Schreibarbeiten und das Verstehen von Texten fallen nicht allen Menschen leicht. Hier bietet der Schreibdienst der Stadt Wädenswil, der von Freiwilligen ausgeführt wird, Hilfe zur Selbsthilfe. Aus Anlass des Jubiläums ein Gespräch mit dem Projektleiter Gion Brühlmann.
Herr Brühlmann, der Schreibdienst feiert dieses Jahr sein 10-Jahr-Jubiläum, herzliche Gratulation! Wie fühlt sich das für Sie als Projektleiter an?
Ich freue mich sehr, dass dieses Angebot solch einen guten Anklang über all die Jahre gefunden hat. Ausserdem ist es in meinen Augen bewundernswert, dass Freiwillige das Projekt während dieser ganzen Zeitspanne mitgetragen haben. Alles in allem fühlt es sich sehr gut an!
Wie ist das Angebot Schreibdienst vor zehn Jahren entstanden?
Das Bundesamt für Integration stellte das Bedürfnis nach Unterstützung bei Migranten in Schreibangelegenheiten fest, ein entsprechendes Angebot sollte geschaffen werden. Caroline Huber, damalige Leiterin der Abteilung Soziales und die ehemalige Stadträtin Soziales, Felicitas Taddei, unterstützten den Aufbau eines Schreibdienstes sehr und wollten das Angebot in Wädenswil verankern. Ich wurde von ihnen als Projektleiter gesucht und gefunden. Die Suche der Freiwilligen nahm ich in die Hand. Mit ihnen konnte das Projekt dann endlich starten.
Hat sich das Angebot in all den Jahren verändert? Welche Anpassungen wurden gemacht?
Zuerst hatten wir unser Büro in der Sust im 3. Stock. Vor einiger Zeit konnten wir an die Seestrasse 157a in ein fast ebenerdiges Büro umziehen. Dadurch ist der Zugang niederschwelliger geworden, ausserdem ist die Lage direkt neben «Wädi rollt» sehr glücklich gewählt. Teilnehmende dieses Projektes nutzen auch den Schreibdienst oft. Hier können wir Synergien nutzen, das hilft allen.
Abgesehen davon ist die technische Ausrüstung angepasst worden. Wir können mit professionellen Geräten arbeiten.
Wer kann den Schreibdienst nutzen?
Grundsätzlich alle, die das Bedürfnis nach Hilfe zur Selbsthilfe haben und Deutsch oder Englisch sprechen. Natürlich reicht es auch, wenn sie jemanden mitbringen, der für sie dolmetschen kann. Jeder Nutzer und jede Nutzerin muss bereit sein, sich selbst für seine Anliegen einzusetzen, wir bieten dafür die notwendige Unterstützung. Formulare werden selbst ausgefüllt, das wird nicht vom Schreibdienst abgenommen. Wir begegnen den Nutzern und Nutzerinnen auf Augenhöhe und versuchen, sie so in die Integration zu führen.
Hat sich die Zielgruppe in den letzten zehn Jahren verändert? Falls ja, inwiefern?
Vor zehn Jahren wurde der Schreibdienst vor allem von Personen aus Ex-Jugoslawien genutzt. Meist hatten die Leute schon einen Job und suchten hier nach einer Wohnung. Später kamen eher Personen aus Eritrea und Somalia mit Flüchtlingsstatus, sie wiederum brauchten den Schreibdienst, um Papiere zu erneuern, Ausweise zu bestellen oder sonstige Bescheinigungen anzufordern. Je nach Einwanderungsgrund ändert sich die Anfrage, die Freiwilligen müssen sich fortlaufend den entsprechenden Bedürfnissen anpassen.
Was macht die Arbeit für den Schreibdienst für Sie persönlich interessant? Was schätzen Sie besonders?
