Aktuell Richterswil

Alt-Wädenswil als Sehenswürdigkeit gelistet

Nebst 5720 Objekten aus 65 Ländern und fünf Kontinenten ist das Kulturerbe auf der Internetseite burgenwelt.org gelistet. Wegen der Reisebeschränkungen sind Ausflüge in der näheren Umgebung von Vorteil; was weiter weg ist, kann aber als künftiges Reiseziel vermerkt werden, wenn wieder normale Verhältnisse herrschen.

Text & Bilder: Reni Bircher

Wer sich für vorwiegend mittelalterliche Wehranlagen interessiert, dürfte im Internet auf einige Trouvaillen stossen: auf der Burgenwelt-Seite sind Schlösser, Stadtbefestigungen, Motten und Burgen aller Bauarten und unabhängig von ihrem Zustand aufgeführt. Nebst Bildern findet man eine Beschreibung der Anlage, die Geschichte dazu, genaue Ortsangaben, wie sie zu erreichen ist, welche Angebote dazu bestehen (Führungen, Gastronomie, Eintritt, Rollstuhlgängigkeit, Übernachtungsmöglichkeiten usw.) sowie Literaturhinweise und weiterführende Links. Es liegen Daten von Wehranlagen vom 5. bis zum 19. Jahrhundert vor, der Schwerpunkt liegt jedoch auf dem europäischen Mittelalter. Und jede Woche kommen weitere hinzu.

Die Anfänge von Burgenwelt gehen auf das Jahr 1995 zurück, als das Internet noch in den Kinderschuhen steckte. Die Idee kam
Olaf Kaiser, Biologe und Burgenenthusiast, bei der Vorbereitung zu einer Rundreise durch Mecklenburg-Vorpommern. Informationen zu den Burgen in jenem Gebiet waren kaum zu finden, und das sollte sich dank Kaiser und einem Kollegen aus der IT-Branche, Rüdiger Viecens, bald ändern. Im Folgejahr wurde die Domain aufgebaut und ein erster Gastautor kam hinzu. Die Burgenwelt-Community wuchs immer weiter. 

Schweizer Vertretung

Im Jahr 2000 stiess Oliver Steimann aus Zürich als Gastautor hinzu, als die Internetseite noch vorwiegend Wehrbauten aus Deutschland listete. Bald packte ihn der Ehrgeiz, die Schweizer Sektion zu einer umfassenden Website zu den mittelalterlichen Wehranlagen in der Schweiz auszubauen. «Dass es dafür Jahrzehnte brauchen würde, konnte ich mir damals nicht vorstellen», erklärt Steimann schmunzelnd. Er selbst hat mittelalterliche Geschichte studiert und ist noch immer das einzige Schweizer Teammitglied. Die Gastautoren jedoch stammen aus ganz Europa.

Seit 2002 organisiert das Burgenwelt-Team jährlich ein bis zwei mehrtägige Exkursionen in burgenreiche Gebiete für alle Interessierten. Diese gingen nach Osteuropa, Griechenland, Apulien, Spanien und – noch vor dem Bürgerkrieg – sogar Syrien. Auch die Schweiz war mehrfach Ziel solcher Exkursionen. «Daneben besuchen wir alle in unserer Freizeit ständig Burgen, Ruinen, Stadtmauern und Burgstellen, wo immer sich eine Möglichkeit bietet», klärt Oliver Steimann auf.

Einsamer Zeitzeuge

Stolz und gewaltig thront sie auf dem Nagelfluhfelsen am Rande des Reidholzwaldes: Die Ruine der Burg Wädenswil, grösste Anlage dieser Art auf Kantonsgebiet. Vor 1200 wurde sie als Turmfestung genutzt und diente ab 1217 Rudolf II. von Wädenswil als Wohnsitz. Die bis zu vier Meter dicken Mauern des Freiherrenturms sind die ältesten noch sichtbaren Bauten. Der wirtschaftliche Niedergang der Familie zwang Rudolf III. im Jahre 1287 den Stammsitz sowie die Herrschaft Wädenswil an den Johanniterorden zu verkaufen, er besass aber noch immer das Nutzungsrecht.

