Kolumne Wädenswil

Bruno Ganz persönlich

Am Montagabend, 14. September 2015, fanden sich über hundert Interessierte im Schloss Au ein, um das Thema Schweiz zu vertiefen. Bruno Ganz im Gespräch mit Julia Gerber Rüegg und Tim Guldimann, so lautete die schlichte Ausschreibung des Anlasses. Stadtrat Jonas Erni führte in den Abend ein und moderierte den Anlass mit viel Feingefühl und sehr gekonnt.

Bekannt ist Bruno Ganz vor allem als grossartiger Schauspieler in erfolgreichen Filmen, wie «Vitus» oder «Der Untergang». Privat lebt er eher zurückgezogen in der Au, die er vor Jahren als neuen Wohnort gewählt hat.

Kein Wunder war das Interesse gross, den grossen Künstler für einmal «daheim in der Au» an einer gleichermassen öffentlichen wie fast familiären Gesprächsveranstaltung im Schloss Au näher kennen zu lernen. Der Publikums­an­drang war jedenfalls weit grösser, als die privaten Organisatoren des Anlasses erwartet hatten.

Kulturraum oder Heimat?

Welchen Bezug zur Schweiz hat Bruno Ganz, der sein künstlerisches Werk vor allem in Deutschland vollbracht hat und die deutsche Kultur als Basis für sein Schaffen betrachtet? Wo fühlt er sich heute zu Hause, er, der in jungen Jahren auswanderte, um im deutschen Kulturraum etwas zu erreichen, das er sich zum Ziel gesetzt hatte? Nämlich ein guter Schauspieler zu werden und daher die deutsche Bühnensprache perfekt zu beherrschen.

Wie erlebt Bruno Ganz die Schweiz heute? Eher politisch gespalten, hin und her gerissen zwischen den Interessen und Zukunftskonzepten der verschiedenen Lager, zwischen Konservativen und Liberalen? Wie sieht er Deutschland im Vergleich zur Schweiz? Wo gibt es Unterschiede und Gemeinsamkeiten?

Und schliesslich die ganz grossen Fragen, die uns alle heute bewegen: Wie weiter in Verhältnis der Schweiz zur europäischen Union? Wie umgehen mit dem Flüchtlingsstrom aus dem Nahen Osten?

Die Schweiz und die EU

Tim Guldimann, der ehemaliger Schweizer Botschafter in Deutschland, ist Auslandschweizer und lebt in Berlin.
Seine spezifischen Erfahrungen in Deutschland ergänzten die Ausführungen von Bruno Ganz und setzten eigene Akzente. Als erfahrener Diplomat konnte er Hintergründe aufzeigen und Bezüge machen, welche das Verhältnis zwischen Deutschland und der Schweiz noch weiter erhellten. Sein Plädoyer richtete sich vor allem darauf, die Schweiz solle ein pragmatisches Verhältnis mit der EU pflegen und sich selbstbewusst den Herausforderungen der Zukunft stellen.
Als offenes Land mit mehreren Kulturen dürfe die Schweiz nicht in einen Deutschschweizer Regionalismus verfallen und sich immer mehr auf sich selber beziehen.

Julia Gerber Rüegg sprach sich als erfahrene Parlamentarierin für die Pflege der demokratischen Tradition aus. Die politischen Institutionen und das Subsidiaritätsprinzip seien die Garantie der Zukunftstauglichkeit der Schweiz. Die Vielzahl der Parteien und das Fehlen einer Mehrheitsgruppierung hätten im Verlauf der Geschichte einen «Sonderfall Schweiz» geschaffen, der sich durch seine Kompromiss- und Verhandlungskultur auszeichne. Doch heute sei die Ausgewogenheit der Kräfte und der gegenseitigen Kontrollen der Instanzen im Staat gefährdet. Die direkte Demokratie sei grossartig, doch das Volksrecht stehe nicht ausserhalb des institutionellen Rahmens, sonst gebe es keine Rechtssicherheit mehr.

Denkanstösse

Die Schweiz ist keine Insel. Darin waren sich Ganz, Guldimann und Gerber Rüegg einig. Sie ist aber ein wunderbares Land mit einem freiheitlichen System, welches Fortschritt, Kultur und Wohlstand seiner Bevölkerung fördert. Und vor allem hat die Schweiz ein grosses Entwicklungspotential, welches zuversichtlich und realistisch zum Vorteile aller realisiert werden kann. Kein Grund an alten Mythen festzuhalten, die Zukunft ruft.
Willy Rüegg

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