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«Eine Kurzgeschichte ­überlebt man»

Im Rahmen des Schreibwettbewerbes der Kommission Kultur Richterswil wurden Schreibkurse angeboten. Coronabedingt fanden diese virtuell statt, was dem Eifer und der Kreativität der Teilnehmer jedoch nichts anhaben konnte.

Text & Bild: Reni Bircher

Pünktlich meldete sich die Schriftstellerin und Redaktorin Sybil Schreiber via Zoom und begrüsste die virtuell anwesenden Kursbesucher zum Schreibkurs aus ihrem «Geschichtenhaus» in Bad Zurzach, wo sie zusammen mit ihrem Mann, Steven Schneider, normalerweise die Schreibkurse gibt. Schreiber freute sich, dass die Gemeinde einen Schreibwettbewerb für die Bevölkerung lanciert hat und ihr als Schriftstellerin die Möglichkeit gegeben wurde, diese Kurse als Inspirationsschub anzubieten. «Ich hoffe, dass ich Euch ein paar ‹Werkzeuge› mitgeben kann für Euer Werk, damit Ihr mit Freude und Mut an die Sache geht», erklärte sie ihre Absichten.

Merkmale einer Kurzgeschichte
Sybil Schreiber erklärte zunächst die Merkmale einer Kurzgeschichte, denn das verlangt nach anderen Grundsätzen als etwa ein Roman, eine Kolumne oder ein redaktioneller Text. Sie persönlich mag Kurzgeschichten sehr gerne – hat selbst auch schon welche veröffentlicht – weil sie über eine ideale Länge verfügen und einen «nicht verhungern lässt» wie manche Romane. «Die Kurzgeschichte ist eine Momentaufnahme, man ist ohne Vorwarnung mitten im Geschehen und es gibt keine Geplänkel drum herum», erklärt sie den gespannten Zuhörern, und zitiert den Dichter Wolfdietrich Schnurre (1920–1989), der es als «ein Stück herausgerissenes Leben» bezeichnete.
Oftmals würden die Geschichten ohne Schluss enden, was Schneider nicht so mag, weil sie es oftmals als überraschend und ärgerlich empfindet. «Leider sind in Literaturkreisen auch Happy Ends oftmals verpönt», sagt sie, und «verstösst» bei ihren Geschichten ganz gerne mal gegen diese Regel.
Ihr ist es wichtig, dass man mutig und über die eigenen Grenzen hinaus einen Text verfasst, denn kürzen und leisere Töne anschlagen könne man beim Überarbeiten immer noch. Spannend war auch ihre Aussage über die Figuren, die sich der Schreibende aussucht: «Das Schöne an der Kurzgeschichte ist, dass man nahe am Protagonisten ist, denn man muss diese Person selber schon sehr gut kennen, der Charakter muss klar definiert sein, auch wenn das nachher nicht so spezifisch im geschriebenen Text vorkommt.»

Fleissige Kursteilnehmer
Ein sehr wichtiger Punkt beim Schreiben einer (Kurz-)Geschichte ist es, die Sinne des Lesers anzuregen. Der wichtigste dabei sei tatsächlich der Geruchssinn, und Sybil Schreiber empfiehlt sogar, diesen bei einer einfachen Ansichtskarte aus dem Urlaub anzusprechen. «Unsere Erinnerungen und Empfindungen sind stark mit Gerüchen verbunden, und wenn die geschriebenen Worte diese ansprechen, dann wird ein Eindruck, eine Schilderung oder Geschichte um so viel eindrücklicher.»
Mit diesen und weiteren wertvollen Tipps versuchten sich die Kursteilnehmer an eigenen Kurzgeschichten. In der ersten sollte ein starkes Gefühl beschrieben werden, ohne dieses selbst zu benennen. Das anschliessende Vorlesen in der Gruppe war sehr speziell, und es wurde diskutiert, welches Gefühl hier im Besonderen angesprochen werden sollte. Der zweite Text appellierte an den Geruchssinn und durfte durchaus einer eigenen Erfahrung und Erinnerung entspringen.
Äusserst spannend, was in diesen drei Kursstunden alles an Erfahrung und Wissenswertem von der Kursleiterin preisgegeben wurde, und welch unterschiedliche und vielfältige Beiträge von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern jeden Alters verfasst und vorgetragen wurden. Sie haben sich vermutlich sehr motiviert an ihre nächste Kurzgeschichte gesetzt.

www.schreiber-schneider.ch

Schreibwettbewerb bis 30. April 2021 verlängert:
www.richterswil.ch/schreibwettbewerb

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