Allgemein Wädenswil

Gefiederte Überflieger 

Dass man die Uhrzeit nach ihnen richten kann, ist etwas übertrieben. Aber das richtige Kalenderblatt abreissen, das geht schon. Pünktlich zum Maibeginn drehen die Mauersegler wieder ihre Runden um die Hausecken in Wädenswil. Markant ist ihr Schrei, den man derzeit wieder überall hört: ´Sriii-Sriiiª, in den höchsten Tönen.

Text & Bilder: Stefan Baumgartner

Kaum ein Vogel ist besser an das Leben in der Luft angepasst als der Mauersegler. Der ausgezeichnete Flugjäger sieht einer Schwalbe ähnlich, fliegt aber um einiges rasanter: ein wirklich besonderer Vogel. Er ist mit etwa 200 km/h nicht nur der drittschnellste Vogel im Sturzflug – nach dem Wanderfalken und Steinadler –, er verbringt sogar sein ganzes Leben im Flug. Bis zu 10 Monate wird durchgeflogen. Im Flug schläft er und paart sich auch. 

Bei gutem Wetter fliegen sie in Höhen von bis zu 3000 Metern, oft in grösseren Trupps. Nur einmal im Jahr, während der Brutzeit, setzt er seine Krallen auf festen Boden. Dann ist er bei uns anzutreffen – aber nur bis etwa Ende Juli, Anfang August. 

Wohnungssuche in den Quartieren

Mit den abenteuerlichen Flugspielen durch die Strassenschluchten und Häuserecken suchen sie ihre Nisthöhlen aus dem Vorjahr auf. Mit der Ausbreitung menschlicher Siedlungen fanden sie in Mauerspalten und Dachnischen ein grosses Angebot geeigneter Höhlungen vor und hielten Einzug in Dörfer und die wachsenden Städte. So wurden die Mauersegler im Laufe von Jahrhunderten zu den gefiederten Nachbarn des Menschen, sogenannte Kulturfolger. 

Mauersegler

Die Mauersegler-Nester sind übrigens streng geschützt und dürfen nicht einfach entfernt werden. Aber Mensch und Vögel können hervorragend zusammenleben – und das jedes Jahr erneut. Als ortstreue Vögel kehren sie immer wieder in ihr ursprüngliches Brutrevier zurück. Finden sie dort keinen Nistplatz, brüten sie auch nicht. Sollte ihr Nistplatz belegt sein – etwa von einem frechen Spatz – wird dieser vertrieben. Zwar sind die Füsse des Mauerseglers zum Sitzen und Gehen wirklich ungeeignet, aber im Kampf mit Brutplatzkonkurrenten bilden sie mit ihren scharfen Krallen, die alle nach vorn gerichtet sind, eine sehr wirksame Waffe.

Mauersegler

Haben sie dann den Nistplatz gefunden und ist die Brut geschlüpft, beginnt die Futtersuche: Immer wieder schwirren sie aus den Nestern aus, um ihren Jungen Futter zu besorgen. Auch dies wird im Flug erledigt. Mit geöffnetem Schnabel segeln sie durch die Luft und fangen so bis zu 800 Insekten, die sie zu Klösschen in ihrem Kropf sammeln. Ihre Jungen sind nach dem Schlüpfen innerhalb von 40 Tagen flügge. 

Fast hymnisch wurde dieses Flugverhalten vom französischen Naturforscher Jean-Henri Fabre geschildert: «Wie räumen die Mauersegler unter den Insekten der Dämmerung auf, wenn ihre aufgeregten Scharen endlos im Kreis hin- und herfliegen, in der Heiterkeit des rötlichen Abendhimmels, wenn die Sonne untergeht! Was für ein Ungestüm im Flug! Was für überraschende Wendungen im Raum! Welche Lebhaftigkeit!» 

Bei den abends aufsteigenden Mauerseglern dachte man früher auch, dass sie die Nacht auf dem Mond verbrächten.

Dann, Ende Juli oder im August, zieht es den Mauersegler wieder ins südliche Afrika. Mauersegler treten als Wintergäste in allen Ländern südlich der grossen Wüste auf, einige erreichen sogar das Kap der guten Hoffnung. Dort trifft man sie oft mit anderen Seglern und Schwalben vergesellschaftet, besonders wenn Termiten oder Ameisen schwärmen. Dort sind sie im Gegensatz zum Aufenthalt hier völlig ortsungebunden. Sie halten sich immer dort auf, wo es die meiste Nahrung für sie zu finden gibt. Das sind wasserreiche Gebiete in den Savannen und Steppen, wo die Luft reich ist an Insekten, die im Flug erbeutet werden können. Und dann, im Frühling, machen sie sich wieder auf zu den Brutplätzen in Europa.

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