Feuilleton Wädenswil

Francesca Dougan – Influencerin aus Schönenberg machte aus ihrem Handicap einen Spass und dann kamen die Likes

Es passiert selten, dass jemand seine Beeinträchtigung so nutzen kann, dass eine breite Öffentlichkeit sich dafür zu begeistern weiss. Francesca Dougan, Influencerin aus Schönenberg, ist dies gelungen. Sie hat eine Lese- und Schreibschwäche und einen vielbesuchten Tiktok-Account.

Text: Ingrid Eva Liedtke, Bild: zvg

Die Legasthenie wird zum Tiktok-Hype

Francesca Dougan ist 17 Jahre alt, im ersten Lehrjahr als Polydesignerin und sie ist Legasthenikerin. Ihre Einschränkung wusste sie lange gut zu überbrücken und zu verbergen. Als sie damit viral ging, passierte Erstaunliches.

Wie alle jungen Leute ist Francesca, almost.cesca, auf Insta­gram und Tiktok zuhause. «Ich habe mich gestylt, Trends interpretiert und davon Videos gepostet», erzählt sie. «Das machen alle. Irgendwann fand ich das nicht mehr so interessant. Es war vor etwa einem Jahr, im ersten Lockdown und ich langweilte mich. Mit meinem Bruder produzierte ich ein erstes Video: Er hielt mir Karten mit schwierigen Wörtern hin, die ich vorlesen sollte. Ich konnte sie, wie erwartet, nicht richtig aussprechen. Darüber mussten wir sehr lachen. Ich habe den Film ins Netz gestellt und über Nacht bekam ich etwa 10 000 Aufrufe und 2000 Likes auf Tiktok.»

Unterdessen stellt Franny regelmässig ein Video ins Netz und hat bei Tiktok 1,2 Mio. Followers und 28,1 Mio. Likes, auf Instagram hat sie 41 200 Abonnenten. Für eine Schweizer Influencerin ist das sehr viel. Doch die meisten ihrer Fans sind in Amerika, weil Franny alles in englischer Sprache veröffentlicht – «…  und da bin ich mit meinen Likes gut», präzisiert sie.

In wenigen Monaten wurde Francesca zum Tiktok-Shootingstar. Es gibt auf Tiktok sogar Fanseiten!

Das ist möglich, man kann aber nicht unbedingt damit rechnen. Das Netz ist unberechenbar. «Man weiss nie, was passiert.» sagt sie. «Ich habe schon auch ziemlich Glück gehabt!»

Und dann ist es nicht so, dass man seinen Account so schnell, schnell mal mit einem Beitrag füttert. Nein! Man müsse dranbleiben. Alle paar Tage veröffentlicht Francesca ein neues Video. Auch wenn es nach viel Spass und Herumalbern aussieht, nimmt sie die Sache ernst. Es braucht einige Zeit – im Minimum zwei Stunden – bis ein neues Video produziert und so bearbeitet ist, dass man es ins Netz stellen kann.

Es brauchte Mut

Francescas Lese- und Schreibschwäche wurde erst kürzlich diagnostiziert. Darüber ist sie froh. Es hat sie erleichtert.

Den Mut, ihre «Schwäche» zum Thema zu machen, hatte die junge Frau nicht immer. Sie habe sich unzählige Vermeidungstaktiken zugelegt, um sich in der Schule durchzumogeln. «Wenn ich einen Vortrag machen musste, war ich krank. Wenn es ums Vorlesen ging, musste ich gerade dringend aufs Klo.»

Und dann war da auch immer dieses Gefühl, dass etwas mit ihr nicht stimme. Dass ihre Mitschüler lachten, wenn sie dann doch mal vorlesen musste, war nicht eben ermutigend. «Die schwierigste Zeit war in der Sekundarschule. In der Pubertät ist man ja sowieso verunsichert. Ich fühlte mich ungenügend. Aber ich habe mich weiter durchgeschummelt. Irgendwann bin ich aus der Unsicherheit herausgewachsen. Das ist auch meiner Familie zu verdanken. Ich habe wirklich coole Eltern und einen tollen Bruder. Sie unterstützen mich immer. Das ist ein Riesenglück! Wir sind gute Leute, darum mache ich auch nie etwas, das jemanden verletzen könnte», sagt Franny selbstbewusst.

