Wädenswil

Annahita Michalsky de la Mare, Kinderbuchautorin aus Schönenberg

In einem historischen Haus, im Zentrum unseres kleinen Dorfes, wohnt Annahita Michalsky de la Mare mit ihrer Familie. Sie betreut ihre zwei Mädchen vollzeit und schreibt in der verbleibenden Zeit Kinderbücher, die neue Rollenbilder vermitteln sollen. Diese braucht die Welt dringend!

Schönenberg ist ein kleines Dorf, das knapp 2000 Einwohner hat. In wie vielen Häusern diese wohnen entzieht sich meiner Kenntnis. Was ich weiss, ist dass in jedem Haus eine Geschichte wohnt – die der jeweiligen Bewohner. Da, wo sich die Dächer noch tief über ergraute Gemäuer und geschwärzte Bohlen beugen, wohnen die Geschichten vieler Generationen.

In einem solch alten Haus wohnt Annahita de la Mare. Annahita bevorzugt ihren Mädchennamen, und wie der Name vermuten lässt, ist sie nicht von hier. Ihre Geschichte wurde zuerst woanders geschrieben. Hier in Schönenberg, in diesem alten Haus am Schulhausweg, wird sie erst seit 9 Jahren erzählt.

Seit 2011 wohnt Annahita mit ihrer Familie hier. Man merkt sofort, dass die Familie das Haus eingenommen und es sich darin gemütlich gemacht hat. In der behaglichen alten Wohnstube mit historischem Täfer und Kachelofen fühle ich mich sofort zuhause und der Duft von frisch gebackenen Muffins steigt mir in die Nase, als ich mich an den grossen, einladenden Holztisch setze. 

Olivia, 7, und Emilia, 5, sind zuhause und klettern die steile Treppe, die ins obere Stockwerk führt, hinab, um mich neugierig zu mustern. Bald darauf verschwinden sie wieder nach oben zum Spielen. Es ist kurz vor den Sommerferien und die Mädchen haben schon schulfrei. Das ist für Annahita glücklicherweise kein Problem, denn sie ist Vollzeitmutter. Vor ein paar Jahren hat sie ihre Karriere im Changemanagement aufgegeben. 

«Ich habe meinen Job wirklich gerne gemacht. Aber als ich meine sechsmonatige Tochter in die Krippe geben musste, hat sie da nur geweint und nichts gegessen. Und ich sass im Büro an einer Sitzung und dachte: Ich sitze hier, um eine Firma dabei zu unterstützen, ihr Geld richtig einzusetzen, und da draussen weint meine Tochter und ich bin nicht bei ihr.

Sie war vorher immer ein sehr ruhiges und zufriedenes Baby gewesen. Aber es ist wohl so, dass nicht jedes Kind gerne in der Krippe ist. Schweren Herzens habe ich dann meinen Job aufgegeben, trotz der Angst, dass ich nie mehr eine Arbeit finden werde, wenn ich jetzt austrete. Aber ich konnte nicht anders. Unterdessen bin ich froh über diese Entscheidung.»

Annahita de la Mare ist eine gut ausgebildete Frau. Nach der Uni hat sie ein Jahr die Welt bereist und dann an einem Programm für Neueinsteiger in der Unternehmensberatung teilgenommen. «Es war ein sechswöchiger Kurs und wir hatten viel Spass», erinnert sich Annahita. «Alle kamen frisch von der Uni, waren voller Energie und wollten etwas Tolles machen.»

Sie ist beruflich viel gereist, hat in Deutschland, in Indien, in Amerika, der Slowakei und in Österreich gearbeitet. Im Zürcher Büro der Firma, für die sie in London arbeitete, lernte sie ihren Mann kennen. Annahitas Ehemann ist tschechisch-deutscher Herkunft, sie hat iranische Wurzeln und ist in England aufgewachsen.

Man einigte sich auf einen gemeinsamen Wohnort in der Mitte ihrer Herkunftsorte, Deutschland und England, und so fanden sie das Haus in Schönenberg und wurden hier sesshaft. Irgendwann wurde Annahita dann schwanger und wechselte den Job. Vom Changemanagement rutschte sie ins Familienmanagement, was eigentlich irgendwie dasselbe ist. Nur, dass Annahita schon ziemlich Angst davor hatte zuhause verrückt zu werden. «Ich dachte, jetzt will ich schnell noch ein zweites Kind und dann werde ich wieder einsteigen.»

Wie wir älteren Mütter schon wissen, kommt es meistens anders als frau plant.

