Wädenswil

Das Wädenswiler Strahlen-Projekt

Am 11. März 2011 begann die Katastrophe in Fukushima und führte der Weltbevölkerung wieder einmal deutlich die Gefahren der Atomkraftnutzung vor Augen. Viele Staaten änderten daraufhin ihr Atomprogramm, auch die Schweiz. Aber was wurde eigentlich aus der Wädenswiler Strahlenanlage?

Was sich wie ein Artikel aus dem unlängst zur Fasnachtszeit erschienenen «Anlüger vom Zürichsee» anhört, ist mitnichten ein Scherz, der wie die alte Fasnacht hintendrein kommt. Die Wädenswiler Strahlenanlage existierte tatsächlich.

An der damaligen Forschungsanstalt Wädenswil, heute Agroscope Changins-Wädenswil wurde 1973 eine Bestrahlungseinrichtung gebaut, die mit 30 000 Curie Cobalt-60 geladen wurde. Cobalt-60 ist ein radioaktives Isotop (60Co). Es entsteht, wenn man natürlich vorkommendes Kobalt-59 mit Neutronen bestrahlt. Das so erzeugte Kobalt-60 zerfällt in Nickel-60, wobei zugleich Beta- und Gammastrahlen ausgesendet werden. Kernumwandlungen können damit nicht hervorgerufen werden, doch würde die Strahlendosis ausreichen, eine erwachsene Person innert Minuten zu töten.

Versuchsbetrieb zur Lebensmittelbestrahlung

Aufbau und Betrieb der Bestrahlungsanlage leitete der heute pensionierte Wädenswiler Hansjürg Zehnder, der als Lebensmittelingenieur von der FAW zuerst nach Wien geschickt wurde, um die Schweiz in einem internationalen Projekt zur Entwicklung der Strahlenkonservierung zu vertreten und danach mit dem damals prestigeträchtigen Projekt betraut wurde.
Mit der Bestrahlungsanlage sollte der Forschung Gelegenheit gegeben werden, den Einsatz von Gammastrahlen auf den verschiedensten Gebieten der Biologie kiritisch zu prüfen. Zu diesem Zweck wurde ein strahlensicherer Raum gebaut, der die Möglichkeit einer «nassen» Lagerung des radioaktiven Guts bot. So lagerten die Strahlenquellen während des Nichtgebrauchs aus Sicherheitsgründen auf dem Grund eines Wassertanks.
Die Baupläne sahen eine Versenkung der gesamten Anlage in den Boden vor. Bei den Bauarbeiten stiess man auf Fels, so dass der künftige Wassertank in den Fels eingesprengt werden musste.
Nach Beendigung der Bauarbeiten, am 13. März 1973 wurde die Beladung mit radioaktivem Material vorgenommen, unter Aufsicht des Eidg. Gesundheitsamtes, des Eidg, Institutes für Reaktorforschung sowie der FAW.
Die Bestrahlungsanlage in der FAW diente verschiedenen Versuchszwecken. So wurde zum Bespiel die Insektensterilisation untersucht, eine auch heute gängige Methode zur Verminderung von Schädlingsbefall herbeigeführt durch Überschwemmung einer Schädlingspopulation durch sterile Insekten. Hauptaugenmerk wurde aber auf die Lebensmittelbestrahlung und danach auf die Erkennung von bestrahlten Lebensmitteln gelegt. Bei der Lebenmittelbestrahlung kann mittels ionisierenden Strahlen die Haltbarkeit verbessert werden. Zwiebeln oder Kartoffeln als Beispiel keimen während der Lagerung nicht aus.

Doch auch Lohnaufträge für die Industrie wurden ausgeführt: die ersten erhältlichen künstlichen Hüftgelenke, die sogenannten «Sulzergelenke» wurden in Wädenswil mittels Bestrahlung sterilisiert.

