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Andrea Keller, P räsidentin des TV Schönenberg, Schauspielerin beim Theater Schönenberg, engagierte Frau, Mutter und Kleinunternehmerin

Andrea Keller ist seit Februar 2015 Präsidentin des Turnvereins Schönenberg.

Im Spätherbst letzten Jahres spielte sie die Hauptrolle in einem Stück des Theater Schönenberg. Andrea ist Mutter von zwei Kindern (6 und 8) und Kleinunternehmerin. Mit ihren selbstgenähten Kinderkleidern und Taschen ist sie an diversen Märkten der Region anzutreffen. Andrea ist eine junge engagierte Frau, die sich nicht zu schade ist, auch gemeinnützige Arbeit zu leisten.

Andrea, Du bist seit einer Weile Präsidentin des Turnvereins. Welchen Bezug hast Du zu Schönenberg und dem Turnverein?

Ich bin in Schönenberg aufgewachsen. Erst als ich in die Oberstufe kam, sind wir nach Richterswil gezogen, weil mein Vater da die EKZ-Filiale übernommen hat. Darüber war ich anfangs sehr traurig, habe mich aber dann gut eingelebt. Am See zu wohnen hat auch sein Gutes. Vor etwa sechs Jahren sind mein Mann Mike und ich wieder nach Schönenberg gezogen.

Du warst aber doch immer hier im Turnverein?

Ja, auch von Richterswil aus. Ich bin seit ich fünfzehn bin in der Aktivriege. Mein Vater ist auch schon seit er sechzehn ist dabei. Er war der Oberturner. Heute nennt man das «Technischer Leiter Aktive». 

Meine Mutter war in der Damenriege, jetzt Turnerinnenriege. Meine Eltern sind in Schönenberg aufgewachsen. Der Turnverein ist bei uns sozusagen eine Familientradition. Ich bin damit gross geworden. Es gibt ja einige Turnerfamilien in Schönenberg. Mein Vorgänger Philip Wagner stammt auch aus einer. Der Turnverein hat eine lange Tradition.

Bist Du die erste Frau, die Präsidentin ist in diesem Verein, den es ja schon sehr lange gibt? 

Es gibt uns schon seit achtzig Jahren. Viele Gemeinden haben sogar eine noch ältere Tradition. Es gibt solche mit einer schon hundertfünfzigjährigen Geschichte.

In Schönenberg bin ich die erste Frau in diesem Amt. Das hat vielleicht auch damit zu tun, dass die Turntradition früher eher patriarchalisch geprägt war, etwas Militärisches war und den Männern vorbehalten. 

Es gibt ein altes Turnerlied, worin die Männer besungen werden, die stolz dahinschreiten … und so weiter.

Aber ich begegne als Präsidentin keinen Widerständen oder Erstaunen darüber, dass ich als Frau diese Position innehabe. 

Gerade in Berggemeinden hat es schon noch einige Menschen, die gerne am Alten festhalten.

Davon merke ich nichts. Auch in unserem Vorstand ist das Verhältnis von Mann und Frau ziemlich ausgeglichen. Innerhalb der Turnerfamilie kennt man sich, unterstützt sich und ist füreinander da. Auch wenn jemand privat Probleme hat, wird er immer irgendwie aufgefangen. Man kann sich aufeinander verlassen, auch wenn es manchmal strenge Zeiten gibt. Das ist eine schöne Tradition!

Du bist Mutter von zwei Kindern, Präsidentin des Turnvereins, Du leitest die Jugi Oberstufe, spielst Theater und bist Kleinunternehmerin. Wie bringst Du alles unter einen Hut?

Ja, das frage ich mich manchmal auch. Schau nur, da ist meine Nähmaschine. Bald ist wieder Marktsaison, wo ich meine Kinderkleider und Taschen verkaufe. An fünf bis sechs Märkten pro Jahr habe ich einen Stand.

Die Zeit während der Vorbereitungen fürs Chränzli ist schon ziemlich streng. Manchmal frage ich mich, warum ich das alles mache. Es hat auch damit zu tun, dass ich nur schlecht «Nein» sagen kann. Wenn es jemanden braucht, der hilft, bin ich meistens zur Stelle.

Heisst das, Du bist auch als Präsidentin in eine Lücke gesprungen?

