzerte gibt es eine echte «Ugly»-Party im Saal der Jugendherberge,
weitere Informationen und Tickets für Fr. 25.– über www.ugly-club.ch
Echte «Ugly»-Fans als Helfer gesucht!
Er ist eine Ikone in der Unterhaltungsbranche, Veranstalter rauschender Privatpartys, Geschäftsführer abgehobener Restaurants, Gründer berühmter Clubs, ein Kümmerer, Nichtraucher und Abstinenzler während der Arbeit. Er brachte Katie Melua 2019 für ein Konzert in den Preisigkeller, hasst Überraschungen und spielt jeden Tag zwei Stunden Tennis. Ueli Steinle in einem Gespräch, das vollgepackt ist mit Erinnerungen.
Interview: Reni Bircher, Bild: zvg
Was war Dein Antrieb, einen Club wie das «Ugly» zu eröffnen?
Meine Mutter war da nicht ganz unbeteiligt: Sie war Künstlerin, die ihre Leidenschaft aber nur als Hobby betrieben hat. Als ich Kind war, hat sie zweimal wöchentlich Kindern und Erwachsenen Malunterricht gegeben bei uns zuhause, entsprechend hat sie einen feinen, sehr schön arrangierten Zvieri vorbereitet. Zuerst musste ich helfen, mit der Zeit wollte ich helfen, und mit 10 Jahren habe ich dann alles alleine gemacht, meine Mutter musste einfach entsprechend einkaufen.
Mit 14 liessen mich die Eltern in den Ferien allein zuhause, weil sie wussten, dass ich mich selber verpflegen kann, ausserdem war ich damals schon extrem ordentlich. Dass ich jeweils meinen ganzen Kollegenkreis eingeladen und bekocht habe, davon hatten sie keine Ahnung *lacht*. Ich habe ja alles wieder aufgeräumt und sauber gemacht. Aber ich mochte diese Gastgeberrolle sehr.
Mit der Zeit haben meine Eltern – mein Vater war Unternehmer und Chemiker – auch Gäste eingeladen, und ich habe für sie einen Rindsbraten oder sonst was zubereitet. So war ich immer in der Küche beschäftigt, und ich mochte es, wenn ich andere bedienen oder ihnen irgendwie dienlich sein konnte.
Das zweite prägende Ereignis war der Besuch eines Konzertes von Emerson, Lake & Palmer im Hallenstadion. Als ich dort im Publikum sass, sagte ich mir: genau das will ich machen, ich will Konzerte organisieren.
Und so wurden diese drei Elemente Kunst, Gastro und Musik, zu meinen ständigen Wegbegleitern, die in ihrer Kombination wunderbar funktionieren. Ich mag Menschen und freue mich, wenn ich ihnen etwas Schönes bereiten kann, wenn sie es lässig haben. Dieser Antrieb hat mich schliesslich auch dazu bewogen, das «Ugly» zu eröffnen.
Als junger Mann bezog ich mit meiner damaligen Freundin die Fabrikantenvilla in Richterswil, die ihrem kinderlosen Onkel gehörte. Wir mussten bloss die Nebenkosten und das Personal übernehmen, einen Heizer, eine Haushälterin und einen Gärtner, dafür aber keine Miete bezahlen. Das Haus war eben auch schon etwas heruntergekommen. Zwei Wochen nach unserem Einzug – ich war dann im Militär – lief meine Freundin mit einem anderen Mann davon.
Da sass ich nun alleine in dem riesigen Haus, und nach langem Überlegen erblühte die Idee zur Cluberöffnung. So begann ich mit Freunden Wände herauszureissen. Wir renovierten die Villa, räumten den Kohlenkeller und bauten eine Ölheizung ein. Der erste Nachtclub der Schweiz war geboren.
Wie kam es dazu, dass so viele Prominente den Weg nach Richterswil fanden?