In der Schweiz benötigt die Bestrahlung von Lebensmitteln ausser von Kräutern oder Gewürzen eine Bewilligung durch das Bundesamt für Gesundheit. Zudem müssen alle bestrahlten Lebensmittel mit dem Hinweis «bestrahlt» oder «mit ionisierenden Strahlen behandelt» gekennzeichnet werden, um dem Verbraucher eine sachkundige Entscheidung zu ermöglichen. In Wädenswil wurde zur Kontrolle dieser Regelungen Prüfverfahren ausgearbeitet, die bestrahlte Lebenmittel erkennen.

In der EU ist die Bestrahlung von getrockneten aromatischen Kräutern und Gewürzen – Tee zählt nicht dazu – generell erlaubt. Das «kalte» Entkeimen mit ionisierenden Strahlen bietet sich hier an, da bei der alternativen Behandlung mit Hitze Aroma verloren geht. Kräuter und Gewürze müssen behandelt werden, da sie häufig mit Salmonellen, Schimmelpilzen und anderen gesundheitsschädlichen Mikroorganismen befallen sind. Zwar vermehren sich die Krankheitserreger in den trockenen Produkten kaum, werden sie aber übers Essen gestreut oder anderen Lebensmitteln, etwa Frischkäse oder Dressings, zugesetzt, schnellt die Mikrobenzahl in die Höhe.
Einige EU-Staaten, allen voran Belgien, bestrahlen auf der Grundlage nationaler Zulassungen weitere Produkte von Käse über Fleisch bis zu Fertiggerichten. Im August 2006 genehmigte das deutsche Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit einer niederländischen Firma die Einfuhr bestrahlter Froschschenkel. Bestrahlte Zutaten in Nahrungsmitteln müssen aber ebenso wie als Ganzes bestrahlte Produkte immer die Kennzeichnung «bestrahlt» oder «mit ionisierenden Strahlen behandelt» tragen.
Die Bestrahlung von Lebensmittel konnte sich in Europa nicht durchsetzen, nicht zuletzt auch wegen der Vorbehalte gegenüber Radioaktivität. Andrerseits bestehen mittlerweile weitere, leistungsfähigere Anlagen zur Bestrahlung, auch in der Schweiz.

Das Wädenswiler Projekt endete im Dezember 2001. Die Bestrahlungsanlage wurde still gelegt und die Strahlenquelle nach Deutschland verkauft. Die Räumlichkeiten existieren noch und werden heute als Lager verwendet.

Nuklearkatastrophe von Fukushima

Als Nuklearkatastrophe von Fukushima werden eine Reihe von kata­strophalen Unfällen und schweren Störfällen im japanischen Kernkraftwerk Fukushima Daiichi (Fukushima I) und deren Auswirkungen bezeichnet.

Die Unfallserie begann am 11. März 2011 um 14:47 Uhr (Ortszeit) mit einem Erdbeben und lief gleichzeitig in vier von sechs Reaktorblöcken ab. In Block 1 bis 3 kam es zu Kernschmelzen. Grosse Mengen an radioaktivem Material – rund 10 bis 20 Prozent der radioaktiven Emissionen von Tschernobyl – wurden freigesetzt und kontaminierten Luft, Böden, Wasser und Nahrungsmittel in der land- und meerseitigen Umgebung. Ungefähr 100 000 bis 150 000 Einwohner mussten das Gebiet vorübergehend oder dauerhaft verlassen.

Aufgrund einer Abschätzung der Gesamtradioaktivität der freigesetzten Stoffe ordnete die japanische Atomaufsichtsbehörde die Ereignisse auf der Internationalen Bewertungsskala für nukleare Ereignisse mit der Höchststufe 7 ein. Die Entsorgungsarbeiten werden voraussichtlich 30 bis 40 Jahre lang dauern. Die Berichterstattung über die Katastrophe führte in vielen Ländern zu einer grösseren Skepsis oder einem Stimmungsumschwung zulasten der zivilen Nutzung der Kernenergie. Mehrere Länder gaben ihre Kernenergieprogramme auf.
(Quelle: Wikipedia)

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