Es war schon so, dass ich nicht davon geträumt habe Präsidentin des Turnvereins zu werden. Wir haben eine Weile nach einer Nachfolge für Philip Wagner gesucht und schliesslich habe ich mir gedacht, dass ich das schon irgendwie mit meinem Tagesablauf vereinbaren kann. 

Meine Kinder sind morgens in der Schule. Dann kann ich vieles erledigen. Ich muss oft auf die Gemeinde um Verträge zu unterzeichnen. Die Öffnungszeiten liessen sich nicht so gut vereinbaren mit den Arbeitszeiten, z.B. von meinem Mann. So bin ich irgendwie hineingerutscht.

Hast Du neben all dem noch einen Geldverdien-Job?

Bis letzten Sommer habe ich noch zwanzig Prozent als Floristin gearbeitet. Aber dieser Blumenladen wurde aufgelöst und jetzt mache ich höchstens noch befristet Einsätze, wie in der Adventszeit bei einer Freundin. Aber sonst musste ich jetzt wirklich ein bisschen reduzieren.

Wie kommst Du damit zurecht vor allem ehrenamtliche Arbeit zu leisten, die oft gesellschaftlich – leider – nicht die Anerkennung bekommt wie bezahlte Arbeit, eine Karriere?

Ich finde es wichtig, dass es Menschen gibt, die bereit sind diese Arbeit zu leisten. Zudem bin ich ganz zufrieden mit meinen verschiedenen Jobs, weil sie mir erlauben für die Kinder da zu sein, jetzt wo sie noch klein sind. Das ist mir wichtig. 

Aber es ist schon so, dass man gesellschaftlich dafür weniger Wertschätzung bekommt.

Eigentlich arbeitest Du ja sehr viel und auch die Familie ist ein Unternehmen.

Ja, genau! Das ist schon so. Ich fühle mich dadurch nicht minderwertig, bin auch nicht in dem Sinne abhängig von meinem Mann, denn – eben wie Du sagst – ich leiste viel für die Familie und das wird auch anerkannt. Mein Mann und ich sind beide zufrieden mit dieser Arbeitsteilung. Zudem liegt es an mir, welchen Wert ich meiner Arbeit gebe.

Dass wir beide im Turnverein aktiv sind, fördert sicher auch das gegenseitige Verständnis. 

Ihr habt also eine partnerschaftliche Arbeitsteilung? 

Ja! In struben Zeiten ist es dann halt so, dass wir uns abends die Türklinke in die Hand geben. Der eine hütet die Kinder, der andere hat Proben oder Training. Aber das ist ja gottseidank nicht immer so! Wir schaffen uns auch wieder Erholungsphasen. Die Kinder sind es so gewohnt, von klein auf. Und haben wir beide zusammen etwas ob, dann sind ja auch die Eltern noch da, die helfen.

Gibt es etwas, dass Du Dir wünschen würdest, vielleicht nicht von Deinem Partner, aber zum Beispiel von der Gesellschaft oder von der Schule?

Ja, manchmal … Ich finde, wir leben in einer Profitgesellschaft und ich würde mir da etwas mehr Gemeinschaftssinn wünschen. Gerade wenn man viel Freiwilligenarbeit leistet, wäre man froh, zum Beispiel um andere Eltern, die sich auch mal zur Verfügung stellen. Erfahrungsgemäss sind es immer dieselben Leute, die mithelfen und einige andere profitieren immer nur. Es wird immer schwieriger für diese «unbezahlten Jöbli» Leute zu finden. Das finde ich sehr schade. Zudem belastet es die, die dann eben schon wieder einspringen, weil sie nicht «Nein» sagen können, weil es ja jemand machen muss. Das ist undankbar.

Schön wäre, wenn dieser Gemeinschaftssinn, den wir in der Turnerfamilie pflegen auch gesamtgesellschaftlich wieder mehr gepflegt würde.

Dem kann ich mich nur anschliessen. Gleichberechtigung heisst ja nicht nur, dass Mann und Frau sich Job und Familie zu gleichen Teil aufteilen. Wichtig ist, dass die Familienarbeit, wie auch gemeinnützige Arbeit denselben Stellenwert erhalten wie irgend ein anderer Job, auch wenn sie immer noch unbezahlt sind und dies wohl auch bleiben werden.

Ingrid Eva Liedtke 

Andrea Kellers Homepage: 

www.noriyani.ch

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