«Nein», sagt Sacha Batthyany, «man findet sie endlich.» Am Freitag, 28. April 2017, fand in der Stadtbibliothek Wädenswil eine Lesung mit dem Autor Sacha Batthyany statt. Er las aus seinem 2016 erschienenen Buch «Und was hat das mit mir zu tun?», für welches er auch zum Schweizer Buchpreis 2016 nominiert wurde.
Um 19.30 Uhr versammelten sich etwa 50 Männer und Frauen im Dachstock der schönen Wädenswiler Stadtbibliothek und warteten gespannt auf den Beginn der Lesung. Matthias Strähl, der Leiter der Bibliothek, hiess die Zuhörer herzlich willkommen und stellte den Autor und dessen Buch in einer kurzen Einführung vor.
Sacha Batthyany, 1973 geboren, studierte Soziologie in Zürich und Madrid und war Redakteur bei der Neuen Zürcher Zeitung. Seit 2015 lebt er mit seiner Familie in Washington D.C., wo er als Korrespondent für die «Süddeutsche Zeitung», «Das Magazin» und den «Tages-Anzeiger» arbeitet.
Es ist die Geschichte seiner Familie, die wir an diesem Abend zu hören bekommen. Eine Geschichte, die ihren Anfang nahm, als eine Redaktionskollegin einen Zeitungsartikel auf sein Arbeitspult legte mit dem Satz: «Was hast du denn für eine Familie?» Der Artikel trug den Titel «Die Gastgeberin der Hölle» und handelte von der Gräfin Margit Batthyany-Thyssen – Batthyanys Grosstante. Sacha Batthyany erkannte sie auf dem Foto sofort. Sie soll im März 1945 an einem Massaker an 180 Juden in der österreichischen Grenzstadt Rechnitz beteiligt gewesen sein. Die schwerreiche Thyssen-Erbin gab ein Fest auf ihrem Schloss und im Laufe des Abends, nachdem man getrunken, gefeiert und getanzt hatte, gingen einige Partygäste hinaus, um «aus Spass» 180 jüdische Zwangsarbeiter zu erschiessen. Danach kehrten sie ins Schloss zurück und feierten weiter. Das Massengrab wurde nie gefunden. Was in dieser Nacht genau geschah, ist bis heute unklar.
Sicher ist: Sacha Batthyany liess diese Geschichte nicht mehr los, er begann nach Antworten zu suchen und nachzuforschen, recherchierte in Archiven und wälzte Prozessakten. Er reiste von Ungarn über Sibirien bis nach Buenos Aires, befragte Verwandte und Zeitzeugen. Der Schriftsteller Maxim Biller, den Sacha Batthyany eines Abends zufällig traf, fragte ihn: «Und was hat das mit dir zu tun?»
Diese Frage ist der Kern des Buches von Sacha Batthyany. Um seine Familiengeschichte wirklich zu verstehen, musste er die überlieferten Erzählungen seiner Familie nicht nur hinterfragen, sondern auch sich selber. Aber wie schreibt man über sich selber, wie funktioniert die Recherche im Innern? Wie setzt man das um? Sacha Batthyany entschied sich dafür, eine Psychoanalyse zu machen. Mehrere Jahre lang legte er sich zweimal pro Woche auf die Couch beim Therapeuten, fand Antworten, Sinn und Parallelen. «Viele Leser meinen, mein Psychoanalytiker sei eine erfundene Figur. Aber er existiert tatsächlich, wie alles in diesem Buch», stellt Batthyany klar.
Im Buch geht es jedoch nicht nur um Batthyany und um seine Grosstante Margit. Bei seinen Nachforschungen rücken auch seine Grosseltern Maritta und Feri Batthyany immer stärker in den Mittelpunkt sowie Agnes Kupferminc-Mandl, die Auschwitz überlebte und deren Schicksal eng mit Marittas Familie verknüpft war.
Sacha Batthyany legte mithilfe zweier alter Tagebücher die Geschichte seiner Familie offen, die mit den Grausamkeiten von Nationalsozialismus und Stalinismus verwoben war. Er fragt sich, ob vorangegangene Generationen die Art, wie wir leben, prägen und wie die Vergangenheit ihre Spuren in der Gegenwart hinterlässt. Wer bestimmt, worüber man spricht?
Ein grossartiges und starkes Buch, spannend geschrieben, das bis zur letzten Seite nicht mehr loslässt und nachhaltig wirkt. Der Autor schreibt offen über die Handlungen seiner Vorfahren und behauptet sich gegen das Schweigen und Vergessenwollen eines grauenhaften Stücks Zeitgeschichte.
Sacha Batthyany hätte man noch stundenlang zuhören können an diesem Abend, so fesselnd erzählte er über sein Buch und seine Gedanken. Trotz des ernsten Themas gab es aber doch immer wieder auch heitere Momente, was gut tat.
Nach der Lesung hatten die Zuhörer Gelegenheit, Fragen zu stellen und ein Buch signieren zu lassen, das man beim «Kafisatz»-Büchertisch kaufen konnte.
Die Mitarbeiter der Bibliothek offerierten zum Abschluss des Abends einen wunderbaren Apéro mit Wein, Saft, Käseplatte und gluschtigen Schinkengipfeli. Es wurde rege diskutiert und die Stimmung war sehr gut. Einmal mehr ist dem Team der Stadtbibliothek ein toller und sehr bereichernder Anlass gelungen, den man noch lange in bester Erinnerung behält. Sarah Ott
«Nein», sagt Sacha Batthyany, «man findet sie endlich.» Am Freitag, 28. April 2017, fand in der Stadtbibliothek Wädenswil eine Lesung mit dem Autor Sacha Batthyany statt. Er las aus seinem 2016 erschienenen Buch «Und was hat das mit mir zu tun?», für welches er auch zum Schweizer Buchpreis 2016 nominiert wurde.