Es wird nie langweilig, die Arbeit ist sehr spannend und komplex. Man trifft auf Personen aus verschiedensten Kulturen, das schätze ich sehr. In den vergangenen zehn Jahren kam die Hälfte der Besucher und Besucherinnen aus der Schweiz, der Rest aus über 60 Ländern.
Gibt es ein Erlebnis mit einer Person, die den Schreibdienst genutzt hat, das Ihnen in Erinnerung bleibt?
Die positiven Erlebnisse, an die ich gerne denke, sind diejenigen, in denen die Leute unsere Hilfe zur Selbsthilfe angenommen haben. Sie haben sich in der Folge für ihre Anliegen eingesetzt und ihr Leben wieder selbst in die Hand genommen. Ein syrisches Ehepaar hat mich persönlich sehr berührt, weil ihr Wille, hier ein Leben aufzubauen stark spürbar war. Beide haben innerhalb eines halben Jahres sehr gut Deutsch gelernt und sich für ihre Integration eingesetzt. Das finde ich beeindruckend.
Die Stadt Wädenswil unterstützt Ihr Angebot. Wie sieht diese Unterstützung aus?
Sowohl der Leiter der Abteilung Soziales, Markus Morger, und Stadträtin Soziales, Astrid Furrer, stehen auch heute noch voll und ganz hinter dem Projekt Schreibdienst, um Menschen eine vertiefte Integration zu ermöglichen. Räumlichkeiten und Infrastruktur werden auf neustem Stand zur Verfügung gestellt, was für die Arbeit an sich äusserst wertvoll ist.
Das Projekt wird ausserdem von Freiwilligen getragen. Wie finden Sie genügend Personen, um das Angebot aufrecht zu erhalten?
Der wichtigste Teil dafür ist sicher die Mund-zu-Mund-Propaganda. Ich bekomme Tipps aus meiner Umgebung, wenn zum Beispiel ein engagierter Lehrer pensioniert wird (lacht). Ausserdem lege ich immer wieder nach ein paar Jahren Flyer in allen Arztpraxen auf. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Leute dort Zeit zum Lesen und Nachdenken haben. So habe ich sehr gute Leute gefunden.
Wieviele Freiwillige braucht es, damit das Angebot aufrechterhalten werden kann?
Wir haben das Projekt vor zehn Jahren mit zehn Freiwilligen gestartet und konnten diese Anzahl beibehalten. Im Laufe der Zeit haben 40 Freiwillige für den Schreibdienst gearbeitet, es gab also wenig Wechsel. Es gibt sogar solche, die schon von Anfang an dabei sind!
Wie wird den Freiwilligen für ihr Engagement gedankt?
Ein- bis zweimal im Jahr organisiere ich eine Weiterbildung mit Fachpersonen zu aktuellen Themen. Ich lege viel Wert darauf, dass sie qualitativ hochstehend ist. Ein geselliger Teil danach darf auch nicht fehlen, Möglichkeiten zum gegenseitigen Austausch sind rar. Daneben findet jährlich ein Dankesessen mit dem Leiter der Abteilung Soziales und der Stadträtin Soziales statt. Diese Anlässe werden von der Stadt Wädenswil unterstützt und von den Freiwilligen sehr geschätzt. Ein guter Teamgeist ist auch für den Schreibdienst viel Wert, so bleibt die Motivation erhalten, sich freiwillig zu engagieren.
Sie selbst sind nun seit zehn Jahren beim Schreibdienst dabei. Was braucht es, damit Sie auch die nächsten zehn Jahre dabeibleiben?
Gute Gesundheit, Humor und Offenheit gegenüber Menschen mit verschiedenen Lebenserfahrungen und Hintergründen ist natürlich essentiell. Mir ist es wichtig, dass der Schreibdienst erhalten bleibt, weil er viel zur Integration beiträgt. Ich habe hier tolle Erfahrungen gemacht, die meinen Einsatz aufwiegen.
Danke für das interessante Gespräch und weiterhin alles Gute für Sie und den Schreibdienst!
