Seit Monaten ist das Gebiet um den AuPark in aller Munde und über dessen Zukunft herrscht Uneinigkeit. Tatsache ist jedoch, dass auf diesem Firmengelände ein Teil Wädenswiler und auch Schweizer Geschichte geschrieben wurde. Hans Stierli, 40 Jahre treuer Mitarbeiter bei der STR, erzählt: Die Firma Standard Telefon und Radio AG (STR) wurde am 19. November 1935 gegründet. Eine ausbaufähige Fabrikationsstätte wurde in der damals leerstehenden, ehemaligen Seidenweberei der Firma Stünzi Söhne AG in Zürich-Wollishofen gefunden. Anfangs 1936 zog die STR als Mieter in den Hochbau der «roten Fabrik am See» ein; im Laufe der folgenden Jahre wurden die weiteren Teile des Gebäudekomplexes dazugemietet und schrittweise erworben, so dass am Ende des zweiten Weltkrieges 9 500 m2 eigene Fabrikations- und Büroflächen zur Verfügung standen. Noch vor Beginn des Krieges war die Fabrikation von automatischen Telefonzentralen und Hochfrequenzsendern für unsere Armee aufgenommen worden. Der nach dem Krieg einsetzende Nachholbedarf und die ungeahnt schnelle Entwicklung an Geräten für die Nachrichtentechnik führte zu einer immer stärkeren Ausnutzung der vorhandenen Gebäude. Bald war auch die Erstellung zusätzlicher Bauten auf dem Areal in Wollishofen nicht mehr möglich, weil die geplante Seeufergestaltung und Strassenbauten die Stadt Zürich veranlassten, ein Bauverbot zu erlassen. Die Miete von zusätzlichen Fabrikations- und Büroräumen konnte nur vorübergehend helfen, so dass nach einer zukünftigen Niederlassung für die STR Umschau gehalten werden musste. Die Verhältnisse in der Gemeinde Wädenswil, wo hinter der Halbinsel Au ein günstiges Gelände zur Verfügung stand, erwies sich als am Vorteilhaftesten. Ende August 1957 konnte das nötige Land erworben werden, welches nicht nur eine Erweiterung der Fabrikationsanlagen ermöglichte, sondern später auch den Betrieb Wollishofen aufnehmen konnte und dazu Erweiterungen gestattete. 1960 stand die erste Etappe des Fabrikneubaus, bestehend aus Fabrikgebäude und Kesselhaus mit total 14 500 m2 Bodenfläche, welches ausser hellen Fabrikationsräumen ein schönes, modernes Personalrestaurant beherbergten. Wohnungen wurden auch viele gebaut, zum Beispiel die Siedlung «Seegut» der Firma Schäppi-Grundstücke (Richtung Meilibach), oder die Überbauung «Seehalde» der Pensionskasse STR (Richtung Wädenswil) sowie «Im Maiacher» oberhalb der STR. In Wädenswil entstand die Überbauung Hangenmoos, welche derzeit rückgebaut und durch neue Blöcke ersetzt wird.
Der SBB-Extrazug
Ab Fahrplanwechsel im Dezember 1959 fuhr der Zug 6.21 Uhr vom Zürich HB statt bis Horgen (für die Arbeiter von Wanner, Grob, Feller usw.) neu bis in die Au (für die STR) und wurde dort abgestellt bis 17.00 Uhr. Damals gab es noch keine gleitende Arbeitszeit, diese wurde erst 1971 eingeführt. Und so ertönte um 16.48 Uhr der Gong und etwa 600 Personen strömten Richtung Bahnhof Au. Es gab keine S-Bahn und keinen Taktfahrplan! Um 17.00 Uhr fuhr der Zug seeabwärts, um 17.03 Uhr Richtung Pfäffikon-March. Etwa zwei Drittel wohnten Richtung Zürich, ein Drittel seeaufwärts. Zu jener Zeit kamen etwa zwei Drittel der Mitarbeiter mit dem Zug zur Arbeit, ein Auto konnten sich nur wenige leisten. In den Achtzigerjahren änderte sich das Verhältnis: Dank «Wohlstand» kam nur noch etwa ein Drittel mit ÖV, Velo oder zu Fuss zur Arbeit. 1961 durfte ich für sechs Monate im «Model-Shop» im neuen Werk Au arbeiten. Was für ein Unterschied zur Roten Fabrik! Ein heller Arbeitsplatz, die Werkbank in der obersten Etage am Fenster, mit Aussicht auf Auhügel und See. Ein Kantine u.a. mit vier Essbars à la Silberkugel, einen grosser Teil mit Tischen für Kaffee und Dessert oder auch Selbstmitgebrachtes. Gegessen wurde in vier Schichten von 11.30 bis 14.00 Uhr, ein 3-fach-Gong wie im Kino ertönte jeweils zum «Schichtwechsel».
