Wädenswil

Gemeindezusammenschluss:   Das sagen Gegner und Befürworter

Drei Gemeinden, sechs Meinungen: Für die am 21. Mai 2017 stattfindende, wegweisende Abstimung zur Eingemeindung von Hütten und Schönenberg zu Wädenswil hat der Wädenswiler Anzeiger aus jeder der betroffenen Gemeinden je eine Person aus dem Befürworter- und Gegner-Lager befragt. Das Thema hat besonders in der Gemeinde Schönenberg die Gemüter in den letzten zwei Jahren, nebst anderem, ziemlich erhitzt. Ängste wurden geschürt.
Der Kampfgeist ist erwacht: Gegen den Freiheitsverlust wollen viele Schönenberger in den Kampf ziehen. In Hütten scheint der Fall klarer – und doch regt sich auch da Widerstand.
Doch in Zeiten wie diesen lassen sich unsere Probleme und Herausforderungen nicht immer einfach und hemdsärmlig lösen. Komplexe Herausforderungen verlangen nach einem System, das diesen gewachsen und ebensolche Lösungswege zu erarbeiten im Stande ist. Alter Väter Sitte ist nicht mehr zeitgemäss. Die Sicherheit, sich an alte Werte zu klammern ist trügerisch; Traditionen zu bewahren allerdings ist identitätsstiftend, gerade in einer Welt, die immer schneller in Bewegung ist.

Peter Hauser, Hütten

Ich bin selber fast 76 Jahre alt und wohne auch so lange schon in Hütten und bin auch Hüttner Bürger. So ist es auch verständlich, dass ich mit Hütten sehr verbunden bin und von daher eigentlich zum Zusammenschluss (emotional) Nein stimmen müsste. Das kann ich aber trotz allem nicht, denn von mir aus gesehen bekommt Hütten bei einem Alleingang sehr grosse finanzielle Probleme.
Beim Alleingang wird der Steuerfuss massiv ansteigen. Das kann zur Folge haben, dass gute Steuerzahler von Hütten wegziehen, somit sinkt der Steuerertrag und damit steigen die Steuern. Es werden verschiedene Gegenargumente angeführt: bei der Schule hat ein Zusammenschluss überhaupt keinen Einfluss auf das Bestehen. Dies ist einzig und allein von den Schülerzahlen abhängig. Bei der Selbstständigkeit und Mitbestimmung muss man sich die Frage stellen, wo diese ist, wenn an Gemeindeversammlungen nur etwa 10% der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger anwesend sind. Das Bürgerrecht hat heute keine so grosse Bedeutung mehr, ob ich jetzt Bürger von Hütten oder Wädenswil bin, das ist lediglich in Ausweisen ersichtlich. Viel wichtiger ist es, wie ich mich persönlich zu Hütten stelle und da gibt es für mich nur eines – ich bin und bleibe ein Hüttner, egal welches Bürgerrecht ich habe. Es liegt an uns, was wir mit und aus unserem Dorf machen, das auch in Zukunft den Namen Hütten tragen wird. Im kulturellen Bereich hat ein Zusammenschluss keinen Einfluss. Noch kurz etwas zu den Krankenkassen-Prämien. Hütten ist im Moment in der Region 3 eingeteilt, also bezahlen wir weniger Prämien als in Wädenswil (Region 2), dies ist aber sehr unterschiedlich je nach Krankenversicherung. Der Bundesrat will bekanntlich die Regionen anders einteilen. Für uns würde das bedeuten, dass wir dann in der gleichen Region sind wie Wädenswil.