Es war ja ein inniger Wunsch von mir, Konzertveranstalter zu werden. Meine unzähligen Besuche dieser Musikveranstaltungen führten mich – unerlaubterweise – auch backstage. Sehr spannend! Diese Konzert-Kultur war damals erst so richtig am Entstehen, und das war auch der Grund, weshalb «Good News» auf den Markt gebracht wurde, ein Konzertguide in Heftform. Peter Zumsteg, einer der Gründer des Blattes und Manager vieler noch heute berühmter Musikerinnen und Musiker, wurde ein Freund von mir, und so durfte ich mein Büro im gleichen Gebäude wie deren Redaktion beziehen. Damit war ich direkt am Nerv des Geschehens, lernte dort aus erster Hand, was es für die Organisation eines Konzertes alles braucht.
Irgendwann lautete die Frage der Organisatoren: Was machen wir mit den Künstlern nach einem Konzert? Da waren die Stones im Land und waren von anderen Städten gewohnt, dass dort etwas läuft. Das gab es in Zürich aber nicht. In Richterswil hatte ich die Möglichkeit, diese Leute zu empfangen. Sie mussten zwar etwas weiter fahren, kamen dann aber manchmal mit dem gesamten Tross um Mitternacht an, und ich schmiss für alle Kotelettes auf den Grill, jemand brachte Bier und Whiskey, es lief Musik, hübsche Frauen waren da, es gab Spiele, Tanz und Entspannung.
Mit der Zeit war es verständlicherweise kein Geheimnis mehr, dass die Stars nach einem Gig herkommen, und so wurde das «Ugly» zum Selbstläufer. Allerdings wollten die Künstler weniger unter Fans sein, sondern etwas «runterkommen», denn für sie war es ein Feierabend wie für jeden anderen auch. Darum gab es im zweiten Stock, wo ich gewohnt habe, einen VIP-Bereich im Salon.
Was die Künstlerkreise angeht, so lief das über meine Freundschaft mit H.R. Giger, der eine Art Galerie bei mir im Club hatte.
Hast Du immer mitbekommen, wenn ein Promi vorbeigekommen ist?
Häufig war ich vorgängig an deren Konzert und bin zusammen mit den Stars nach Richterswil gefahren.
Erzählst Du mir zwei, drei der verrücktesten Geschichten aus der «Ugly»-Zeit?
Tja, das war sicher mal die Einweihung des «Giger Tempels», ein Raum, der nach langer Zeit fertig geworden war und von oben bis unten nach den Ideen dieses Ausnahmekünstlers bemalt und ausgestattet wurde. Dieses Werk widmete er seiner verstorbenen Geliebten Li Tobler, und Fredy Murer hat darüber einen Film gedreht, «The second celebration of the Four». Dafür haben wir vom Kloster Einsiedeln Mönchskutten erhalten und Kopfbedeckungen. Judith, meine damalige Lebenspartnerin und Club-Mitbegründerin, hat sich auf ein bemaltes Brett gelegt, und wir haben sie dann in den Kutten verkleidet durch den Garten getragen – ein bisschen Kukluxklan-mässig. Plötzlich fuhr die Polizei auf und wollte wissen, was wir da treiben – schliesslich sah es aus, als würden wir eine Tote herumtragen *schmunzelt*.
Die erkannten auch H.R. Giger nicht mit seinem schwarz gefärbten Kopf. Ab da hatten wir einen Monat lang jeden Abend die Kapo in Zivil im Haus.
Dann war da noch ein Gespräch mit David Bowie … wir kamen zusammen mit dem Bus von Zürich, ein Samstagabend, ein Uhr nachts. Ich sah schon von weitem, dass vor dem Club mindestens hundert Leute warteten, die keinen Einlass mehr bekommen hatten, der Laden war voll. Weil die Künstler möglichst inkognito im Club sein wollten, konnte ich ihn nicht durch den Haupteingang reinbringen, denn schreiende Fans waren nicht das Ziel dieses Besuches. So schlichen wir uns von hinten in die Waschküche runter, wo ich Bowie sagte, er möge kurz warten, ich würde die Lage checken, denn dummerweise musste man mitten durch den ersten Stock durchgehen, um in meine Privaträume im oberen Stock zu gelangen. Ich liess ihn in der Waschküche – und habe ihn dann dort vergessen! *beginnt zu lachen*.