Blütezeit der Firma
Am 26. November 1968 wurde die neue STR-Kinderkrippe nach vier Monaten Bauzeit eingeweiht. Hier sollten sich die Kinder der Angestellten vom Werk Au und dem Zweigwerk Neubühl wohlfühlen. Die Krippe wurde von der STR-Pensionskasse finanziert und sollte ein bescheidener Beitrag im grossen Sozialwerk der fortschrittlichen Gemeinde Wädenswil sein.
1970 war die Erweiterung des Fabrikgebäudes auf die mehr als doppelte Bodenfläche abgeschlossen. Nach und nach wurde die «Rote Fabrik» in Wollishofen ausgeräumt und weitere Fabrikationsabteilungen, unter anderem Schlosserei, Stanzerei, Werkzeugbau und mechanische Werkstatt sowie der Rest der Malerei nach Au-Wädenswil gezügelt. Auch die Lehrlinge bekamen hier ihr neues Zuhause. Der Personalbestand erhöhte sich auf rund 2000 Personen. Ab 1976 befand sich Verwaltung und Entwicklung im neuen, für 21 Millionen Franken gebauten Sitz an der Friesenbergstrasse in Zürich. Dort ist sie heute noch unter «Alcatel-Lucent» – meine Pensionskasse trägt noch den gleichen Namen. Die «Rote Fabrik» in Wollishofen wurde für rund 7 Millionen Franken an die Stadt Zürich verkauft, und daraus entstand das heutige Kulturzentrum. In dieser Zeit hatte ich auch mein eigenes «Filmstudio» zum Herstellen von Bestückungsfilmen für Leiterplatten. Dabei wurde mit Lichtsymbolen millimetergenau gezeigt, wo die verschiedenen Bauteile eingesteckt werden. Alles musste zuerst gemäss Arbeitsplan gefilmt werden, zu jedem Bild die passenden Teile im sich drehenden Teller zuvorderst. Möglichst wenig Behinderungen beim Aufbau, d.h. auf die Höhe achten, das war ein guter Plan, der sich auch kostenmässig auswirkte. Ende der Achtzigerjahre kamen Spezialisten der Firma Fuij und hatten nur ein müdes Lächeln für das Handbestücken mit Film übrig! Es gab viel kleinere Bauteile (SMD), welche auf Hundertstelmillimeter genau aufgeklebt und maschinell gelötet wurden. Dazu gab es Fuij Automaten, welche durch die AVOR programmiert wurden. Das war eine neue, interessante Arbeit und es brauchte kein Filmstudio mehr! Obwohl ich 40 Jahre bei Standard/Alcatel arbeitete wurde es nie langweilig. Der Fortschritt in der Technik hielt uns stets auf Trab. In den letzten Jahren vor der Pensionierung durfte ich sogar Bestückungs-Automaten programmieren – man lernt nie aus!
Aufgezeichnet von Reni Bircher
Werdegang von Hans Stierli
1958–1962: Lehre als Feinmechaniker bei Firma Standard Telefon & Radio AG.
1962–1965: Tätigkeit als gelernter Berufsmann im Model-Shop Firma Standard, Au-Wädenswil.
1966–1979: Arbeitsvorbereitung für
Teilefertigung Mechanik, AVOR / Fertigungstechnik für Telefonzentralen und Studio-Anlagen (PTT/SRG), Nullserien-Koordination
1980–1998: Arbeitsvorbereitung im Baugruppen-
Engineering der Firma Alcatel. Schwerpunkte: Erstellung und Optimierung
der Programmdaten und Fertigungsunterlagen. Unterstützung der Produktion bei Prototypen und Fertigungsproblemen. Beschaffung von Vorrichtungen und Hilfsmitteln für die Produktion, Offertkalkulationen, AVOR für Werkleistungs- und Militäraufträge.
