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«Die Schnellen fressen die Langsamen»

Willy Oggier ist Gesundheitsökonom und bietet Strategieberatungen für Unternehmen im Gesundheitswesen an, entwickelt spezifisch fachliche Programme und führt entsprechende Moderationen. Ein kurzes Statement zur Spitallandschaft Schweiz.

Interview & Bild: Reni Bircher

In Ihrem Interview mit der Zürichsee-Zeitung Ende Oktober bezeichnen Sie das Paracelsus-Spital Richterswil als nicht systemrelevant; die komplementärmedizinische Ausrichtung des Spitals ist aber fast einzigartig in der Schweiz, und gerade in Abteilungen wie der Frauenklinik und Onkologie immer mehr gefragt. Hätte die Rettung des Spitals nicht zukunftsweisend sowie gewinnbringend sein können?
Ursprünglich war das Konzept tatsächlich eine interessante Ergänzung in der Spital-Landschaft. Mit der Zeit wurden verschiedene Elemente dieser komplementärmedizinischen Philosophie aber auch bei anderen traditionell schulmedizinischen Anbietern integriert. Dies wird offenbar von der Bevölkerung besser angenommen. Man will oft den Fünfer und das Weggli.

Die Gesundheitsdirektion erhebt Leistungsaufträge für jedes Spital, was natürlich auch mit den dafür aufgewendeten Kosten zusammenhängt. Steigen diese Leistungsaufträge, können das kleine und mittlere Betriebe kaum mehr erfüllen, da war das Paracelsus-Spital nicht das einzige. Das Schicksal dieser Betriebe scheint da schon besiegelt zu sein.
Nicht unbedingt. Es gilt eher: Nicht die Grossen fressen die Kleinen, sondern die Schnellen die Langsamen. Viele andere Privatspitäler sind von ihren Bettenzahlen her kleiner als manches öffentliche Spital. Sie konzentrieren sich aber auf Bereiche, wo der Bedarf hoch ist und sind dadurch auch gut positioniert, weil sie dies, was sie tun, häufig und damit oft auch besser tun.

Kennt man die ganzen Umstände nicht, was diese Leistungsaufträge und -vereinbarungen mit sich bringen und woran sie hängen, könnte man beinahe denken, dass die Gesundheitsdirektion auf möglichst viele Kranke hofft, damit sich die Finanzierung der Spitäler rentiert…
Im Gegenteil: Mit den finanziell vorherrschenden Anreizen hat die Gesundheitsdirektion kein Interesse daran, möglichst viele Patienten in den Spitälern stationär behandeln zu lassen. Dort muss der Kanton nämlich bei Spitälern, die er auf die Spitalliste setzt, ordentlich mitbezahlen. Die Gesundheitsdirektion hat eher ein Interesse, dass Spitäler mehr ambulant behandelt, weil sie dort nicht mitzahlt. Dies wiederum sehen die Spitäler nicht gern, weil sie dort nicht so hohe Tarife erhalten.

Herr Oggier, Sie sahen die schwierige Situation des Paracelsus-Spitals Richterswil unter anderem darin, dass es vor allem auf natürliche Geburten setzt. Dies sei personalintensiver. Angesichts der Fähigkeiten des Personals und dem Wunsch vieler Eltern, ihr Leben nicht total «durchterminieren» zu lassen, scheint Ihre Aussage recht zynisch…
Ich habe aus gesundheitsökonomischer Sicht die Anreize von der Kosten- und der Finanzierungsseite beschrieben. Diese Grundlagen sind nicht von mir, sondern vom demokratisch gewählten Parlament erarbeitet worden. Was Werturteile über Geburtsarten betrifft, ist Ansichtssache.

Die Pandemie wird (nicht nur) die Schweiz noch viele Jahre vor allem wirtschaftlich beschäftigen; hat der Mensch als Individuum da überhaupt noch Platz?
Hoffentlich. In einer Pandemie geht es aber nicht nur um das Individuum, sondern es geht auch um Fragen der Solidarität, beispielsweise mit Risikogruppen. Ähnliches gilt auch für Sozialversicherungen, welche über Zwangsabgaben finanziert sind. Für individuelle Komponenten sind eher Zusatzversicherungen da. Deshalb bin ich auch privatversichert.n

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