Es war total Rambazamba, und der Türsteher wollte von mir wissen, ob wir noch Leute reinlassen, dann hätte ich schon mit dem Grillieren anfangen sollen, und dann war sonst noch was … auf jeden Fall sass Bowie gut eine Stunde alleine da unten. Das war nicht respektlos von mir, es lief einfach schon derart viel an jenem Tag, und der Club war voll und ich habe auch nur einen Kopf.
Als er mir wieder einfiel, ging ich sofort runter: da sass er auf einem Harass. Ich entschuldigte mich vielmals, und der Brite meinte nur, dass es ihm nichts ausgemacht habe, hier zu sitzen, er habe leise auf seiner Gitarre gespielt und etwas komponiert. Also habe ich mich auch hingesetzt, wir haben miteinander geredet, es gab Wasser, Gläser, eine Eismaschine und ab und zu kam die Kellnerin von der Bar runter, um zu fragen, ob wir etwas brauchen … Bowie hat den Club eigentlich nie betreten – er war eine Wahnsinns-Persönlichkeit.
Dann gab es noch eine Begegnung mit Sänger Ian Dury, der seit seiner Kindheit gehbehindert war. Auf der Bühne hielt er sich an einem am Boden festgeschraubten Mikrofon fest, ansonsten war er auf einen Rollstuhl angewiesen. Im «Ugly» wurde er in die oberen Räumlichkeiten getragen und auf dem Sofa abgesetzt. Da er von zwei jungen Frauen begleitet wurde und ich im Club zu tun hatte, bekam ich nicht mit, dass er irgendwann allein gelassen wurde und auf dem Sofa einschlief. Um sechs Uhr morgens habe ich meine Aufgaben beendet, alle waren nach Hause gegangen, und da lag der Sänger schlafend im Salon. Ich beschloss, ihn dort zu lassen, denn schliesslich bin ich nicht das Kindermädchen der Stars, und ging zu Bett. Ein paar Stunden später – Dury schlief immer noch – klingelte es an der Türe und ein paar Kerle standen
draussen, sie würden Ian nicht finden … Ich schickte sie nach oben, und die trugen Dury zu viert aus dem Haus. Eine absurde Situation, die steht mir noch bildlich vor Augen *muss wieder lachen*.
Solche und andere Sachen kamen immer wieder vor.
Zur gleichen Zeit wurdest Du Freund, Wegbegleiter und Manager des Bündner Künstlers H.R. Giger; wie kam es dazu?
Kennengelernt habe ich ihn bei der Eröffnung des ersten «Ugly»-Clubs in Zürich. Später lud er mich zu sich nach Hause ein. Schon damals lebte er in seinem «Tempel» mit den schwarzen Möbeln, seinen Gemälden und dem Schrumpfkopf auf dem Tisch. Ich selber hatte von Kunst keine Ahnung, konnte kaum einen Künstler vom anderen unterscheiden, ich war auch nicht wirklich kunstinteressiert. Es war Giger, der mir beigebracht hat, was Kunst eigentlich ist, die Stilrichtungen und Qualität der Bilder zu unterscheiden, und ich habe viel darüber gelesen. Ich habe seine Bilder gekauft – damals noch für wenig Geld –, bis ich eine respektable Sammlung hatte und angefangen habe, den Club damit zu dekorieren. Dadurch entstand sowas wie eine kleine Galerie für ihn, und so kamen auch andere Künstler dorthin. Giger mochte keine Gäste, also schickte er immer alle zu mir … Einen Vertrag hatten wir nie, obwohl ich weitestgehend für die Präsentationen seiner Werke verantwortlich war.