Um 19.30 Uhr versammelten sich etwa 50 Männer und Frauen im Dachstock der schönen Wädenswiler Stadtbibliothek und warteten gespannt auf den Beginn der Lesung. Matthias Strähl, der Leiter der Bibliothek, hiess die Zuhörer herzlich willkommen und stellte den Autor und dessen Buch in einer kurzen Einführung vor.
Sacha Batthyany, 1973 geboren, studierte Soziologie in Zürich und Madrid und war Redakteur bei der Neuen Zürcher Zeitung. Seit 2015 lebt er mit seiner Familie in Washington D.C., wo er als Korrespondent für die «Süddeutsche Zeitung», «Das Magazin» und den «Tages-Anzeiger» arbeitet.
Es ist die Geschichte seiner Familie, die wir an diesem Abend zu hören bekommen. Eine Geschichte, die ihren Anfang nahm, als eine Redaktionskollegin einen Zeitungsartikel auf sein Arbeitspult legte mit dem Satz: «Was hast du denn für eine Familie?» Der Artikel trug den Titel «Die Gastgeberin der Hölle» und handelte von der Gräfin Margit Batthyany-Thyssen – Batthyanys Grosstante. Sacha Batthyany erkannte sie auf dem Foto sofort. Sie soll im März 1945 an einem Massaker an 180 Juden in der österreichischen Grenzstadt Rechnitz beteiligt gewesen sein. Die schwerreiche Thyssen-Erbin gab ein Fest auf ihrem Schloss und im Laufe des Abends, nachdem man getrunken, gefeiert und getanzt hatte, gingen einige Partygäste hinaus, um «aus Spass» 180 jüdische Zwangsarbeiter zu erschiessen. Danach kehrten sie ins Schloss zurück und feierten weiter. Das Massengrab wurde nie gefunden. Was in dieser Nacht genau geschah, ist bis heute unklar.
Sicher ist: Sacha Batthyany liess diese Geschichte nicht mehr los, er begann nach Antworten zu suchen und nachzuforschen, recherchierte in Archiven und wälzte Prozessakten. Er reiste von Ungarn über Sibirien bis nach Buenos Aires, befragte Verwandte und Zeitzeugen. Der Schriftsteller Maxim Biller, den Sacha Batthyany eines Abends zufällig traf, fragte ihn: «Und was hat das mit dir zu tun?»
Diese Frage ist der Kern des Buches von Sacha Batthyany. Um seine Familiengeschichte wirklich zu verstehen, musste er die überlieferten Erzählungen seiner Familie nicht nur hinterfragen, sondern auch sich selber. Aber wie schreibt man über sich selber, wie funktioniert die Recherche im Innern? Wie setzt man das um? Sacha Batthyany entschied sich dafür, eine Psychoanalyse zu machen. Mehrere Jahre lang legte er sich zweimal pro Woche auf die Couch beim Therapeuten, fand Antworten, Sinn und Parallelen. «Viele Leser meinen, mein Psychoanalytiker sei eine erfundene Figur. Aber er existiert tatsächlich, wie alles in diesem Buch», stellt Batthyany klar.
Im Buch geht es jedoch nicht nur um Batthyany und um seine Grosstante Margit. Bei seinen Nachforschungen rücken auch seine Grosseltern Maritta und Feri Batthyany immer stärker in den Mittelpunkt sowie Agnes Kupferminc-Mandl, die Auschwitz überlebte und deren Schicksal eng mit Marittas Familie verknüpft war.
Sacha Batthyany legte mithilfe zweier alter Tagebücher die Geschichte seiner Familie offen, die mit den Grausamkeiten von Nationalsozialismus und Stalinismus verwoben war. Er fragt sich, ob vorangegangene Generationen die Art, wie wir leben, prägen und wie die Vergangenheit ihre Spuren in der Gegenwart hinterlässt. Wer bestimmt, worüber man spricht?
Ein grossartiges und starkes Buch, spannend geschrieben, das bis zur letzten Seite nicht mehr loslässt und nachhaltig wirkt. Der Autor schreibt offen über die Handlungen seiner Vorfahren und behauptet sich gegen das Schweigen und Vergessenwollen eines grauenhaften Stücks Zeitgeschichte.
Sacha Batthyany hätte man noch stundenlang zuhören können an diesem Abend, so fesselnd erzählte er über sein Buch und seine Gedanken. Trotz des ernsten Themas gab es aber doch immer wieder auch heitere Momente, was gut tat.
Nach der Lesung hatten die Zuhörer Gelegenheit, Fragen zu stellen und ein Buch signieren zu lassen, das man beim «Kafisatz»-Büchertisch kaufen konnte.
Die Mitarbeiter der Bibliothek offerierten zum Abschluss des Abends einen wunderbaren Apéro mit Wein, Saft, Käseplatte und gluschtigen Schinkengipfeli. Es wurde rege diskutiert und die Stimmung war sehr gut. Einmal mehr ist dem Team der Stadtbibliothek ein toller und sehr bereichernder Anlass gelungen, den man noch lange in bester Erinnerung behält. Sarah Ott