Wirtschaft

Volkswirtschaft im Zeichen von Corona

Die Pandemie löste im Kanton Zürich eine heftige Wirtschaftskrise aus, welche noch lange nicht ausgestanden ist. Laut einer Studie kämpfen selbst KMU, welche vor der Coronakrise finanziell stabil waren, jetzt mit existenziellen Nöten. Innovation, Liquiditätssicherung und Kostensenkung sind gefragt.

Die KMU (Kleine und mittlere Unternehmen) sind eine wichtige Stütze für die Wirtschaft des Kantons (siehe Kasten «Wirtschaftssektoren»). Die Studie, welche von der Volkswirtschaftsdirektorin Carmen Walker Späh in Auftrag gegeben wurde, zielte auf die Erkenntnis ab, warum bereits kurz nach Ausbruch der Pandemie zahlreiche KMU in existenzielle Nöte gerieten und welche Lehren die Betriebe aus dieser Erfahrung ziehen. Ende 2019 wären fast 80 Prozent der Betriebe in der Lage gewesen bei ausbleibenden Einnahmen für drei Monate ihre Fixkosten zu tragen. Demnach war laut Studie der Universität St. Gallen ein Grossteil der Zürcher KMU finanziell stabil.

Reaktionen auf die Krise

Die Zürcher KMU sind in der Corona-Pandemie verschiedentlich vorgegangen. Neben Massnahmen zur Sicherung der Liquidität und zur Kostensenkung haben 25 Prozent der Unternehmen mit neuen Produkten und Dienstleistungen reagiert. Für die Zeit nach der Krise planen sogar 38 Prozent der befragten KMU, neue Produkte oder Dienstleistungen einzuführen. 39 Prozent der Unternehmen wollen eine bessere Liquiditätsplanung machen, fast die Hälfte nimmt sich eine Erhöhung der Reserven vor. Dies geht jedoch mit verminderten Mitteln für Investitionen, Wachstum und Innovation einher. Die richtige Balance zwischen finanzieller Stabilität und unternehmerischem Risiko zu finden ist höchst herausfordernd. 

Wirtschaftspolitische Massnahmen

Die Corona-Krise hat zudem gezeigt, dass viele Unternehmerinnen und Unternehmer in die Arbeitslosenversicherung einzahlen, aber im Bedarfsfall kein Anrecht auf entsprechende Entschädigungen haben. Diese Inkongruenz wurde von den befragten KMU mehrfach moniert und ist bereits Gegenstand politischer Diskussionen. Zudem führe die Besteuerung von Gesellschaftskapital zu einem negativen Anreiz für die Bildung von Reserven. Einige befragte KMU wünschen sich in einer nächsten Krise eine bessere Absprache zwischen Bund und Kantonen mit verbindlicheren, klareren Regeln und einheitlicherem Vorgehen.

Strukturwandel

Der Verlust an Wertschöpfung dürfte bis Ende Jahr allein im Kanton Zürich an die 15 Mrd. Franken betragen. An einer Medienkonferenz erklärt Volkswirtschaftsdirektorin Carmen Walker Späh: «Corona hat unsere Wirtschaft deutlich stärker getroffen als andere Gegenden der Schweiz. Das liegt vor allem daran, dass Zürich mit dem Flughafen stark vom internationalen Tourismus abhängig ist». Sie verlangt, dass das Reisen bei Nachweisung einer Impfung, eines negativen Testresultats oder einer Immunisierung bald quarantänefrei möglich wird.

Eine aktuelle Untersuchung durch das Amt für Wirtschaft und Arbeit (AWA) zeigt auf, dass sich der stetig stattfindende Strukturwandel auf dem Arbeitsmarkt durch die Coronakrise dynamisiert hat. Haupttreiber des Wandels ist die Digitalisierung, und somit erstaunt es auch nicht, dass sich in digital affinen Branchen ein Stellenwachstum verzeichnen lässt. «Die verstärkte Nutzung digitaler Kanäle hat verschiedenen Branchen, insbesondere dem Detailhandel, geholfen, besser durch die Krise zu kommen. Dies dürfte auch nachhaltige Effekte haben», sagt Andrea Engeler, Chefin des AWA. Branchen, die vorwiegend digitale Endprodukte herstellen, verzeichneten in den letzten 40 Jahren einen Beschäftigungszuwachs von 248%. In Branchen mit physischen Endprodukten betrug die Zunahme hingegen lediglich 21%. Im Vergleich zur Schweiz fiel die Digitalisierung im Kanton Zürich stärker aus.