Inzwischen hatte ich die grösste private Giger-Sammlung, begann mein Restaurant «Nouvelle» damit auszustatten, ebenso mit den Harkonnen-Möbeln, welche ursprünglich für den Film «Dune» produziert worden waren. Das hatte zur Folge, dass wenn zum Beispiel Pink Floyd zwei Konzerte in Basel hatten, sie im Dolder wohnten, zum Mittagessen das «Nouvelle» charterten, nach Basel fuhren (wo ich hinter der Bühne das Catering machte) und nach dem Konzert nach Richterswil ins «Ugly» kamen. Ich habe den Stars ein Full Package geboten, und die Schallplattenfirmen haben den Tourenmanagern immer gesagt: Wenn ihr in die Schweiz geht, dann bucht bei Ueli Steinle.
Natürlich ging das nicht ewig so, es war damals einfach en vogue…
Das muss eine Herausforderung gewesen sein, denn bekanntlich war Giger kein einfacher Mensch …
Ich habe ihn 30 Jahre lang gekannt und begleitet, habe seine diversen Schaffensphasen miterlebt und bin nach wie vor ein Liebhaber seiner Kunst. Die Zeit mit ihm war intensiv, überraschend und Wandlungen unterworfen, manchmal einfach krass. In guten Phasen konnte Hans Rudolf Giger enorm witzig und komisch sein, dann sind wir vor lauter Lachen fast gestorben! Er war getrieben, irgendwie besessen von der Droge Liebe, lebte antizyklisch, litt unter Depressionen und hatte schon fast visionäre Eingebungen von den Dingen, die die Menschheit später beschäftigen sollten und hat das in seinen Bildern verarbeitet. Er hatte eine ganz andere Sinnesempfindung als «normale» Menschen. So spielte er als Kind meistens im Kohlenkeller, baute Geisterbahnen auf, und seine Beziehung zum Tod war gänzlich angstfrei.
So sassen wir mal zusammen auf einem Hügel nahe Flims, wo seine Eltern ein Maiensäss besassen. Ich fuhr nach Arbeitsschluss nachts um elf zu ihm rauf mit einem Kübel Austern, die wir dann draussen im Mondschein zusammen assen. Gegen Morgen sagte er plötzlich, dass es seinem Vater jetzt gut gehe – dieser war wenige Wochen zuvor verstorben – und er wäre nicht mehr so traurig. Auf mein Nachfragen, warum es ihm jetzt besser gehe, sagte Giger: «Weisst Du, Papa liegt jetzt da unten, ich habe ihn auf dem Feldherrenhügel vergraben…». Und auf genau diesem Hügel sassen wir mit unseren Klappstühlen. Solche unglaublichen Szenen waren keine Seltenheit.
Meine Versuche, ihn zu einem «gesünderen» Leben zu verleiten, sind kläglich gescheitert. Nachdem ich einen Dezember lang fast Tag und Nacht gearbeitet hatte, brauchte ich eine Auszeit und sehnte mich nach etwas Sonne. Ich sagte zu Giger, ich würde Tickets buchen für Ferien auf den Seychellen und er solle mitkommen. Sein Argument zur Absage «Da ist Sonne», liess ich nicht gelten, hängte ihm einen Zettel ins Klo, wann wir abfliegen werden und stand an besagtem Tag drei Stunden vorher in seiner Wohnung, wo Giger noch immer im Bett lag. Er hätte es vergessen, meinte aber, dass er in einer halben Stunde parat sei, auf den Flughafen zu fahren. Kurz darauf stand er in der Türe, als würde er zum Einkaufen gehen: in Ledermantel und -hose, Hemd, Schuhen, eine Tasche mit Pass und Kreditkarte, und meinte: «Wir können gehen». Keine Zahnbürste, keine Kleidung, nichts anderes dabei *schüttelt grinsend den Kopf*.
