Schaufenster Wädenswil

Leute von heute: Silvan Maximilian Hohl, Filmemacher, Regisseur und Produzent von «Habemus Feminas!»

Ein junger Schönenberger Filmemacher setzt sich mit seiner Arbeit für die Rechte der Frauen in der katholischen Kirche ein. «Habemus Feminas!» heisst das eindrückliche Filmdokument über eine Pilgerreise nach Rom und ein Anliegen, das es in der heutigen Zeit nicht mehr geben sollte.

Annuntio vobis gaudium magnum: Habemus Feminas! Zu Deutsch: «Ich verkündige euch grosse Freude: Wir haben Frauen!»
Für diesen Dokumentarfilm haben drei junge, engagierte Filmemacher eineinhalb Jahre hart gearbeitet und keinen Aufwand gescheut. Es ist ein unkonventioneller Dokumentarfilm über ein umstrittenes Thema.
Eine Gruppe von Frauen pilgert zu Fuss für die Gleichberechtigung von Mann und Frau in der katholischen Kirche 1200 Kilometer von St. Gallen nach Rom. Eine erstaunliche Reise, begleitet und dokumentiert von drei jungen Filmemachern, die sich damit auf eine Reise ins Ungewisse begeben haben.
Der Dokumentarfilm zeigt das Unterwegssein einer grossen, vornehmlich aus Frauen bestehenden Pilgergruppe auf ihrem Weg nach Rom. Nebst den Strapazen des Pilgerns, mit denen die Gruppe konfrontiert ist, macht der Film die Sehnsucht nach einer lebendigen Kirche erlebbar, die neue Formen des Glaubens sucht und die Charismen von Frauen als Bereicherung erkennt. Das Geschehen wird aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet: Zum einen kommen die Initianten des Projekts, die Pastoralassistentinnen Hildegard Aepli und Esther Rüthemann sowie der Priester Franz Mali immer wieder kommentierend und erzählend zu Wort, zum andern werfen die drei Filmstudenten, zwei davon konfessionslos, die den Pilgerzug mit Kamera und Mikrofon begleiten, einen unvoreingenommenen, erfrischenden Blick auf die Anliegen der pilgernden Frauen und Männer. Die in der katholischen Kirche noch immer tabuisierte Frauenfrage wird im Film «Habemus Feminas!» auf eine einmalige Weise thematisiert und mit eindrücklichen Bildern dargestellt.
Aufgewachsen als Einzelkind bei einer katholischen Mutter und einem reformierten Vater, wurde der Schönenberger Silvan Maximilian Hohl katholisch erzogen. «Ich habe dagegen nie rebelliert. Im Gegenteil: Mir gefiel die Gemeinschaft in der Kirche, weshalb ich mich zum Ministrantendienst verpflichtete und zehn Jahre lang dabei blieb. Erst mit dem Beginn der Filmschule ist die Kirche in den Hintergrund gerückt.»
Silvan Hohl hat als Kind mit einer Kartonkamera und einem Notenständer als Stativ Filmemachen gespielt. In der Primarschule hielt er einen Vortrag mit integriertem Film. Da hat ihn die Leidenschaft gepackt. In der Sekundarschule dann durfte er mit der Schulkamera Stop-Motion-Filme drehen. Mit seinen Cousins produzierte er jeweils in den Sommerferien einen Western – 3 insgesamt – mit wenig Mitteln. «Ich konnte Kollegen von der Sek begeistern und so kamen immer mehr Personen dazu. Sie waren einsetzbar als Schauspieler, Kameramann, Tontechniker. Ich war Regisseur und Produzent, verantwortlich für Maske und Schnitt, einfach für alles», erinnert sich Hohl. «Und da wusste ich schon: Ich will Regisseur werden. Das ist mein Ziel! Es ist ein anspruchsvoller Plan, dessen bin ich mir durchaus bewusst. Es ist schwierig, doch Filme machen ist mein Motor, meine Berufung. Es gibt keinen Plan B!»
Nach einer Lehre als Fotokaufmann in Zürich studiert Silvan Maximilian Hohl nun Film Production am SAE Institute. Um möglichst selbständig zu sein, finanziert er sich das Studium selber und arbeitet in seinem erlernten Beruf als Fotofachmann. «Unabhängigkeit ist eines der grössten Geschenke, die man sich machen kann. Darum bin ich auch dem Independent Cinema verbunden – befreit von Zwängen!» Seinem Traum ordnet der Jungfilmer alles unter. Er lebt noch bei den Eltern, die ihn darin unterstützen seinen eigenen Traum zu verwirklichen, und er reist nur, wenn es ein neues Projekt erfordert, obwohl ihn andere Städte als Le­bens­or­te schon reizen würden, weg von der Enge des Dorfes und den alten Clichés, von denen man kaum loskomme, wenn man immer bleibt. «Meine Ausbildung in Zürich hat es mir ermöglicht, mich neu zu erfinden. Das ist grossartig! Ich konnte eine neue Schublade auftun und mich darin sozusagen neu einrichten!»
Und dann Anfang 2016 hörte der Jungfilmer zum ersten Mal von dieser aussergewöhnlichen Pilgerreise und sie liess ihn nicht mehr los. Was sind das für Menschen, die einen so langen Fussweg auf sich nehmen? Wer steckt wirklich dahinter? Wie muss man sich das vorstellen? Fragen über Fragen stellten sich. «Plötzlich wusste ich: Ich will darüber einen Film drehen! Es ist das perfekte Drehbuch!»