Einbrüche und Lichtblicke

Der Zürcher Arbeitsmarkt befindet sich derzeit in relativ stabiler Verfassung: Im Februar stagnierte die Arbeitslosenquote bei 3,6 Prozent. Den grössten Beschäftigungsverlust verzeichnete die Gastronomie mit einem Abbau von schätzungsweise 3400 Vollzeitstellen. Im Bereich Gesundheit und Soziales (+2300), in der öffentlichen Verwaltung und Bildung (+2100), in der IT-Branche (+1900) sowie der Elektroindustrie (+1270) wurden hingegen neue Stellen geschaffen.

Ein kleiner Lichtblick in der aktuellen Situation ist das Projekt «Esperanza», das von der Zürcher Volkswirtschaftsdirektorin initiiert wurde. Bevor die Stellen für die elf Impfzentren im Kanton Zürich ausgeschrieben werden, bieten die RAV diese zuerst den registrierten Stellensuchenden an. Die Zusammenarbeit mit den Impfzentren im Rekrutierungsprozess hat begonnen und gestaltet sich positiv. Bereits konnten einige Stellensuchende vermittelt werden. (rb/awa)

(Über die KMU Richterswil siehe auch Artikel Seite 6)

 

Definition der KMU
In der Schweiz sind über 99 Prozent aller marktwirtschaftlichen Unternehmen KMU, also kleine und mittlere Unternehmen. Diese werden in drei Grössenklassen eingeteilt:

Mikrounternehmen 1–9 Beschäftigte
Kleine Unternehmen 10–49 Beschäftigte
Mittlere Unternehmen 50–249 Beschäftigte

 

Die Wirtschaftssektoren

Die Wirtschaftssektoren werden in drei Bereiche gegliedert und wie folgt definiert: 

Urproduktion (Primärsektor)
Zu diesem Sektor gehören Anbau und Ernte landwirtschaftlicher Erzeugnisse, der Forstwirtschaft und Fischerei, nach der weiteren Definition auch der Bergbau. Der Primärsektor stellt die Grund- bzw. Rohstoffe her, die der sekundäre Sektor weiterverarbeitet. 

Industrie und das Gewerbe (Sekundärsektor)
Dieser ist materialintensiv und verarbeitet die Vorleistungsgüter der Urproduktion weiter. Dazu zählen das verarbeitende Gewerbe, die Industrie, das Handwerk, die Energiewirtschaft sowie Energie- und Wasserversorgung, zumeist auch das Baugewerbe. Durch den Produktionsprozess mittels Einsatz von Investitionsgütern ist er kapitalintensiv. 

Dienstleistungen (Tertiärsektor)
Hier werden alle Dienstleistungen umfasst, die in eigenständigen Unternehmen, durch den Staat sowie in anderen öffentlichen Einrichtungen erbracht werden. Aufgrund der volkswirtschaftlich bedeutenden Tätigkeit werden gewisse Zweige des Tertiärsektors oft separat aufgeführt. Dies betrifft in der Regel die Bereiche Handel, Verkehr und öffentliche Haushalte. 

Über drei Viertel aller Unternehmen in der Schweiz sind im dritten, also dem Dienstleistungssektor, eingegliedert. Die gilt für viele Industriestaaten, was allerdings zu einer Abhängigkeit von anderen Ländern führt, welche vermehrt im Primär- und Sekundärsektor tätig sind. 

Industriestaaten sind jedoch weder gegen Arbeitslosigkeit gefeit noch generieren sie eine gerechte Einkommensverteilung.

 

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