Wädenswil

Ostern hat erst angefangen

Zu Besuch nach Ostern bei Pfarrer Stefan Weller, Evangelisch-methodistische Kirche Wädenswil.

Lieber Stefan, ich bringe dir zwei Flaschen «Wädenswiler Stadtwy» mit, den ich dir am Ostermontag gerne auf dem Kutter-Wiesli überreicht hätte, auch im Namen von Stadtpräsident Philipp Kutter – aber leider mussten wir unser ökumenisches Morgenmahl dieses Jahr wegen des nass-kalten Wetters absagen. Zu deinem Weggang von Wädenswil nun auf diesem Weg ein Zeichen des Dankes und der Anerkennung deines Einsatzes vor Ort und für die Ökumene!
Oh, vielen Dank (freut sich)!
Du bist seit 11 Jahren hier in Wädenswil als Pfarrer tätig und wohnst auch mit deiner Familie hier: Was bedeutet Ostern für dich?
Wir haben gerade in der Gemeinde Ostern gefeiert und ich habe das sehr genossen, auch die Atmosphäre im Gottesdienst. Ostern ist für mich stark mit dieser Erfahrung verbunden, dass ein Mensch auflebt. In der Predigt sagte ich, Ostern ist für mich weniger die Information über ein Ereignis, das vor 2000 Jahren stattgefunden hat, auch wenn die wichtig ist. Ostern ist für mich auch weniger eine Information über die Hoffnung, dass man nach dem Tod in ein neues Leben geht, auch wenn das meine Hoffnung bleibt. Ostern ist für mich zuerst die Erfahrung, die Goethe in seinem Osterspaziergang so formuliert hat: «Sie feiern die Auferstehung des Herrn, / denn sie sind selber auferstanden.» Ostern als eine Erfahrung, die mitten im Leben, heute und jetzt stattfinden kann, dort wo Menschen aufleben, neue Hoffnung schöpfen und sich nicht mehr von ihren Ängsten, von ihrer Schuld oder ihrem Sicherheitsbedürfnis regieren lassen.

Ostern also als etwas, das sich an den Menschen ereignet oder eben nicht ereignet?
Genau. Wo ein Mensch erfährt, dass er auch gegen alle Widrigkeiten und gegen die eigene Vergänglichkeit leben – und zwar sinnvoll und gut leben – kann. Da wird etwas davon deutlich, was Ostern ist. Ostern ist für mich auch ein ethisches Fest: der Weg, den Jesus Christus gegangen ist, der Weg der Liebe und der Gewaltlosigkeit hat Zukunft.

Viele Leute, so auch die Rekruten, die ich kürzlich in einer Kaserne besucht habe, sind in erster Linie froh, dass sie einen Hauch Freiheit spüren dürfen, sprich ein paar Tage frei haben, und machen sich gar nicht viele Gedanken zum Fest selber. Hast du, haben wir Theologen nicht einen zu hohen Anspruch?
Ich habe auch Verständnis dafür, dass man Ostern als freie Tage einfach geniesst. Es war nun jetzt an Ostern nicht so schönes Wetter, aber Tage zuvor da strömte alles hinaus; da war das Schiff nach Rapperswil sogar trotz Schiffszuschlag voll besetzt und die Leute haben die Sonne und den Frühling genossen. Aber eben, nicht in jedem Herzen ist es gleichzeitig auch Frühling. Und für mich bedeutet Ostern mehr als nur äusserlich schönes Wetter und Frühling. Ostern ist dann, wenn ein Mensch auch innerlich erlebt, was Neuanfang bedeuten kann, dass sozusagen das Eis in der Seele schmilzt. Da hoffe ich, dass wir auch als Kirchen dazu beitragen können.