Nach dessen Tod fochten die Erben den Verkauf an und erwirkten von Albrecht von Habsburg einen königlichen Entscheid: die Herrschaft fiel den Johannitern zu, die Erben mussten jedoch finanziell entschädigt werden. Um 1330 wurde Alt-Wädenswil eine eigenständige Kommende (Form der treuhänderischen Weitergabe kirchlicher Pfründen an eine Drittperson) und beherbergte mehrere Ordensbrüder. In den folgenden 150 Jahren wurde sie zu einer gewaltigen Ordensburg ausgebaut, samt Kapelle und Räumen als Herberge und für die Krankenpflege. 

Bewegte Jahrhunderte

Die Kommende war durchaus ertragreich, ging in Ermangelung an Nachwuchs und dem Niedergang des Johanniterordens im 15. Jahrhundert jedoch in eine weltgeistliche Verwaltung über. Zahlreiche Kommendatore und Schaffner kamen und gingen, die Reichsstadt Zürich griff immer mehr in die inneren Angelegenheiten der Herrschaft Wädenswil ein, stationierte Anfang der Alten Zürichkrieges (1439/40) sogar Soldaten auf deren Gebiet. 

Die Reformation läutete schliesslich das Ende der stolzen Gemäuer ein. Wädenswil und Richterswil wandten sich, wie so viele im Zürcher Umland, vom katholischen Glauben ab. Wegen des Verlusts zahlreicher Rechte, Schwierigkeiten mit den Untertanen und der Angst, dass eine Enteignung stattfinden könnte, bot der letzte Grossprior, Georg Schilling, 1548 die Herrschaft Wädenswil samt Burg Zürich zum Kauf an. Allerdings fühlten sich die Eidgenossen – allen voran Schwyz – von der Burg bedroht und erhoben Einspruch gegen den Kauf. Erst 1550 kam es dann zur Einigung: die Stadt Zürich übernahm die Herrschaft, die Burg mussten sie jedoch schleifen.

Fortan dienten die Überreste als Steinbruch, 1870 wurden sogar Teile der Burg gesprengt, um für den Bau der Bahnlinie von Wädenswil nach Einsiedeln Baumaterial zu gewinnen. 

Rettung der Ruine

Die vielbewegte Geschichte – von der hier nur ein Bruchteil präsentiert wird – mündet 1902 in die Gründung eines Komitees, welches sich zur Aufgabe gemacht hat, dieses Kulturerbe zu schützen und zu bewahren. Die «Stiftung zur Erhaltung der Burg Alt-Wädenswil» wurde von fünf Männern ins Leben gerufen: den Wädenswilern Fritz Weber-Lehnert (Brauereibesitzer), Jakob Isler (Sekundarlehrer), Jakob Höhn (Gemeinderatsschreiber), Heinrich Blattmann sen. und dem Zürcher Oberrichter Dr. Robert Haab. Laut Urkunde bestand deren Aufgabe nun darin, «dieses älteste Wahrzeichen der Geschichte Wädenswils, die Ruine Alt-Wädenswil, zu erhalten».

Zum heutigen Zeitpunkt besteht der Stiftungsrat aus acht Mitgliedern, die alle aus Richterswil-Samstagern und Wädenswil stammen. Sie sorgen für Ordnung und den Unterhalt, flicken Treppen, versetzen lose Bruchsteine und befreien die Grundmauern von Efeu. Solche Rodungen finden durch den Gärtner oder Zivilschutz statt. Für die Maurerarbeiten zeichnet sich die Firma Hüppin AG aus Samstagern. Thomas Gassner ist Präsident der Stiftung und arbeitete früher als Maurer bei Hüppin. Im Oktober 2004 durfte er einen grossen Abbruch vom Johanniterturm wieder aufmauern. «Das waren etwa 50 m2 Bruchsteinmauerwerk, und das musste sehr sorgfältig und im gleichen Stil aufgemauert werden», erklärt er stolz.

Das Burggelände weist, nebst der Nähe zum Wald und einer fantastischen Aussicht, zahlreiche Feuerstellen und Sitzgelegenheiten auf. Dem Besucher zeigt sich das Burggelände zu jeder Jahreszeit von seiner besten Seite und lädt zum Verweilen ein. Auch Einheimischen könnte sich die eine oder andere Neuentdeckung bieten. n

www.burgenwelt.org

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