Nach einer kurzen Vorbereitungsphase und einer aufwändigen Crowdfunding-Aktion zur Finanzierung der Dreharbeiten war eine kleine Crew mit dem Kameramann Nino Burkart und dem Tontechniker Ahren Merz beisammen. Ohne zu wissen, was sie erwartet, begaben sich die drei Studenten auf eine Pilgerreise ins Ungewisse.
Fragen wie: «Ist diese Aktion in der katholischen Kirche nicht hoffnungslos, so stur, so patriarchal, so traditionsverhaftet, wie sie ist?» waren drängend. Der Film befasst sich mit grossen Themen: dem Glauben und den Frauen. Eigentlich ist es kein religiöser Film. Trotzdem bestand die Angst abgestempelt zu werden, entweder als religiös oder als Feminist. «Doch solange solche Ängste auftauchen, ist es doppelt wichtig einen Film zu diesen Themen zu drehen.»
Während den Dreharbeiten hat die Crew mit den Pilgerinnen und Pilgern zusammengelebt. Das anfängliche Ziel, nur zu beobachten und das Geschehen nicht zu beeinflussen, schwand nach und nach. Die Jungfilmer wurden immer mehr Teil der Pilgergruppe. Mit jedem Tag und jedem gepilgerten Kilometer wurden sie mehr integriert.
Hohl schildert ihr Ankommen in Rom und die folgenden Ereignisse so: «Schliesslich versuchte ich, für den finalen Pilgertag am 2. Juli 2016 in Rom vom Vatikan eine Drehbewilligung für den St. Petersplatz und den St. Petersdom zu erhalten. Nach zweimonatigem Papierkrieg habe ich vier Tage vor dem abschliessenden Pilgertag, also am 28. Juni 2016, erfahren, dass ich die Drehbewilligung nicht bekomme. Trotz Hilfe des Bistums St. Gallen und zahlreicher ‹Kircheninsider› gelang dies nicht. Einen Tag später bekam die Pilgergruppe – am Tag ihrer Ankunft in Rom nach 1200 km Weg und unzähligen Strapazen – die Mitteilung, dass der Papst nicht erscheinen könne, aber von ihrem Projekt wisse. Später hat sich herausgestellt, dass der Papst erst im November 2016 davon erfahren hat. Ohne Drehbewilligung, jedoch mit kleinem Kamera-Equipment konnten wir uns als Touristen ausgeben. Trotz strenger Beobachtung durch Funktionäre des Vatikans war es möglich, den Schlussgottesdienst abzudrehen. An diesem Tag spürte ich zum ersten Mal Wut und gleichzeitig Hilflosigkeit gegenüber der Kirche.»
Die Frage nach dem eigenen Glauben und der Verankerung in der katholischen Kirche drängt. «Ich bin in der katholischen Kirche gross geworden, aber auch in einem kirchenkritischen Elternhaus. Religion ist ein grosses Thema, weil so viele Gefühle ausgelöst werden. Auf jeden Fall sollten dringend neue Wege gesucht werden. Seit wir diesen Film gedreht haben hat sich mein Blick auf die Kirche radikal verändert. Seither ist sie für mich weniger eine Kirche als viel mehr eine Institution, die sich selbst inszeniert und sich selbst am Leben erhält. Meiner Meinung nach sollte eine Kirche den Menschen dienen und ihre Anliegen ernst nehmen. Sie sollte mit den Menschen zusammen – Frauen und Männern – diese Gemeinschaft gestalten und weiterentwickeln. Kirche spielt sich nicht in Rom ab, die Kirche spielt sich in den Gemeinden und bei den Menschen ab. Glaube soll gelebt und weiterentwickelt und nicht konserviert und totgebetet werden. Leider ist es so, dass es der Institution lieber ist, wenn ihre Kirchen leer bleiben, so sehr hält sie an ihren veralteten Dogmen fest. Das ist selbstzerstörerisch.» Auf die Frage, ob er noch Katholik sei, weiss Hohl keine Antwort. Es fällt ihm schwer mit dieser Religion zu leben, er, der so viel von Unabhängigkeit hält, denn sie sei zentralistisch und diktatorisch organisiert. «Es geht um Macht und Geld. Doch Religionen leben von der Gemeinschaft. Sie sollten Halt geben, Anlaufstelle sein, auch für die Jungen. Die sollten sich nicht schämen müssen, wenn sie sagen, dass sie an Gott glauben, und ich sollte mich nicht fragen müssen, was wohl meine Kollegen sagen, wenn ich einen solchen Film drehe! Ich hoffe, dass dieser Dokumentarfilm zur Aufklärung beiträgt. Dass die Kirche sich irgendwann als einen Ort versteht, der für die Menschen da ist, ein Ort, wo sich Menschen wohl fühlen und gerne hingehen und vor allem eine Kirche, die nicht eine Hälfte der Menschen ausschliesst. Es wäre gut, wenn man nicht noch 300 Jahre darauf warten müsste, denn die Leute brauchen heute Halt.»
Austreten will er nicht. Das wäre zu einfach. Zudem sei zu bedenken, dass die Kirche auch viel Gutes leiste in Hilfsprojekten und seelsorgerischer und sozialer Arbeit.
Habemus Feminas wirft viele Fragen auf, Fragen die nicht neu sind, aber immer wieder aktuell und drängend.
Der Film Habemus Feminas hatte am 26. August 2017 Premiere in Zürich im Arthouse Kino Le Paris mit 400 Zuschauern. Die Vorführung im Schlosskino Wädenswil am 9. Oktober knackte die Tausendergrenze. Ingrid Eva Liedtke

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