Ich machte mir am Ostermontag auch schon Gedanken: wie geht das jetzt in den Alltag über? Wo will sich Gott neu Bahn brechen mitten in dem was wir normalerweise tun? Die Fischer in der Geschichte im Johannesevangelium, die die ganze Nacht vergebens fischen und auf einmal einen riesen Fang machen sind für mich eine Inspiration.
Das ist das, was wir beim Morgenmahl in den letzten Jahren erlebt haben: Als Kirchen leiden wir ja darunter, dass wir nach wie vor getrennt und zersplittert sind, dass wir zum Beispiel nicht zusammen Eucharistie/Abendmahl feiern können, obwohl es schon lange Versuche in diese Richtung gibt. Und dann machtest du den Vorschlag, wir könnten doch mit einem Morgenmahl anfangen, da gibt es keine Verbote oder Vorschriften. Ich fand die Idee super, und da haben wir einfach ganz entspannt etwas begonnen – auf dieser Wiese, die die Stadt neu erworben hatte. Und das Ganze wurde dann für mich wie eine Ostererfahrung, dass es plötzlich möglich wird, dass wir zusammen ein Mahl feiern können. Dieses Mahl mit frischem Brot und Fisch auf einem Feuer, so wie das Jesus mit seinen Jüngern machte. Einmal war es sogar so, dass es – wie damals – in der Nacht vorher einen wunderbaren Fischzug gab und die Fischer sagten: Kommt und holt Fisch, wir haben viel zu viel. Leute, die sonst wenig miteinander zu tun haben, weil sie in unterschiedliche Kirchen gehen und im Alltag verschiedene Wege, haben sich plötzlich kennengelernt und gesehen: «Aha, die gehen auch in eine Kirche.» Und wenn man sich vielleicht wieder getroffen hat, hat man gesagt: «Ja, den kenn ich vom Morgenmahl.» Ein Stück neues Leben, neue Beziehungen, neue gemeinsame Erfahrungen. Das ist sicher noch nicht alles von Ostern, aber es weist darauf hin, dass wir alle die Sehnsucht nach einer neuen Gemeinschaft unter den Menschen haben.

Die Idee stammt vom inzwischen verstorbenen reformierten Pfarrer, Josua Bösch. Ohne deine Mithilfe wäre es hier nicht zustande gekommen! Du warst für mich immer einer, der in uns aufgerüttelt hat, als Christen Dinge gemeinsam zu sehen und anzugehen, wie z.B. auch den Wädenswiler Kreuzweg. Was ist dir sonst noch wichtig beim Thema Ökumene?
Christian Rutishauser SJ hat in einem Interview im Tagi kürzlich gesagt, unser Problem in Europa sei, dass das Christentum sprachlos geworden ist. Glauben gilt als Privatsache. Wenn man ein grosses Kreuz durch die Stadt trägt, unterbricht das für einen Moment den Einkauf und löst sofort eine Menge aus. Wahrscheinlich macht kaum jemand von denen, die das sehen und staunen, einen Unterschied ob das jetzt Katholiken, Reformierte, Methodisten, Pfingstler oder sonst von einer Freikirche sind, sondern da werden Christen in der Öffentlichkeit wahrgenommen. Es ist kaum mehr nachvollziehbar, warum es diese Zersplitterung gibt. Ich denke, wir können sehr viel zusammen machen und Zeugnis sein für die Menschen um uns herum. Das bedeutet nicht, dass wir uns in jeder Hinsicht gleichen müssen wie ein «Einheitsbrei». Aber es darf nicht so sein, dass man aufgrund von verschiedenen Auffassungen zu Themen wie Homosexualität, Priesteramt oder Abendmahl nicht mehr zusammenarbeitet oder miteinander Gottesdienst feiert.

Was würdest du dir wünschen für die Ökumene in Wädenswil?
Ein Sprichwort sagt: Es ist besser, wenn man sich nicht nur gegenseitig anschaut, sondern gemeinsam in eine Richtung schaut. In dem Moment, wo wir Aufgaben sehen, die wir gemeinsam anpacken, dann wird es viel einfacher. Ein schönes Beispiel war der Tag der Armut, den Susy Tobler vorletztes Jahr angeregt hat und bei dem sehr viele verschiedene Leute mitgetragen haben. Ich wünsch mir das für die Kirchen, dass sie nicht nur unter sich bleiben, sondern offen sind für anders Gläubige, dass wir eine Gemeinschaft sind von Glaubenden und Suchenden, wo sich viele dazugesellen können und wo man sich gegenseitig respektiert.

Wie geht es bei dir beruflich weiter?
Ab 14. Juli werden wir nach Basel umziehen und ich beginne dort ab August eine Stelle als Spitalpfarrer im Bethesda-Spital. Hier wird ab 3. September Peter Gumbal mein Nachfolger sein.

Wir wünschen dir und deiner Familie eine gute Zeit des Wechsels, viel Erfolg beim Netze auswerfen links oder rechts vom Boot, einen guten Neuanfang. Und herzlichen Dank für dieses Interview!
Ich wünsche dir persönlich und den Christen in Wädenswil Gottes Segen. Ich gehe mit einem traurigen Auge und werde gute Erinnerungen mitnehmen.

Mit Pfr. Stefan Weller sprach Felix Zgraggen

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