Seit Monaten ist das Gebiet um den AuPark in aller Munde und über dessen Zukunft herrscht Uneinigkeit. Tatsache ist jedoch, dass auf diesem Firmengelände ein Teil Wädenswiler und auch Schweizer Geschichte geschrieben wurde. Hans Stierli, 40 Jahre treuer Mitarbeiter bei der STR, erzählt: Die Firma Standard Telefon und Radio AG (STR) wurde am 19. November 1935 gegründet. Eine ausbaufähige Fabrikationsstätte wurde in der damals leerstehenden, ehemaligen Seidenweberei der Firma Stünzi Söhne AG in Zürich-Wollishofen gefunden. Anfangs 1936 zog die STR als Mieter in den Hochbau der «roten Fabrik am See» ein; im Laufe der folgenden Jahre wurden die weiteren Teile des Gebäudekomplexes dazugemietet und schrittweise erworben, so dass am Ende des zweiten Weltkrieges 9 500 m2 eigene Fabrikations- und Büroflächen zur Verfügung standen. Noch vor Beginn des Krieges war die Fabrikation von automatischen Telefonzentralen und Hochfrequenzsendern für unsere Armee aufgenommen worden. Der nach dem Krieg einsetzende Nachholbedarf und die ungeahnt schnelle Entwicklung an Geräten für die Nachrichtentechnik führte zu einer immer stärkeren Ausnutzung der vorhandenen Gebäude. Bald war auch die Erstellung zusätzlicher Bauten auf dem Areal in Wollishofen nicht mehr möglich, weil die geplante Seeufergestaltung und Strassenbauten die Stadt Zürich veranlassten, ein Bauverbot zu erlassen. Die Miete von zusätzlichen Fabrikations- und Büroräumen konnte nur vorübergehend helfen, so dass nach einer zukünftigen Niederlassung für die STR Umschau gehalten werden musste. Die Verhältnisse in der Gemeinde Wädenswil, wo hinter der Halbinsel Au ein günstiges Gelände zur Verfügung stand, erwies sich als am Vorteilhaftesten. Ende August 1957 konnte das nötige Land erworben werden, welches nicht nur eine Erweiterung der Fabrikationsanlagen ermöglichte, sondern später auch den Betrieb Wollishofen aufnehmen konnte und dazu Erweiterungen gestattete. 1960 stand die erste Etappe des Fabrikneubaus, bestehend aus Fabrikgebäude und Kesselhaus mit total 14 500 m2 Bodenfläche, welches ausser hellen Fabrikationsräumen ein schönes, modernes Personalrestaurant beherbergten. Wohnungen wurden auch viele gebaut, zum Beispiel die Siedlung «Seegut» der Firma Schäppi-Grundstücke (Richtung Meilibach), oder die Überbauung «Seehalde» der Pensionskasse STR (Richtung Wädenswil) sowie «Im Maiacher» oberhalb der STR. In Wädenswil entstand die Überbauung Hangenmoos, welche derzeit rückgebaut und durch neue Blöcke ersetzt wird.
Der SBB-Extrazug
Ab Fahrplanwechsel im Dezember 1959 fuhr der Zug 6.21 Uhr vom Zürich HB statt bis Horgen (für die Arbeiter von Wanner, Grob, Feller usw.) neu bis in die Au (für die STR) und wurde dort abgestellt bis 17.00 Uhr. Damals gab es noch keine gleitende Arbeitszeit, diese wurde erst 1971 eingeführt. Und so ertönte um 16.48 Uhr der Gong und etwa 600 Personen strömten Richtung Bahnhof Au. Es gab keine S-Bahn und keinen Taktfahrplan! Um 17.00 Uhr fuhr der Zug seeabwärts, um 17.03 Uhr Richtung Pfäffikon-March. Etwa zwei Drittel wohnten Richtung Zürich, ein Drittel seeaufwärts. Zu jener Zeit kamen etwa zwei Drittel der Mitarbeiter mit dem Zug zur Arbeit, ein Auto konnten sich nur wenige leisten. In den Achtzigerjahren änderte sich das Verhältnis: Dank «Wohlstand» kam nur noch etwa ein Drittel mit ÖV, Velo oder zu Fuss zur Arbeit. 1961 durfte ich für sechs Monate im «Model-Shop» im neuen Werk Au arbeiten. Was für ein Unterschied zur Roten Fabrik! Ein heller Arbeitsplatz, die Werkbank in der obersten Etage am Fenster, mit Aussicht auf Auhügel und See. Ein Kantine u.a. mit vier Essbars à la Silberkugel, einen grosser Teil mit Tischen für Kaffee und Dessert oder auch Selbstmitgebrachtes. Gegessen wurde in vier Schichten von 11.30 bis 14.00 Uhr, ein 3-fach-Gong wie im Kino ertönte jeweils zum «Schichtwechsel».