In diesen zwei Wochen stand Hans Rudi nicht einmal vor 17 Uhr auf, beschwerte sich, dass es dann kein Frühstück gab, tigerte bis 19 Uhr vor der Strandbar hin und her – natürlich im Ledermantel und bei 30 Grad im Schatten –, bis endlich das Abendessen serviert wurde. Ich bin den ganzen Tag gesegelt, Wasserski gefahren, habe die Insel entdeckt, während er im Zimmer darauf wartete, dass die Sonne untergeht …
Hast Du Dich deshalb aus Eurer Beziehung zurückgezogen?
Nein, gar nicht. Als meine Freundin und spätere Frau schwanger wurde und unsere Tochter May unterwegs war, da musste ich an meinem Leben etwas ändern. Man kann keine Familie gründen und auf diese Weise weitermachen – das geht nicht, das geht schief. Also habe ich alle Elemente, die mich über Nacht beanspruchen, über Bord geworfen, und das betraf dann eben auch H.R. Giger. Ohne Streit, ohne Aufsehen haben wir uns getrennt, mehr oder weniger von einem Tag auf den anderen. Seine Geheimnisse waren bei mir sicher, ebenso seine Bilder, da gab es nichts weiter zu diskutieren, denn wir hatten immer offen über alles geredet, und so gab es auch nichts, was ungeklärt gewesen wäre.
Nach der Schliessung vom «Ugly» hast Du Dich in weitere Projekte gestürzt; welche waren das?
Schon während dem «Ugly» habe ich die «Factory», ein Konzertlokal in Zürich, eröffnet, habe mich eigentlich selber konkurrenziert. Das lief gut, haben wir doch die Gigs auf die Bühne gebracht, die Claude Nobbs beim Jazzfestival in Montreux nicht mehr unterbringen konnte. In dieser Zeit hatten wir für ein paar Jahre einen Wagen an der Street Parade. Zeitweise habe ich das Kaufleuten geleitet. Danach habe ich häufig Mandate in diversen Firmen übernommen und richtete Partys aus für Firmen und meine Stammkunden von früher.
Mein grösstes Projekt aber war die Zeit, in der May klein war und ich mich fast gänzlich zurückgezogen habe, um mich ihr zu widmen. Ich habe mit ihr ein Gartenhaus gebaut, wo sie ihre Spielsachen verstauen konnte, war viel auf dem See mit ihr, habe sie schwimmen gelehrt …
Was hast Du aus dem «Ugly» mitgenommen als Andenken?
Natürlich den weltberühmten Billardtisch, das Signet vom Club, die Giger-Exponate, sonst nichts. Ganz viele gute Erinnerungen, schöne Momente, Begegnungen und Erfahrungen. Welthits wie «Captain of her heart» (Double), «Insomnia» und «God is a DJ» (Faithless), «Get off of my cloud» (Rolling Stones) und viele weitere Songs, die im «Ugly» ihre Geburtsstunde hatten, sind vermutlich die stärkste Assoziation mit dieser Zeit.
Du bist wieder im Gastrobereich eingestiegen, obwohl Du schon längst die Füsse hochlegen und den Ruhestand geniessen könntest; warum?
Vor drei Jahren habe ich das Restaurant vom Tennisclub Uetliberg übernommen, aber das auch nur, weil derjenige, der es führen sollte, verunfallt ist. Also musste ich einspringen und bin bis jetzt nicht mehr davon losgekommen *lächelt*.
Ich kümmere mich halt gerne um die Leute hier, plaudere mit ihnen, schenke Kaffee aus, mache Chicken Nuggets für die Kinder … Ich habe in dieser Zeit die «Villa May» aufgebaut (ein Gartenhaus mit Kinderspielsachen), eine Maserati-Bar, die Einrichtung neu gestaltet, Vorhänge genäht, neu gestrichen und eine Menge Blumen angeschleppt.
