Wädenswil

Als Zimmermann ausgezogen – als Star zurückgekommen

Der Hüttner Jan Dutler ist einer der Stars des «Cirque du Soleil», der vom 5. bis 8. Oktober in Zürich und danach weitere 4 Tage in Genf gastierte, ehe der Zirkus auf Deutschlandtournee ging.

Dutler, in Hütten aufgewachsen, lernte in Wädenswil bei der Zogg AG Zimmermann und ging danach von 2005 bis 2008 auf die traditionelle Wanderschaft, die Walz. Wie es die Tradition will, kletterte Dutler über die Ortstafel von Hütten und ist von dannen gezogen, nur mit einem Fünfliber im Sack und dem Charlottenburger, seinem Bündel, über der Schulter. Von 2014 bis 2016 besuchte er die «École de Clown et Comédie Francine Côté» in Montreal und wurde dort für den «Cirque du Soleil» entdeckt und ist mit diesem nun für das Programm «Ovo» auf Tournee. Der Wädenswiler Anzeiger traf Jan Dutler am Tag der Zürcher Premiere auf dem Seeplatz in Wädenswil zu einem spannenden Gespräch.

Jan Dutler im Gespräch

Heute Abend (das Gespräch wurde am 5. Oktober geführt)ist Premiere des Programms «Ovo» des weltbekannten kanadischen Zirkusunternehmens «Cirque du Soleil». Das wir uns jetzt hier auf dem Seeplatz in Wädenswil zum Gespräch treffen: ist das Routine, ein «Müssen» oder vielleicht ein Ablenkungsmanöver vor lauter Lampenfieber?
Ich habe mich spontan und gerne für dieses Gespräch zur Verfügung gestellt – weil der Wädenswiler Anzeiger ja wirklich lokal ist und ich ja auch von hier komme. Es hat auch terminlich bestens gepasst. Es ist bestimmt kein «Müssen». Ich muss jedoch gegen 15 Uhr in Zürich vor Ort sein, um 17 Uhr begine ich mit schminken und transformiere mich dann in meine Figur «Foreigner» (die Vorstellung begann um 19.30 h, Anm. d. Red.).

Auf Tele Züri sagtest Du, es sei einfacher, in einer anonymen Stadt zu spielen als hier in Zürich, wo auch die Eltern und der Lehrmeister zusehen würden …
Das stimmt! Aber das konnte ich auch schon in Montreal bereits etwas üben, da besuchten meine Lehrer aus der Clownschule meine Vorstellung. Routine ist da der Schlüssel zur Perfektion. Man wird ruhiger mit der Zeit, mann kennt die Abläufe. Man sieht die Gäste ja nicht, aber man weiss, dass sie da sind. Es ist auch nicht jede Aufführung gleich, die Rolle lässt Raum für Improvisation.

Wie wird man überhaupt musizierender Clown mit artistischen Fähigkeiten?
Ich wollte immer aus der einengenden «Box» raus, wollte nie von morgens bis abends nur auf dem Bau arbeiten. Ich spielte schon früh in Bands, spielte Heavy Metal. Musik war mein erstes Bühnenhandwerk, ich spielte auch mit beim Musikverein Hütten. Nach der Wanderschaft begann ich bei Hochzeiten von Freunden und Kollegen – oder auch beim 50sten meiner Mutter – mit Imitationen und kleinen Comedy-Nummern. Ich versuchte schon als kleiner Junge, die Aufmerksamkeit auf mich zu lenken!
Auf meinen Reisen als Strassenmusiker lernte ich, dass das Geld überall liegt – man muss nur wissen, wie man’s aufliest!