Thomas Ziegler, Hütten

Am 21. Mai entscheiden wir über unsere Zukunft. Wir entscheiden über Veränderungen, einen Kulturwandel, Verlust der Identität. Leben heisst Veränderung, das bin ich als Familienvater von drei Kindern und als Unternehmer in der Privatwirtschaft gewohnt.
Doch ich bin dagegen, dass unsere Gemeinde Hütten abgeschafft werden soll. Im Inhalt des vorliegenden Zusammenschlussvertrages sind die spärlichen Punkte unverbindlich geregelt. Das heisst, nur wenn die zukünftige Gemeindeführung es als «sinnvoll» erachtet, bleibt unsere Infrastruktur sowie unser politischer Einfluss bestehen.
Um die Gemeinden zur Fusion zu zwingen, greift der Kanton tief in die Taschen und verspricht dem Volk weniger Schulden und tiefere Steuern. Doch dies hat seinen Preis. Gemeindeversammlungen, persönliche Beziehung mit den Behörden, Schalterdienstleistungen im Dorf – viele solcher Beispiele würden bei einer Eingemeindung verloren gehen.
Wenn wir die Katze schon im Sack kaufen, dann wähle ich lieber das Bewährte, auch wenn es unweigerlich Korrekturen im heutigen Gemeindebetrieb geben muss. Besser ist dies immer noch, als den unvorhersehbaren Interessen der Stadt Wädenswil ausgeliefert zu sein.
Die Stärken der Schweiz – der Föderalismus, die Unabhängigkeit jedes Einzelnen Bürgers – sind meiner Meinung nach zu schützen. Unsere Werte, unsere ländliche Kultur mit denen schon unsere Vorfahren das Dorf geprägt haben, sind zu verteidigen.
Diese und viele andere Gedanken beschäftigen mich, wenn es um die bevorstehende Abstimmung geht.

Thomas Hägin, Schönenberg

Finanziell noch nicht am Abgrund stehend, gehören wir trotzdem zu den finanzschwachen Gemeinden im Kanton. Ein Zusammenschluss bedeutet langfristige Werterhaltung und nachhaltiges Bewirtschaften der verfügbaren Ressourcen, nicht kurzfristige Steueroptimierung oder Kostenersparnis.
Wir bilden schon lange einen funktionalen Raum mit Wädenswil. Aufgrund des beschränkten Angebotes im Dorf finden der Grosseinkauf oder der Arztbesuch in Wädenswil statt. Viele Kinder besuchen Wädenswiler Sportvereine, auch das kulturelle Angebot ist attraktiv.
Der Zusammenschluss auf politischer Ebene ist ein logischer Schritt. In der erweiterten Gemeinde lassen sich gemeinsame Herausforderungen in Bereichen wie Finanzen, Personal, professionelle Leistungserbringung oder Bevölkerungsentwicklung effektiver bewältigen. Wir profitieren von einem klar tieferen Steurfuss, zum Teil wesentlich tieferen Gebühren (z.B. Wasser) und einer höheren Planungssicherheit.
Durch den Erhalt der wesentlichen Infrastruktur im Dorf wird bei entsprechendem Engagement der Bevölkerung auch der Weiterbestand der dörflichen Einheit gewährleistet. Die kantonalen Planungsvorgaben garantieren, dass Schönenberg seinen Charakter als ländliche Gemeinde behält.
Durch den Zusammenschluss entsteht eine bedeutende, eigenständige Gemeinde mit hoher Standortattraktivität und breitem Dienstleistungsangebot zu für uns tieferen Kosten. Deshalb Ja zum Zusammenschluss und zu einer zukunftsgerichteten und tragfähigen Lösung am 21. Mai 2017.

Karl Götschi, Schönenberg

Freiheit und Selbstbestimmung sind für mich, wie für viele Menschen auch, zwei der wichtigsten Dinge in meinem Leben. Wohl niemand von uns würde seine Freiheit und seine Selbstbestimmung freiwillig aufgeben. Mit der geplanten Einverleibung von Schönenberg durch Wädenswil passiert aber genau das! Wir geben unsere Freiheit und Selbstbestimmung auf. Konnten wir bislang selber über die Höhe unserer Steuern, Abgaben und Gebühren entscheiden und selber bestimmen, wo, was und wann in unserer Gemeinde gebaut oder erneuert wird, haben wir bei einer Eingemeindung nichts mehr zu sagen! Was in unserer Gemeinde passiert, wie hoch Abgaben und Gebühren sind, was gebaut oder nicht gebaut wird, entscheidet bei einer Eingemeindung der Gemeinderat von Wädenswil. Und der wird sich, wenn es finanziell eng wird, in erster Linie um die Belange von Wädenswil kümmern und weniger um die Belange der Schönenberger, «da oben auf dem Berg».
Dabei gibt es keinen zwingenden Grund, unsere Freiheit und unsere Selbstbestimmung aufzugeben. Unsere Gemeinde steht auf soliden eigenen Füssen. Selbst unser Gemeindepräsident muss zugeben, dass wir bei einem Nein zur Eingemeindung keine finanziellen Probleme bekommen. Im Gegensatz dazu werden wir aber finanzielle Probleme bekommen, wenn wir uns einverleiben lassen: Während Wädenswil die letzten Jahre jeweils mit einem Millionendefizit abgeschlossen hat, schliesst unsere Gemeinde mit einem satten Plus ab. Mit anderen Worten: Wir verlieren nicht nur unsere Freiheit und unsere Selbstständigkeit, sondern müssen auch noch für ein fremdes Millionendefizit aufkommen. Schönenberg ist intakt, steht auf soliden finanziellen Beinen und hat alles, was es braucht, um weiterhin eigenständig, frei und selbstbestimmt zu existieren. Deshalb Nein zur Eingemeindung durch Wädenswil.