Aber ich organisiere noch immer Konzerte, hier im Club und anderswo.
Deine Tochter May spielt und singt bei der «Ugly Band» mit. Eigentlich studiert sie Sportwissenschaft – schlägt sie nun den Weg einer Musikerin ein?
May ist 21, studiert in Basel und denkt darüber nach, in eine WG zu ziehen, um nicht täglich diese Strecke fahren zu müssen. Ich selber möchte nicht, dass sie auszieht, denn jetzt macht sie zuhause jeden Abend Musik, und das finde ich wunderschön. Seit ihrem vierten Lebensjahr spielt sie Klavier, kann aber ausser Blasinstrumenten so gut wie jedes Instrument spielen, ein echtes Multitalent. Das Studium gefällt ihr und sie will es zu Ende bringen. Aber ich fördere und unterstütze sie natürlich in ihrer Musikerkarriere.
Für einen jungen Menschen ist es eine schwierige Auseinandersetzung, denn «Musiker» ist an sich kein Beruf, der etwas einbringen könnte. Jedenfalls in den seltensten Fällen. Die Pandemie hat auch gezeigt, dass sie zu den grössten Verlierern gehörten.
Mir persönlich war es immer wichtig, dass May die besten Lehrer bekommt, weil sie das Talent für Musik in die Wiege gelegt bekommen hat, und es ist eindeutig ihre Passion. Dass gestandene Musiker wie Larry Woodley mit ihr spielen wollen, sagen schon einiges aus über ihre Qualitäten. Sie hat schon mehrere Angebote bekommen von Musikproduzenten, die gerne mit ihr arbeiten möchten. Wir beide haben aber beschlossen, dass dieses Jahr noch uns alleine gehört …
Hinzu kommt, dass sie der liebenswürdigste Mensch ist, den ich je kennenlernen durfte, eine richtige «soft person», nie laut, immer anständig, ein Schätzchen eben. In diesem Sinne ist sie die klassische Künstlerin; auf einen solchen Menschen muss man gut achtgeben. Aber als Manager akzeptiert sie mich überhaupt nicht *schmunzelt, sichtlich stolz*.
Wenn alles kommt wie geplant, dann wird May – nebst Stars-in-Concert-Tribute-Shows – mit der «Ugly Band» im Richterswiler Horn auftreten: was bedeutet das für Dich?
Ich freue mich wahnsinnig auf die Ausstellung im Ortsmuseum und natürlich auf dieses Fest, die Wiedervereinigung mit Wegbegleitern und Freunden. Das wird die erste Veranstaltung in der Schweiz in dieser Grössenordnung. Persönlich ist natürlich Tochter May mein Hauptstar.
Informationen zur Ausstellung «50 Jahre Ugly – eine Retrospektive» im Ortsmuseum, siehe Veranstaltungskalender.
Das Konzertprogramm
Freitag, 20. August
Ugly Band – Larry Woodley & Friends:
Ishantu, Reggie Sanders, May Sheila Steinle
Tina Turner – Tribute Show: Simply the Best
ABBA – Tribute Show: Thank you for the Music
Samstag, 21. August
Ugly Band – Larry Woodley & Friends:
Ishantu, Reggie Sanders, May Sheila Steinle
Blues Brothers – Tribute Show: I am a Soul Man
Beatles – Tribute Show: All you need is Love
Türöffnung: 17.00 Uhr
Konzertbeginn: 19.00 Uhr
Pause: 20.30 Uhr
Konzertende: 22.30 Uhr
• Vorweisen des Covidzertifikats am Eingang, Teststation ist (noch) keine geplant
• diverse Verpflegungsmöglichkeiten bei den Foodtrucks
• Getränke an diversen Barstationen
• Spirituosen an der Beachbar
Im Anschluss an die Konzerte gibt es eine echte «Ugly»-Party im Saal der Jugendherberge,
weitere Informationen und Tickets für Fr. 25.– über www.ugly-club.ch
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