Wäre Jan Dutler Artist, wenn er nicht auch Zimmermann wäre? Was hatte die Walz für einen Einfluss auf Deine Karriere?
Auf der Walz lernte ich «reisen»: das Vertrauen und das Selbstbewusstsein zu entwicklen, irgendwohin zu gehen und dort auch Anschluss zu finden. Nach der Walz arbeitete ich noch 2 Jahre in der Stiftung Bühl – 1 Jahr in der Schreinerei, ein Jahr im Praktikum als Sozialpädagoge. Ich wollte mein Handwerk mit dem Sozialen verbinden – aber auch da sah ich, dass das mit viel Dokumentausfüllen und Berichteschreiben verbunden war. So kaufte ich mit meiner damaligen Freundin einen Bus und reiste mit ihr durch Osteuropa bis nach Georgien. Das war 2011/2012. Nach unserer Trennung reiste ich dann 2012/2013 mit einem Kollegen nach Australien und Neuseeland. Dort lebten wir dann auschliesslich von der Kunst. Ich stellte als Strassenmusiker ein Programm zusammen und überlegte mir, wie ich das publikumswirksam vortragen könnte. Wir konnten die ganze Reise so finanzieren.

Die Tournee von «Ovo» führt noch in weitere europäische Städte, vor allem noch nach Deutschland. Triffst Du da ehemalige Weggefährten der Wanderjahre?
Das hoffe ich schwer, einige habe ich kontaktiert. Im Januar/Februar organisiert ein Bekannter der Wanderjahre ein Drechsler- und Goldschmiedekurs. Meine Partnerin und ich überlegen, ob wir diesen belegen möchten.

Ist das Engagement beim «Cirque du Soleil» Erfüllung eines Traumes oder hat es sich einfach ergeben?
Es ist unglaublich, dass sich das alles so ergeben hat. Aber unter Clowns ist der «Cirque du Soleil» gar nicht unbedingt die allererste Adresse, da die Rolle vorgegeben ist und nur wenig Raum lässt für eigene Ideen. Es ist ein Kompromiss zwischen gesichertem Einkommen und Verwirklichung der Träume. Ich lernte meinen Vorgänger, also der, der die Rolle vor mir innehatte, auf der Clownschule kennen und er empfahl mir, mich beim «Cirque du Soleil» vorzustellen. Auch weil er wusste, dass ich mich gut eignen würde, weil wir uns ziemlich ähnlich waren. Er gab mir die Kontakdaten des Clown-Casting-Chefs. Erst dachte ich, dass ich mich kaum bewerben werde, da ich gerade erst in der Ausbildung steckte. Ich wollte nicht gleich an die höchste Mauer springen, um dann zu fallen, die Knochen brechen und dies dann nie mehr wagen … Ich ging dann zuerst nach Nicaragua, um bei einem humanitären Clownprojekt mitzumachen und anschliessend nach Hause nach Hütten. Dort ermöglichte mir der Schulhausabwart, gute Bewerbungsvideos in der Turnhalle zu drehen, die ich dann an den «Cirque du Soleil» sandte. Interessanterweise hatte es dort im Geräteraum auch eine Art Ei, das die Schule mal angeschafft hatte und das sich perfekt für meine Bewerbungsvideos eignete!

Der «Cirque du Soleil» füllt alle Arenen weltweit. Wieviel sieht man von den Städten? Kann man das Leben eines Artisten mit jenem des Zimmermanns auf der Walz vergleichen?
Ja, kann man – ausser das man sich als Artist keine Gedanken machen muss, wo und wie bequem man übernachtet. Wir Clowns haben tagsüber viel Freizeit, dafür abends eher weniger. Montag und Dienstag haben wir meist frei, Zeit zum eine Stadt zu erkunden, Danach folgen die Shows und am Sonntag nach der letzten Vorstellung wird gepackt und wir fahren in die nächste Stadt.

Wird Jan Dutler irgendwann auch wieder sesshaft? Und wenn ja, wo?
Den Traum des eigenen Hauses hat man immer – und selbst daran herumzuzimmern, wäre sehr schön. Beruflich kann ich mir vorstellen, später einmal soziale Clown-Projekte, vielleicht mit Kindern und in Schulen, auf die Beine zu stellen. Der «Cirque du Soleil» spielt von Januar bis März 2018 in London, da hat der Artist, der ursprünglich meine Rolle inne hatte, signalisiert, dass er diesen Part gerne für diese Zeit wieder übernehmen würde. Danach werde ich dann voraussichtlich für ein weiteres Jahr unterschreiben. Anschliessend fassen wir dann ins Auge, sesshaft zu werden und vielleicht auch eine Familie zu gründen – in Kanada.(stb)

Teilen mit: