2015 spendeten gemäss Zewo-Spendenstatistik Herr und Frau Schweizer 1,8 Milliarden Franken – so viel wie noch nie. Doch wohin geht der Spendenfranken? Und nach welchen Kriterien lesen wir aus, wohin und wie viel wir spenden? Ein Podiumsgespräch in der Kulturgarage, organisiert von der Historischen Gesellschaft anlässlich ihrer Ausstellung «Macht Geben glücklich?», versuchte Antworten zu finden.
Begrüsst wurden die Teilnehmerinnen sowie das Publikum von Christian Winkler, zusammen mit Gesprächsleiterin Mariska Beirne Mitkurator der Ausstellung. Mit Mariska Beirne diskutierten Janique Behmann-Blattmann, Brigitte Steimen und Priska Spörri.
Menschen spenden aus unterschiedlichen Gründen: Betroffenheit angesichts von Elend und Armut, aus aktuellem Anlass aufgrund von Naturkatastrophen, aus Dankbarkeit für das eigene Wohlergehen, religiöse Motive können bei der Auswahl eine Rolle spielen – oder aber auch ein eventuell möglicher Eigennutz. Die durch die Gäste vertretenen Organisationen sprechen die Spenderinnen und Spender ganz unterschiedlich an, dies wurde im Verlaufe des Abends klar.
Die in Wädenswil aufgewachsene Janique Behmann-Blattmann etwa engagiert sich in der «Stiftung für Effektiven Altruismus». Der pragmatische Ansatz dieser Lehre geht davon aus, dass Ressourcen – Zeit und Geld – limitiert sind und deshalb so eingesetzt werden sollen, dass das meiste Leid verhindert und die meisten Leben gerettet werden. Mit einfachen Mitteln soll möglichst viel bewirkt werden.
Seit 2011 steht Brigitte Steimen der Stiftung Bühl als Direktorin vor. Die Stiftung ist regional gut verankert und bekannt. Deren Ziel ist es, Kinder und Jugendlichen mit geistiger Behinderung oder Lernbehinderung eine möglichst weitgehende Teilnahme am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen und ihnen eine Perspektive fürs Leben zu eröffnen.
Für die «Glückskette» sprach Priska Spörri. Die Glückskette sammelt Spenden für humanitäre Hilfsprojekte, meist zeitnah zu passierten Katastrophen. Zu diesem Zweck arbeitet sie mit der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG SSR) und Schweizer Hilfswerken zusammen. Sie verteilt nicht einfach Geld, sondern finanziert Hilfsprojekte von erfahrenen Schweizer Hilfswerken in der Sofort- und Rehabilitationshilfe sowie beim nachhaltigen Wiederaufbau.
Für was spende ich eigentlich?
Was steht für den Spender im Mittelpunkt? Eine Frage, die sich Spender stellen, aber natürlich auch für die Spendenempfänger von Bedeutung ist. Priska Spörris Glückskette spricht eher die ad-hoc-Spender an. «Viele unsere Spender entscheiden aus dem Bauch heraus – man ist mit dem Leid konfrontiert».
Sie führte als Beispiel die Flutkatastrophe von 2010 in Pakistan an, wo in den Medien Bilder gezeigt wurden, wie den betroffenen Menschen nicht nur sprichwörtlich das Wasser bis zum Hals stand. Auf die Frage hin, ob solche Katastrophen für eine Organisation wie die Stiftung Bühl eine Konkurrenz sei, eine Auswirkung auf das eigene Budget habe, verneinte Brigitte Steimen: «Der Spendekuchen ist riesig – und wir merken, dass wir viele treue Spender haben.» Es sei gut, wenn sich die Spender fragen, was ihnen am Herzen liegt, oder auch auch, wie sie wirklich Wirkung erzielen können. Es wäre auch hilfreich, wenn die einzelnen Spender eine Organisation über einen längeren Zeitraum unterstützen würden, da dies die Administrativkosten senken würde.
Janique Behmann führte an, dass die Frage doch sei «in welcher Welt möchte ich leben?». Zur Erklärung führte sie das Beispiel des «Schleiers der Unwissenheit« an. Da weiss man nicht, auf welchem Teil der Erde oder in welche gesellschaftliche Schicht man hineingeboren wird. Die Frage dazu lautet, wie man die Welt einrichten würde, wüsste man nicht, in welche Schicht oder auf welchem Kontinent man geboren würde. «Könnte ich nicht vorhersagen, ob ich allenfalls mal aus hygienischen Gründen mit Blindheit konfrontiert wäre, würde ich dafür sorgen wollen, dass mir geholfen werden kann.»
Dazu gibt es auch das Beispiel des australischen Philosophen Peter Singer, das gerne auch zur Erklärung des Effektiven Altruismus angeführt wird und besagt, dass in den USA ein Blindenhund 42 000 Dollar koste; in Entwicklungsländern koste die Behandlung eines Patienten, der wegen einer bakteriellen Entzündung des Auges erblindet ist, weniger als 40 Dollar, und 80 Prozent der Operationen seien erfolgreich. Das bedeute, dass für die Kosten eines Blindenhundes in den USA 840 Menschen in Entwicklungsländern das Augenlicht zurückgegeben werden könne. Und der Blindenhund gäbe dem Blinden noch nicht einmal das Augenlicht zurück. Diese Zahlen beruhen jedoch auf groben Schätzungen und sind nicht verbürgt. Der Effektive Altruismus hinterfragt so die Verteilung der Spendengelder. «Daher ist das Rechnen und das genaue Hinschauen wichtig», meint Behmann.
Hier zeigte sich Priska Spörri nicht ganz einverstanden: «Ich verspüre einen gewissen Widerstand in mir, wenn man alles messbar machen will.» Und «Wieso nur das eine machen und das andere nicht auch?» Schliesslich seien genug Mittel vorhanden.
Ein weiterer diskutierter Punkt war der Weg den die Organisationen zum Spender hin gehen – auch die Manipulation der potenziellen Spender mittels der zum Teil aggressiven Werbung. Hier wurden verschiedene Wege erläutert, aber auch an den gesunden Menschenverstand und die Mündigkeit der Bürger appelliert. Erwähnt wurde auch der Warm-Glow-Effekt: Dieser vermittelt beim Akt des Gebens ein positives Gefühl seitens des Spenders.
Auf die letzte Frage der Moderatorin Mariska Beirne – «macht Geben glücklich?» antwortete Priska Spörri mit einem klaren Ja. Sie sehe dies immer wieder bei den nationalen Sammeltagen. Man spüre eine Freude, oftmals auch ein Mitteilungsbedürfnis der Spendenden. Brigitte Steimen glaubt, dass die Menschheit versucht, fair zu handeln, auch einen Ausgleich für Minderbemittelte zu geben. Dies sei auch ein Anreiz zum Spenden. «Spenden schafft auch Beziehungen zu Menschen, deren Lebensrealitäten weit weg von den unseren sind, aber es bringt auch die Spendenden zusammen. Dazu führte sie den Wädenswiler Kirchenneubau an, wo vor 250 Jahren mittels Stuhlverkauf die neue Kirche mit einem Fest eingeweiht werden konnte.
Eine Frage aus dem Publikum fragte nach der Konkurrenz der Hilfswerke oder Spendenempfängern untereinander. Ob man auch finde, diese oder jene Organisation arbeite zum Beispiel zu wenig effektiv.
Interessant die Schlussfrage aus dem Publikum: «Ist Spendensammeln Business wie jedes andere auch? Ist es härter oder geht es da humanitärer zu und her?» Brigitte Steimen prangerte hier die grossen internationalen Hilfswerke an, die fast industriemässig funktionieren würden, die dem Personal vor Ort einen Lebensstandard «jenseits von gut und böse» ermöglichen würden. Auch seien Abwerbungen unter den grossen internationalen Hilfswerken keine Seltenheit. Den Schweizer Hilfswerken und dem Zewo-Gütesiegel attestierte sie jedoch eine gute Qualität.
Janique Behmann fand, dass es durchaus ein Konkurrenzkampf sein dürfe, wie man am besten Helfe – dann dürfe man auch mit etwas «Businessmentalität» rangehen. Es werde erst problematisch, wenn man sich dabei selbst bereichern wolle.
Priska Spörri schliesslich bestätigte, dass an der Spitze von Spendenorganisationen nicht mehr die «Gutmenschen» gefragt seien, auch damit die Effizienz der Organisationen gewährleistet werden kann.
Macht Geben glücklich?
Noch bis 23. April 2017
Kulturgarage Wädenswil Florhofstrasse 15
Öffnungszeiten
Mittwoch 14 – 17 Uhr
Donnerstag 18 – 21 Uhr
Samstag 13 – 17 Uhr
Sonntag 10 – 16 Uhr
Ostermontag 10 – 16 Uhr
Ausstellung geschlossen: 15.4. / 20.4
2015 spendeten gemäss Zewo-Spendenstatistik Herr und Frau Schweizer 1,8 Milliarden Franken – so viel wie noch nie. Doch wohin geht der Spendenfranken? Und nach welchen Kriterien lesen wir aus, wohin und wie viel wir spenden? Ein Podiumsgespräch in der Kulturgarage, organisiert von der Historischen Gesellschaft anlässlich ihrer Ausstellung «Macht Geben glücklich?», versuchte Antworten zu finden.
Begrüsst wurden die Teilnehmerinnen sowie das Publikum von Christian Winkler, zusammen mit Gesprächsleiterin Mariska Beirne Mitkurator der Ausstellung. Mit Mariska Beirne diskutierten Janique Behmann-Blattmann, Brigitte Steimen und Priska Spörri.
Menschen spenden aus unterschiedlichen Gründen: Betroffenheit angesichts von Elend und Armut, aus aktuellem Anlass aufgrund von Naturkatastrophen, aus Dankbarkeit für das eigene Wohlergehen, religiöse Motive können bei der Auswahl eine Rolle spielen – oder aber auch ein eventuell möglicher Eigennutz. Die durch die Gäste vertretenen Organisationen sprechen die Spenderinnen und Spender ganz unterschiedlich an, dies wurde im Verlaufe des Abends klar.
Die in Wädenswil aufgewachsene Janique Behmann-Blattmann etwa engagiert sich in der «Stiftung für Effektiven Altruismus». Der pragmatische Ansatz dieser Lehre geht davon aus, dass Ressourcen – Zeit und Geld – limitiert sind und deshalb so eingesetzt werden sollen, dass das meiste Leid verhindert und die meisten Leben gerettet werden. Mit einfachen Mitteln soll möglichst viel bewirkt werden.
Seit 2011 steht Brigitte Steimen der Stiftung Bühl als Direktorin vor. Die Stiftung ist regional gut verankert und bekannt. Deren Ziel ist es, Kinder und Jugendlichen mit geistiger Behinderung oder Lernbehinderung eine möglichst weitgehende Teilnahme am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen und ihnen eine Perspektive fürs Leben zu eröffnen.
Für die «Glückskette» sprach Priska Spörri. Die Glückskette sammelt Spenden für humanitäre Hilfsprojekte, meist zeitnah zu passierten Katastrophen. Zu diesem Zweck arbeitet sie mit der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG SSR) und Schweizer Hilfswerken zusammen. Sie verteilt nicht einfach Geld, sondern finanziert Hilfsprojekte von erfahrenen Schweizer Hilfswerken in der Sofort- und Rehabilitationshilfe sowie beim nachhaltigen Wiederaufbau.
Für was spende ich eigentlich?
Was steht für den Spender im Mittelpunkt? Eine Frage, die sich Spender stellen, aber natürlich auch für die Spendenempfänger von Bedeutung ist. Priska Spörris Glückskette spricht eher die ad-hoc-Spender an. «Viele unsere Spender entscheiden aus dem Bauch heraus – man ist mit dem Leid konfrontiert».
Sie führte als Beispiel die Flutkatastrophe von 2010 in Pakistan an, wo in den Medien Bilder gezeigt wurden, wie den betroffenen Menschen nicht nur sprichwörtlich das Wasser bis zum Hals stand. Auf die Frage hin, ob solche Katastrophen für eine Organisation wie die Stiftung Bühl eine Konkurrenz sei, eine Auswirkung auf das eigene Budget habe, verneinte Brigitte Steimen: «Der Spendekuchen ist riesig – und wir merken, dass wir viele treue Spender haben.» Es sei gut, wenn sich die Spender fragen, was ihnen am Herzen liegt, oder auch auch, wie sie wirklich Wirkung erzielen können. Es wäre auch hilfreich, wenn die einzelnen Spender eine Organisation über einen längeren Zeitraum unterstützen würden, da dies die Administrativkosten senken würde.
Janique Behmann führte an, dass die Frage doch sei «in welcher Welt möchte ich leben?». Zur Erklärung führte sie das Beispiel des «Schleiers der Unwissenheit« an. Da weiss man nicht, auf welchem Teil der Erde oder in welche gesellschaftliche Schicht man hineingeboren wird. Die Frage dazu lautet, wie man die Welt einrichten würde, wüsste man nicht, in welche Schicht oder auf welchem Kontinent man geboren würde. «Könnte ich nicht vorhersagen, ob ich allenfalls mal aus hygienischen Gründen mit Blindheit konfrontiert wäre, würde ich dafür sorgen wollen, dass mir geholfen werden kann.»
Dazu gibt es auch das Beispiel des australischen Philosophen Peter Singer, das gerne auch zur Erklärung des Effektiven Altruismus angeführt wird und besagt, dass in den USA ein Blindenhund 42 000 Dollar koste; in Entwicklungsländern koste die Behandlung eines Patienten, der wegen einer bakteriellen Entzündung des Auges erblindet ist, weniger als 40 Dollar, und 80 Prozent der Operationen seien erfolgreich. Das bedeute, dass für die Kosten eines Blindenhundes in den USA 840 Menschen in Entwicklungsländern das Augenlicht zurückgegeben werden könne. Und der Blindenhund gäbe dem Blinden noch nicht einmal das Augenlicht zurück. Diese Zahlen beruhen jedoch auf groben Schätzungen und sind nicht verbürgt. Der Effektive Altruismus hinterfragt so die Verteilung der Spendengelder. «Daher ist das Rechnen und das genaue Hinschauen wichtig», meint Behmann.
Hier zeigte sich Priska Spörri nicht ganz einverstanden: «Ich verspüre einen gewissen Widerstand in mir, wenn man alles messbar machen will.» Und «Wieso nur das eine machen und das andere nicht auch?» Schliesslich seien genug Mittel vorhanden.
Ein weiterer diskutierter Punkt war der Weg den die Organisationen zum Spender hin gehen – auch die Manipulation der potenziellen Spender mittels der zum Teil aggressiven Werbung. Hier wurden verschiedene Wege erläutert, aber auch an den gesunden Menschenverstand und die Mündigkeit der Bürger appelliert. Erwähnt wurde auch der Warm-Glow-Effekt: Dieser vermittelt beim Akt des Gebens ein positives Gefühl seitens des Spenders.
Auf die letzte Frage der Moderatorin Mariska Beirne – «macht Geben glücklich?» antwortete Priska Spörri mit einem klaren Ja. Sie sehe dies immer wieder bei den nationalen Sammeltagen. Man spüre eine Freude, oftmals auch ein Mitteilungsbedürfnis der Spendenden. Brigitte Steimen glaubt, dass die Menschheit versucht, fair zu handeln, auch einen Ausgleich für Minderbemittelte zu geben. Dies sei auch ein Anreiz zum Spenden. «Spenden schafft auch Beziehungen zu Menschen, deren Lebensrealitäten weit weg von den unseren sind, aber es bringt auch die Spendenden zusammen. Dazu führte sie den Wädenswiler Kirchenneubau an, wo vor 250 Jahren mittels Stuhlverkauf die neue Kirche mit einem Fest eingeweiht werden konnte.
Eine Frage aus dem Publikum fragte nach der Konkurrenz der Hilfswerke oder Spendenempfängern untereinander. Ob man auch finde, diese oder jene Organisation arbeite zum Beispiel zu wenig effektiv.
Interessant die Schlussfrage aus dem Publikum: «Ist Spendensammeln Business wie jedes andere auch? Ist es härter oder geht es da humanitärer zu und her?» Brigitte Steimen prangerte hier die grossen internationalen Hilfswerke an, die fast industriemässig funktionieren würden, die dem Personal vor Ort einen Lebensstandard «jenseits von gut und böse» ermöglichen würden. Auch seien Abwerbungen unter den grossen internationalen Hilfswerken keine Seltenheit. Den Schweizer Hilfswerken und dem Zewo-Gütesiegel attestierte sie jedoch eine gute Qualität.
Janique Behmann fand, dass es durchaus ein Konkurrenzkampf sein dürfe, wie man am besten Helfe – dann dürfe man auch mit etwas «Businessmentalität» rangehen. Es werde erst problematisch, wenn man sich dabei selbst bereichern wolle.
Priska Spörri schliesslich bestätigte, dass an der Spitze von Spendenorganisationen nicht mehr die «Gutmenschen» gefragt seien, auch damit die Effizienz der Organisationen gewährleistet werden kann.
Macht Geben glücklich?
Noch bis 23. April 2017
Kulturgarage Wädenswil Florhofstrasse 15
Öffnungszeiten
Mittwoch 14 – 17 Uhr
Donnerstag 18 – 21 Uhr
Samstag 13 – 17 Uhr
Sonntag 10 – 16 Uhr
Ostermontag 10 – 16 Uhr
Ausstellung geschlossen: 15.4. / 20.4