Andrew Bond, Wädenswil

Ich bin für die Schaffung einer neuen Gemeinde «Wädi-Berg» mit Wohnrecht nur für nette Menschen und einer jährlichen Landsgemeinde unter einer Linde!
Im Ernst: Ich glaube, Verwaltungs­organisation sollte man rational organisieren, nicht emotional. Pendlerwege, Kulturgenuss, Ausbildungsplätze und so vieles mehr findet längst nicht mehr in lokalen Zirkeln statt. Die Grenzen des dörflichen Milizsystems sind mehr als augenfällig. Entscheide von solcher Tragweite sollten nicht aufgrund von momentanen Problemen wie etwa Zerwürfnisse im Schönenberger Gemeinderat gefällt werden, sondern weitsichtig und ressourcenorientiert. Eine grössere, professionalisierte Verwaltung erachte ich als zeitgemäss. Die Nachbarschaft, die Vereine und zum Beispiel auch die Schulanlagen sind es, die lokale Heimat schaffen, nicht der Sitz der Verwaltung. Als langjähriger Lehrer an der fusionierten Oberstufenschule habe ich nur positive Erinnerungen an die Zusammenarbeit der drei Gemeinden.
Ich werde also Ja stimmen.
Und vielleicht kommt irgendwann wieder die Notwendigkeit der kleinräumigen Verwaltungseinheiten, dann freuen wir uns auf den Hüxit, Wäxit und Schöxit.

Adi Schärer, Wädenswil

Schon vor fünfzig Jahren mussten die «Bergler» in der Oberstufe um zwanzig vor zwölf ihr Etui packen und «ufs Poschti». Am Beispiel Schönenberg sieht man nun seit längerer Zeit, dass so etwas fatale Folgen haben kann …! Zwar ist die legendäre Schildbürger-Mentalität der grossen Wädenswiler Schwester nahtlos angekommen im Berg, doch für andere Dinge fuhr die Post zu früh. Wir Hiesigen aber sind zu wahren Demokratie-Verstehern geworden, und da haben wir doch Etwas ganz bestimmt begriffen: Politische Autonomie gibt man niemals weg! Und man nimmt sie auch niemandem weg.
Sind es die paar lumpigen Steuerfranken, die keine besseren Ideen zulassen als dem Kleinen sein bisschen Autonomie zu nehmen? Mit wenig Aufwand können wir die Berggemeinden da unterstützen, wo Sie`s wirklich brauchen, ohne gleich einen rückwärtsortientierten Einheitsbrei anbrennen zu müssen. Ist anzunehmen, wenn die Verwaltungswege länger werden, die Resultate der Wädenswiler Schlaumeier hätten dann mehr Qualität? Oder denkt man, es sei billiger, wenn die Park­verbots­tafel nach der Schönenberger Chilbi von der Stadtpolizei (zwei bis drei Personen, eine Viertelstunde Autofahrt) weggeräumt wird, vielleicht mit Steinen beworfen von behaarten Ureinwohnern?
Nichts wird günstiger, nichts wird besser. Der klamme Vogt vom See wird auch in den Berggemeinden die Blumen wegsparen und das Hüttner Wasser auf seine Mühle leiten. Sollte es «etwas» mehr kosten als angedacht, so zahlt ja dann neuerdings die Steuerzahler United …
Einzig im Präsidium wird eitel Freude herrschen, ob dem neuen Schifflein auf dem See: denn wie weiland Wilhelm Tell, steht ganz zuvorderst in dem Kutter: «Wädenswil!», die Zürcher Gemeinde-Mutter. – Nicht wirklich nötig, oder?

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