«Ich habe eine Bewerbung geschrieben, für ein UBS-Wiedereinsteigerprogramm für 80%. Ich dachte, ich brauche die Arbeit für meinen Kopf. Aber meine Kinder waren anderer Meinung. Es gibt Kinder, die sind happy in der Kita, meine nicht. Sie waren so an mich gewöhnt und an mich gebunden, dass ich mich für sie entschieden habe. Zum Glück!

Wie froh war ich dann, als ich feststellte, dass meine Mädchen genauso gerne lesen wie ich. Ich habe ihnen so viele Geschichten erzählt oder vorgelesen.» 

Irgendwann realisierte Annahita, dass es wenig bis keine Bücher mit guten Vorbildern für Mädchen gibt. Das Regal der Mädchenbücher in Buchhandlungen und Bibliotheken sei voll mit Bänden über Feen, Prinzessinnen und sonstigen hübschen, braven Mädchen. Das Jungsregal ist voller Helden- und Abenteuergeschichten. Was für ein Unterschied! Das hat ihr die Augen geöffnet. Von Anfang an werden die Mädchen darauf getrimmt, dass es wichtig ist wie sie aussehen und dass sie gefallen. Jungs sollen mutig sein und dürfen die Welt entdecken.

«Ich wollte meinen Mädchen aber etwas anderes erzählen. Bücher öffnen die Augen für die Welt und das Leben, sie erweitern den Horizont. Das ist bei Kindern wahnsinnig wichtig. Hinter den Kindergeschichten hat es ja immer auch moralische Botschaften.»

Es gibt Studien, die Kinderbücher darauf untersucht und analysiert haben und es hat sich herausgestellt, dass eine grosse Diskrepanz besteht. Die Mädchenliteratur hat viele beschränkende Wörter und Themen. Die Geschichten spielen auf dem Ponyhof, handeln von Freundschaften, von Prinzessinnen und Feen. Jungs sind Entdecker in Afrika, Asien oder sonstwo auf der Welt, sind Piraten und Abenteurer.

«Eines schönen Tages sass ich in meinem Garten und hatte die zündende Idee für meine erste Story», erzählt Annahita de la Mare. «Die erste Geschichte handelt von drei Mädchen, die ‹verstecken› spielen und dabei einen grossen Heissluftballon finden. Er gehört der Oma von einem Mädchen. Sie war Weltenbummlerin und Entdeckerin. Die Mädchen reparieren den Ballon und fliegen zur Oma, die dann mitfliegt, und so unternehmen sie verschiedene Reisen, erleben Abenteuer und sehen andere Länder. Das Buch ist für Vier- bis Siebenjährige. Natürlich auch für Jungen!»

Natürlich ist es nicht bei der ersten Geschichte geblieben. Weitere sind dazu gekommen, liebevoll illustriert von Jennifer Kirkham aus England. Die Bücher sind Englisch, aber das erste ist bereits auf Deutsch übersetzt worden.

«Welch ein Glück, dass ich damals diese Entscheidung getroffen habe. Zuhause bleiben, hat meinen Kopf freigemacht für die Kreativität. Nun kann ich von zu Hause aus arbeiten und genau das tun, was ich liebe!»

Die Kinderbücher gibt Annahita de la Mare im Selbstverlag heraus. Einen Verlag hat sie nicht gesucht, weil sie keine Einschränkungen haben, sondern vorerst ihr eigenes Ding durchziehen will. Drucken liess sie die Bücher in England, Text und Layout hat sie selber bestimmt, wie auch das Papier. Auch die Vermarktung will Annahita selber machen.

Annahita hat eine neue Karriere gestartet. Sie ist Familienfrau und Buchautorin und -herausgeberin. Sie steckt voller Ideen und Energie, diese zu verwirklichen. Ihr Ziel ist, dass dereinst die Bücherregale ihrer Mädchen voll sind mit ihren Büchern, die neue Rollenmodelle für Mädchen aufzeigen. Die Geschichten dazu sind schon in ihrem Kopf.

Die Autorin besucht auch gerne Schulklassen und liest den Kindern vor. Veranstaltungen wie die Lesenacht findet sie besonders toll, weil es wichtig sei, die Kinder zum Lesen zu ermutigen. Was sie besonders freut ist, dass sie schon auf ihre Geschichten angesprochen wird. 

Zu hoffen ist, dass Annahita de la Mares Beispiel Schule macht und sich künftig die Geschichten, die für Mädchen geschrieben werden, wirklich endlich an neuen Modellen orientieren.   (iel)

Die Bücher  von Annahita de la Mare sind im Sortiment bei Kafisatz in Wädenswil, bei Bücher Balmer Zug und im Kinderbuchladen Zürich erhältlich.

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