Das Gespräch führte Susanna Valentin
Schreibarbeiten und das Verstehen von Texten fallen nicht allen Menschen leicht. Hier bietet der Schreibdienst der Stadt Wädenswil, der von Freiwilligen ausgeführt wird, Hilfe zur Selbsthilfe. Aus Anlass des Jubiläums ein Gespräch mit dem Projektleiter Gion Brühlmann.
Herr Brühlmann, der Schreibdienst feiert dieses Jahr sein 10-Jahr-Jubiläum, herzliche Gratulation! Wie fühlt sich das für Sie als Projektleiter an?
Ich freue mich sehr, dass dieses Angebot solch einen guten Anklang über all die Jahre gefunden hat. Ausserdem ist es in meinen Augen bewundernswert, dass Freiwillige das Projekt während dieser ganzen Zeitspanne mitgetragen haben. Alles in allem fühlt es sich sehr gut an!
Wie ist das Angebot Schreibdienst vor zehn Jahren entstanden?
Das Bundesamt für Integration stellte das Bedürfnis nach Unterstützung bei Migranten in Schreibangelegenheiten fest, ein entsprechendes Angebot sollte geschaffen werden. Caroline Huber, damalige Leiterin der Abteilung Soziales und die ehemalige Stadträtin Soziales, Felicitas Taddei, unterstützten den Aufbau eines Schreibdienstes sehr und wollten das Angebot in Wädenswil verankern. Ich wurde von ihnen als Projektleiter gesucht und gefunden. Die Suche der Freiwilligen nahm ich in die Hand. Mit ihnen konnte das Projekt dann endlich starten.
Hat sich das Angebot in all den Jahren verändert? Welche Anpassungen wurden gemacht?
Zuerst hatten wir unser Büro in der Sust im 3. Stock. Vor einiger Zeit konnten wir an die Seestrasse 157a in ein fast ebenerdiges Büro umziehen. Dadurch ist der Zugang niederschwelliger geworden, ausserdem ist die Lage direkt neben «Wädi rollt» sehr glücklich gewählt. Teilnehmende dieses Projektes nutzen auch den Schreibdienst oft. Hier können wir Synergien nutzen, das hilft allen.
Abgesehen davon ist die technische Ausrüstung angepasst worden. Wir können mit professionellen Geräten arbeiten.
Wer kann den Schreibdienst nutzen?
Grundsätzlich alle, die das Bedürfnis nach Hilfe zur Selbsthilfe haben und Deutsch oder Englisch sprechen. Natürlich reicht es auch, wenn sie jemanden mitbringen, der für sie dolmetschen kann. Jeder Nutzer und jede Nutzerin muss bereit sein, sich selbst für seine Anliegen einzusetzen, wir bieten dafür die notwendige Unterstützung. Formulare werden selbst ausgefüllt, das wird nicht vom Schreibdienst abgenommen. Wir begegnen den Nutzern und Nutzerinnen auf Augenhöhe und versuchen, sie so in die Integration zu führen.
Hat sich die Zielgruppe in den letzten zehn Jahren verändert? Falls ja, inwiefern?
Vor zehn Jahren wurde der Schreibdienst vor allem von Personen aus Ex-Jugoslawien genutzt. Meist hatten die Leute schon einen Job und suchten hier nach einer Wohnung. Später kamen eher Personen aus Eritrea und Somalia mit Flüchtlingsstatus, sie wiederum brauchten den Schreibdienst, um Papiere zu erneuern, Ausweise zu bestellen oder sonstige Bescheinigungen anzufordern. Je nach Einwanderungsgrund ändert sich die Anfrage, die Freiwilligen müssen sich fortlaufend den entsprechenden Bedürfnissen anpassen.
Was macht die Arbeit für den Schreibdienst für Sie persönlich interessant? Was schätzen Sie besonders?