Blütezeit der Firma
Am 26. November 1968 wurde die neue STR-Kinderkrippe nach vier Monaten Bauzeit eingeweiht. Hier sollten sich die Kinder der Angestellten vom Werk Au und dem Zweigwerk Neubühl wohlfühlen. Die Krippe wurde von der STR-Pensionskasse finanziert und sollte ein bescheidener Beitrag im grossen Sozialwerk der fortschrittlichen Gemeinde Wädenswil sein.
1970 war die Erweiterung des Fabrikgebäudes auf die mehr als doppelte Bodenfläche abgeschlossen. Nach und nach wurde die «Rote Fabrik» in Wollishofen ausgeräumt und weitere Fabrikationsabteilungen, unter anderem Schlosserei, Stanzerei, Werkzeugbau und mechanische Werkstatt sowie der Rest der Malerei nach Au-Wädenswil gezügelt. Auch die Lehrlinge bekamen hier ihr neues Zuhause. Der Personalbestand erhöhte sich auf rund 2000 Personen. Ab 1976 befand sich Verwaltung und Entwicklung im neuen, für 21 Millionen Franken gebauten Sitz an der Friesenbergstrasse in Zürich. Dort ist sie heute noch unter «Alcatel-Lucent» – meine Pensionskasse trägt noch den gleichen Namen. Die «Rote Fabrik» in Wollishofen wurde für rund 7 Millionen Franken an die Stadt Zürich verkauft, und daraus entstand das heutige Kulturzentrum. In dieser Zeit hatte ich auch mein eigenes «Filmstudio» zum Herstellen von Bestückungsfilmen für Leiterplatten. Dabei wurde mit Lichtsymbolen millimetergenau gezeigt, wo die verschiedenen Bauteile eingesteckt werden. Alles musste zuerst gemäss Arbeitsplan gefilmt werden, zu jedem Bild die passenden Teile im sich drehenden Teller zuvorderst. Möglichst wenig Behinderungen beim Aufbau, d.h. auf die Höhe achten, das war ein guter Plan, der sich auch kostenmässig auswirkte. Ende der Achtzigerjahre kamen Spezialisten der Firma Fuij und hatten nur ein müdes Lächeln für das Handbestücken mit Film übrig! Es gab viel kleinere Bauteile (SMD), welche auf Hundertstelmillimeter genau aufgeklebt und maschinell gelötet wurden. Dazu gab es Fuij Automaten, welche durch die AVOR programmiert wurden. Das war eine neue, interessante Arbeit und es brauchte kein Filmstudio mehr! Obwohl ich 40 Jahre bei Standard/Alcatel arbeitete wurde es nie langweilig. Der Fortschritt in der Technik hielt uns stets auf Trab. In den letzten Jahren vor der Pensionierung durfte ich sogar Bestückungs-Automaten programmieren – man lernt nie aus!
Aufgezeichnet von Reni Bircher
Werdegang von Hans Stierli
1958–1962: Lehre als Feinmechaniker bei Firma Standard Telefon & Radio AG.
1962–1965: Tätigkeit als gelernter Berufsmann im Model-Shop Firma Standard, Au-Wädenswil.
1966–1979: Arbeitsvorbereitung für
Teilefertigung Mechanik, AVOR / Fertigungstechnik für Telefonzentralen und Studio-Anlagen (PTT/SRG), Nullserien-Koordination
1980–1998: Arbeitsvorbereitung im Baugruppen-
Engineering der Firma Alcatel. Schwerpunkte: Erstellung und Optimierung
der Programmdaten und Fertigungsunterlagen. Unterstützung der Produktion bei Prototypen und Fertigungsproblemen. Beschaffung von Vorrichtungen und Hilfsmitteln für die Produktion, Offertkalkulationen, AVOR für Werkleistungs- und Militäraufträge.