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«In einer Gruppe spazieren gehen? Ich doch nicht!»

Zugegeben, dies war mein erster Gedanke, als ich im Sommer erstmals einen Artikel über «Zämegolaufe» gesehen habe – übrigens in dieser Zeitung. Doch dann war ich trotzdem neugierig … Und schon nach dem ersten Treffen wusste ich: «Zämegolaufe? Doch, ich auch!»

Text & Bild: Susi Klausner

Es ist wie bei allem, was man nicht kennt: Der erste Schritt ist der Schwierigste. Man findet schnell viele Gründe, wieso man es nicht machen soll, kann oder will. Doch eigentlich gibt es kaum einen guten Grund, bei Zämegolaufe nicht mitzumachen, oder es nicht auszuprobieren.

Am Anfang war es wissenschaftlich

Vor rund fünf Jahren entwickelte ein Forscherteam der Universität Zürich unter Leitung von Prof. Milo Puhan das Projekt «Förderung der körperlichen Aktivität bei älteren Menschen». Für die schweizweite Umsetzung wurde das Projekt an das «Netzwerk Bewegung und Begegnung» übergeben. Dieses startete in Wetzikon den Pilotversuch für Menschen ab 60 Jahren, unabhängig allfälliger Gehbehinderungen, gemeinsame, geführte Spaziergänge in der nahen Wohn-Umgebung anzubieten, gratis und unverbindlich, um Bewegung an der frischen Luft und ein entspanntes Zusammensein mit anderen Menschen zu ermöglichen.
Das Pilotprojekt wurde während eines Jahres wissenschaftlich begleitet, und nach weiteren drei Jahren wird Zämegolaufe inzwischen in zehn Gemeinden im Kanton Zürich angeboten, weitere Angebote sind im Aufbau. Auf der linken Seeseite gibt es ZGL in Rüschlikon, Horgen und seit Frühjahr 2020 in Wädenswil.

5 Motivierte, 17 Parcours

Als Sandra Schäppi, die Leiterin der Infostelle Betreuung und Pflege der Stadt Wädenswil, von der kantonalen Projektleiterin ZGL, Christina Hirzel, angesprochen wurde, zögerte sie nicht, sondern suchte ein Team von Freiwilligen, um mit Unterstützung durch die Stadt das Projekt hier auf die Beine zu stellen.
Bald haben sich fünf Leute gefunden: Margrith Christen, Freddy Koller, Verena Ruf, Ruth Sigg und Lucia Steger machten sich mit grosser Motivation, viel Zeitaufwand und Freude daran, Spazier-Wander-Routen in der nahen Umgebung auszukundschaften. Das Ziel war, einmal pro Woche während des ganzen Jahres verschiedene Parcours für gemächliche, gemütliche und zügigere Spaziergänge zu finden, mit einer Länge von zwei bis zehn Kilometern, mit einer Gehzeit zwischen 30 Minuten und 2,5 Stunden.
Lucia Steger, die lokale ZGL-Koordinatorin, sagt hierzu: «Wir sind kreuz und quer, mit Karten ausgerüstet, durch die nahe Umgebung gewandert, haben nach abwechslungsreichen Wegen, Aussichtspunkten, Rastplätzen, Restaurants und öffentlichen Toiletten Ausschau gehalten, und wir haben Bus- und Zug-Fahrpläne studiert, immer mit dem Fokus auf die Zielgruppe, Menschen über 60, die sich mehr Bewegung und Begegnung wünschen».
Aktuell hat die Gruppe 17 verschiedene Parcours ausgetüftelt, die zusammen mit den wichtigsten Informationen zum Angebot in der Broschüre «Herzlich willkommen bei Zämegolaufe» sehr anschaulich dokumentiert sind. Die Broschüre liegt im Stadthaus und in weiteren öffentlichen Einrichtungen auf.

In der Nähe liegt die Würze

Bei der Planung der Parcours achtete das Team besonders darauf, dass sich die Routen möglichst innerhalb des Gemeindegebietes befinden und die Ausgangs- und Endpunkte stets problemlos mit Bus oder Zug erreichbar sind. Dadurch sollen Menschen zum Mit-Spazieren animiert werden, die sehr kurze Anfahrtswege mit den öffentlichen Verkehrsmitteln schätzen und die nur für eine überschaubare Zeit in der Nähe ihres Wohnortes unterwegs sein möchten oder können – und dies in guter Gesellschaft.
Diese Spaziergänge in der Nähe haben auch den grossen Vorteil, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ihre Gemeinde aus einer anderen Perspektive erleben und an Orte gelangen, an denen sie vielleicht jahrelang achtlos vorbeigegangen sind.


Erwünschte Nebenwirkungen

Neben diesem «etwas anderen Blick» gibt es weitere erwünschte Nebenwirkungen: Auf den Spaziergängen herrscht kein Zeitdruck: Wo es schön ist, verweilt man, und wie von selbst ergeben sich rege Gespräche mit den Mitspazierenden über alle möglichen Themen, wobei man durchaus auch alte Hausrezepte oder sonstige Tipps erhält, die einem das Leben erleichtern können. Um das Angebot kennenzulernen und sich auszutauschen, lohnt sich der Besuch des ZGL-Stammtisches, der an jedem ersten Montag im Monat um 10 Uhr im Wädi-Brau-Huus stattfindet.
Bereits jetzt werden die Angebote in Wädenswil rege genutzt. So nehmen an den Spaziergängen meistens mehr als 25 Personen teil, und dies nicht nur bei Sonnenschein. Sehr geschätzt wird, dass bei Zämegolaufe alles unverbindlich ist: Man braucht sich nicht anzumelden oder sich zu einer regelmässigen Teilnahme zu verpflichten. Das Angebot ist gratis, bis auf die persönlichen Getränke oder Zwischenverpflegung. Man «muss» auf den Spaziergängen auch nicht mit anderen sprechen, wenn es einem einmal «nicht drum» ist, oder man kann sich auch früher verabschieden … was als Einziges jedoch der Begleitperson des Leiterteams gesagt werden muss, damit niemand verloren geht.
Und noch etwas muss man selber tun: Den ersten Schritt, sich einen Tag zum Zämegolaufe aus dem Programm aussuchen und zum ausgeschriebenen Zeitpunkt am Treffpunkt oder am Stammtisch sein. Ich kann aus eigener Zämegolaufe-Erfahrung sagen: dieser erste Schritt lohnt sich, denn in einer Gruppe spazieren zu gehen, das macht einfach Freude! n

Broschüre und Programm werden in gedruckten und Online-Veranstaltungskalendern, am Aushang beim Stadthaus, auf www.waedens
wil.ch/projekte/1850, und www.zämego
laufe.ch/wädenswil veröffentlicht.

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