Es wird nie langweilig, die Arbeit ist sehr spannend und komplex. Man trifft auf Personen aus verschiedensten Kulturen, das schätze ich sehr. In den vergangenen zehn Jahren kam die Hälfte der Besucher und Besucherinnen aus der Schweiz, der Rest aus über 60 Ländern.
Gibt es ein Erlebnis mit einer Person, die den Schreibdienst genutzt hat, das Ihnen in Erinnerung bleibt?
Die positiven Erlebnisse, an die ich gerne denke, sind diejenigen, in denen die Leute unsere Hilfe zur Selbsthilfe angenommen haben. Sie haben sich in der Folge für ihre Anliegen eingesetzt und ihr Leben wieder selbst in die Hand genommen. Ein syrisches Ehepaar hat mich persönlich sehr berührt, weil ihr Wille, hier ein Leben aufzubauen stark spürbar war. Beide haben innerhalb eines halben Jahres sehr gut Deutsch gelernt und sich für ihre Integration eingesetzt. Das finde ich beeindruckend.
Die Stadt Wädenswil unterstützt Ihr Angebot. Wie sieht diese Unterstützung aus?
Sowohl der Leiter der Abteilung Soziales, Markus Morger, und Stadträtin Soziales, Astrid Furrer, stehen auch heute noch voll und ganz hinter dem Projekt Schreibdienst, um Menschen eine vertiefte Integration zu ermöglichen. Räumlichkeiten und Infrastruktur werden auf neustem Stand zur Verfügung gestellt, was für die Arbeit an sich äusserst wertvoll ist.
Das Projekt wird ausserdem von Freiwilligen getragen. Wie finden Sie genügend Personen, um das Angebot aufrecht zu erhalten?
Der wichtigste Teil dafür ist sicher die Mund-zu-Mund-Propaganda. Ich bekomme Tipps aus meiner Umgebung, wenn zum Beispiel ein engagierter Lehrer pensioniert wird (lacht). Ausserdem lege ich immer wieder nach ein paar Jahren Flyer in allen Arztpraxen auf. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Leute dort Zeit zum Lesen und Nachdenken haben. So habe ich sehr gute Leute gefunden.
Wieviele Freiwillige braucht es, damit das Angebot aufrechterhalten werden kann?
Wir haben das Projekt vor zehn Jahren mit zehn Freiwilligen gestartet und konnten diese Anzahl beibehalten. Im Laufe der Zeit haben 40 Freiwillige für den Schreibdienst gearbeitet, es gab also wenig Wechsel. Es gibt sogar solche, die schon von Anfang an dabei sind!
Wie wird den Freiwilligen für ihr Engagement gedankt?
Ein- bis zweimal im Jahr organisiere ich eine Weiterbildung mit Fachpersonen zu aktuellen Themen. Ich lege viel Wert darauf, dass sie qualitativ hochstehend ist. Ein geselliger Teil danach darf auch nicht fehlen, Möglichkeiten zum gegenseitigen Austausch sind rar. Daneben findet jährlich ein Dankesessen mit dem Leiter der Abteilung Soziales und der Stadträtin Soziales statt. Diese Anlässe werden von der Stadt Wädenswil unterstützt und von den Freiwilligen sehr geschätzt. Ein guter Teamgeist ist auch für den Schreibdienst viel Wert, so bleibt die Motivation erhalten, sich freiwillig zu engagieren.
Sie selbst sind nun seit zehn Jahren beim Schreibdienst dabei. Was braucht es, damit Sie auch die nächsten zehn Jahre dabeibleiben?
Gute Gesundheit, Humor und Offenheit gegenüber Menschen mit verschiedenen Lebenserfahrungen und Hintergründen ist natürlich essentiell. Mir ist es wichtig, dass der Schreibdienst erhalten bleibt, weil er viel zur Integration beiträgt. Ich habe hier tolle Erfahrungen gemacht, die meinen Einsatz aufwiegen.
Danke für das interessante Gespräch und weiterhin alles Gute für Sie und den Schreibdienst!
Das Gespräch führte Susanna Valentin