In ihren Filmen macht sie sich über ihre Schwäche lustig. Da sind auch die Hater nicht fern. Doch die junge Influencerin sieht es so: «Die gehören dazu. Man sollte sich deren Kommentare nicht zu Herzen nehmen. Ich weiss dann auch, dass ich etwas richtig mache. Und das erzeugt Neid. Solche Kommentare bringen mir aber weitere Comments und so tun die Hater mir sogar einen Gefallen.» 

Besonders wichtig ist ihr, dass sie andere Menschen stärken kann. «Gerade Junge, die selber eine Beeinträchtigung oder mit etwas zu kämpfen haben, fühlen sich verstanden und das stärkt mich selber auch wieder.» 

Mit Handicap und Gesichtsmaske berühmt werden

Ihr Handicap ist inzwischen Francesca Dougans Signature Style auf Social Media geworden, wie auch ihre Gesichtsmaske. Die ist nicht eine Gesichtsbemalung, sondern eine Kaffee-Peelingmaske, die sie mal für ein Video aus Spass aufgetragen habe. «Die Leute fanden’s cool, nun mache ich das immer wieder.»

Während wir reden piept, andauernd Francescas Handy und ab und an schaut sie auch schnell drauf. Sie ist immer verbunden, einerseits mit ihrem Handy und andererseits mit ihrer Fangemeinde. Es scheint sie nicht zu stören. Sie ist jung, damit aufgewachsen. Aber so viel Aufmerksamkeit hat auch seinen Preis. Die Bewirtschaftung ihres Accounts braucht Zeit und die kann sich auch auszahlen. Solange sie gerne tut, was wie tut, ist es für sie ok, easy!

Schon jetzt bekommt die junge Influencerin Werbeangebote. Sie wirbt schon für einige Produkte. Dafür nimmt sie sich dann auch mal einen ganzen Tag Zeit, da ist sie schon ganz seriöse junge Geschäftsfrau. «Wenn ich für etwas Werbung mache, muss alles stimmen, auch das Produkt. Oft ist es auch der Hintergrund, der mir gefällt. Ein nachhaltiges Produkt oder eine junge Designerin, die dahintersteht. Meistens bespreche ich es dann auch noch mit meiner Familie.» So wählt sie genau aus, wofür sie ihre Zeit, sich und ihren Namen verwendet.

Ob sie je ganz auf diesen Geschäftszweig setzen wird, das werde sich zeigen. «Cool wäre schon, damit während der Lehre noch zusätzliches Geld zu verdienen. Es gäbe mir die Freiheit, nachher eventuell ganz darauf zu setzen. Aber zuerst möchte ich auf Reisen gehen. Dabei würden mir dann auch die Kontakte helfen, die ich jetzt in aller Welt knüpfen kann. Gerne wäre ich schon in die USA gereist, um Kollegen aus der Szene zu treffen. Aber das ist ja momentan leider nicht möglich.»

Mit Schweizer Influencern hat sich Francesca schon zusammengeschlossen, aber eigentlich nur, weil daraus Freundschaften entstanden sind. «Ich kenne aber auch Creators, mit denen ich nicht zusammenarbeiten möchte. Es muss zu mir passen.» 

Es kann passieren, dass Franny auf der Strasse erkannt und angesprochen wird. «Das stört mich nicht, das freut mich sogar. Aber, wenn jetzt jemand meint, ich sei berühmt, dann finde ich das nicht so toll, vor allem, weil ich mich dann ja immer fragen muss, warum man so nett zu mir ist.»

Komödiantisches Talent

Die siebzehnjährige Schönenbergerin hat Spass an dem, was sie tut. Sie lacht viel, hat einiges an komödiantischem Talent. Wen wundert’s, sie habe schon als Kind immer Comedy geschaut und die ganze Familie lacht gerne. Der englische Humor ihres Vaters hat sich wohl fortgepflanzt. 

Franny hat aus ihrer Beeinträchtigung einen Spass auf Social Media gemacht, den sie mit sehr vielen teilen kann. Viele lachen, viele mögen sie dafür, einigen hilft es und sie selber hat auch Spass daran. Das macht Sinn!

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